Menu toggle
Navigation

Ateliers polnischer Maler in München um 1890

Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

Mediathek Sorted

Mediathek
Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013
Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

Suchodolski war eigentlich kein Historienmaler. Pecht bezeichnet ihn „Jagdmaler, der sich besonders durch die feine Stimmung seiner Bilder auszeichnet“.[99] Seit seiner Zeit an der Düsseldorfer Akademie, anschließend in Italien und auch in München widmete er sich jedoch vor allem religiösen Themen wie „Die Heilige Cäcilie unterrichtet einen Engel die Orgel zu spielen/Św. Cecylia ucząca aniołka gry na organach“ (1857), „Der Judaskuss/Pocałunek Judasza“ (1859), „Allerheiligste Jungfrau/Najświętsza Panna“ (1863), „Mutter Gottes/Matka Boska“ (1865), „Die Vision der Heiligen Theresa/Wizja św. Teresy“ (1876) oder „Heilige Drei Könige/Trzej królowie“ (1903). Auf dieses Malfach deuten in seinem Atelier auch die Bischofs- bzw. Heiligenfigur am Türdurchgang und der Hausaltar im dahinterliegenden Raum. Das auf der Staffelei präsentierte Gemälde zeigt ein bislang unbekanntes, offenbar antikes Sujet, bei dem ein Jüngling über Schriften und Papieren eingeschlafen ist. Der auf dem Gemälde dargestellte Vogel korrespondiert merkwürdig mit der ausgestopften Eule auf dem Barockschrank. Bei ihr könnte es sich, da sie auf einer Weltkugel sitzt, auch um das Wappentier der Münchner Schlaraffia-Vereinigung handeln, die sich zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor 1880 in der Neuturmstraße in der Münchner Altstadt gegründet hatte. 1890, im Jahr nach Teufels fotografischer Aufnahme, beteiligte sich Suchodolski mit einem Gemälde „Der Träumer“ an der zweiten Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken aller Nationen im Glaspalast,[100] 1893 mit einem Ölgemälde „Heilige Familie“.[101] 1895 war seine Frau dort unter dem Namen Elisabeth von Suchodolska mit einem Bild „Sterntaler“, er selbst mit einem Ölgemälde „Idyll“ vertreten.[102] Die Familie blieb in München ansässig. Suchodolski starb dort 1908. Sein Sohn Siegmund von Suchodolski (1875-1935) studierte an der Kunstgewerbeschule und an der Technischen Hochschule und wurde als Architekt, Gebrauchsgrafiker und Illustrator in München tätig.

Auch Szymon bzw. Simeon oder Simon Buchbinder (1853-1908?)[103] konnte bereits auf ein langes und abgeschlossenes Kunststudium und weitreichende Berufserfahrung zurückblicken, als er 1883 nach München kam. Er hatte ab 1869 in der Warschauer Zeichenklasse/Klasa Rysunkowa bei Gerson, Kamiński und Rafał Hadziewicz (1803-1883) studiert, dann in Wien als Dekorationsmaler an der Hofoper gearbeitet und sein Studium an der Kunstakademie fortgesetzt. 1879 bis 1882 absolvierte er ein Meisterstudium bei Matejko an der Krakauer Akademie der Bildenden Künste/Akademia Sztuk Pięknych. Während sein älterer Bruder Józef (1839-1909)[104], der ebenfalls Maler war, 1862/63 wohl nur zwei Studiensemester in Dresden und München verbracht hatte, blieb Szymon vierzehn Jahre in München. Die Brüder entstammten einer jüdischen Familie aus der Gegend von Lublin. Während sich Józef unter dem Einfluss der Bernhardinerabtei in Łuków, die seine künstlerische Ausbildung bezahlte, taufen ließ und sich in Rom und später in Warschau christlichen Bildthemen und der Altarmalerei zuwandte, bearbeitete Szymon unter dem Einfluss von Matejko zunächst historische Themen und beschäftigte sich dann mit Genremotiven aus dem jüdischen Alltagsleben. In der Alten Pinakothek in München studierte er die Niederländischen Meister des 17. Jahrhunderts (Pecht nennt Frans van Mieris den Älteren und Caspar Netscher)[105] und schuf in der bayerischen Hauptstadt vor allem kleinformatige Figuren- und Interieurbilder im Stil des niederländischen Barocks in altmeisterlicher Feinmalerei.

Zunächst in der Goethestraße ansässig, befand sich sein Atelier, so wie Teufel es fotografierte (Abb. 3, 4), in der Schwanthalerhöhe 10 in der Ludwigsvorstadt im vierten Stock, die Privatwohnung unweit davon in der heute gleichnamigen Schwanthalerstraße 35.[106] Das geräumige Atelier wirkt wie ein schlichter Arbeitsraum, in dem der Fotograf mangels anderer dekorativer Motive den Malstock und einige Bücher in den Vordergrund drapierte und den Künstler mit Palette und Pinseln in Positur setzte. Die wenigen Gegenstände, die der Ausstattung des Ateliers dienten, waren ein Prunkbehang, sorgsam und ohne viel Liebe auf dem Sims aufgereihte Kannen und Zierteller, eine bei fast allen Künstlern vorkommende Renaissance-Truhe und wenige Musikinstrumente. Künstlerisch und geschäftlich war Buchbinder erfolgreich. Er stellte mit den anderen polnischen Künstlern im Münchner Kunstverein aus. Seine Arbeiten wurden in der Presse positiv besprochen und er arbeitete, möglicherweise auf Bestellung, für die schon 1825 gegründete Münchner Galerie Wimmer, die in der Brienner Straße 3 in der Altstadt ansässig war und zeitweise über Filialen in London und New York verfügte. 1890 verkaufte die Galerie zwei seiner Gemälde an amerikanische Kunstsammler, 1891 ein nur 41 x 24 Zentimeter großes Bild mit einem vor der Staffelei stehenden jungen Mann an einen Sammler in New York für 16.000 Mark.[107] 1897 ging Buchbinder nach Berlin, wo er offenbar bis zu seinem Lebensende ansässig war.

 

[99] Pecht 1888, Seite 423

[100] Illustrirter Katalog der zweiten Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken Aller Nationen im königl. Glaspalaste, München 1890, Seite 39 (siehe Online-Ressourcen)

[101] Illustrirter Katalog der Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken aller Nationen im Kgl. Glaspalaste, München 1893, Abbildung 24

[102] Illustrirter Katalog der Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken Aller Nationen im Königl. Glaspalaste, München 1895, Seite 45

[103] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/buchbinder-szymon

[104] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/buchbinder-jozef

[105] Pecht 1888, Seite 423

[106] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 44

[107] Jednodniówka 2008, Seite XVII