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Ateliers polnischer Maler in München um 1890

Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

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Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013
Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

1885 kam Zdzisław Jasiński (1863-1932) [108], Mitglied einer Warschauer Künstlerfamilie, zum Studium nach München, nachdem er zuvor in der Warschauer Zeichenklasse/Klasa Rysunkowa und an der Schule für Zeichnung und Malerei/Szkoła Rysunku i Malarstwa in Krakau bei bedeutenden Lehrern studiert hatte. Er schrieb sich an der Münchner Kunstakademie bei dem Genre- und Landschaftsmalers Otto Seitz (1846-1912) ein. Im selben Semester begannen auch die Polen Stanisław Radziejowski (1863-1950)[109], Apoloniusz Kędzierski (1861-1939)[110], Zygmunt Ajdukiewicz (1861-1917)[111] und Feliks Cichocki Nałęcz (1861-1921)[112] ihr Studium entweder bei Seitz oder in der Malklasse von Nikolaus Gysis (1842-1901) und der Naturklasse von Johann Caspar Herterich (1843-1905).[113] Außerdem studierte Jasiński bis 1889 bei Wagner Historienmalerei. Noch während seines Studiums war er 1888 in der III. Internationalen Kunstausstellung im Glaspalast mit einem Gemälde „Hausierer“ vertreten.[114] Im Jahr darauf zeigte er dort in der Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken aller Nationen das Gemälde „Die Mutter krank“,[115] das auch auf dem Atelierfoto von Teufel (Abb. 10) auf der Staffelei zu sehen ist. Auf einer Ausstellung der Kunstakademie erhielt das Bild eine Auszeichnung und wurde schließlich so bekannt, dass es im Jahr darauf in einem Pariser Verlag als Radierung reproduziert wurde und auch heute noch im Original überliefert ist (Abb. 10a, b).

Auch in den Folgejahren war Jasiński auf den Ausstellungen im Glaspalast vertreten. Er malte Figurenbilder mit religiöser Szenerie wie „Feiertagsmesse“ oder „Palmsonntag“, schuf ländliche Szenen, die in Interieurs oder dörflicher Umgebung spielen, Landschaften, Porträts, Kinderbilder sowie gelegentlich großformatige symbolistische Kompositionen und Allegorien. An einer vermutlich allegorischen Komposition mit zwei Schwestern, Grazien oder Nymphen in dramatischer Landschaft und im großen Format arbeitete der Maler, als er von Teufel fotografiert wurde – er selbst gut gekleidet, in professioneller, aber unaufdringlicher Pose. Sein Atelier befand sich in der Münchner Kunstakademie.[116] Daher fehlen jede Art von wohnlichen Dekorationen, Teppichen oder Wandvertäfelungen. Der Künstler war während seines gesamten Aufenthalts in München mit keiner weiteren Adresse verzeichnet. Das kleine Gemälde mit dem lesenden Kind in der linken unteren Ecke der Fotografie gelangte in einer weiteren Fassung möglicherweise an einen Sammler in den Vereinigten Staaten von Amerika, denn ein farbiger Kunstdruck wurde von dort noch bis ins 21. Jahrhundert hinein mit dem korrekten Namen des Künstlers und unter dem Titel „My First Picture Book“ vertrieben.[117] 1894 ging Jasiński nach Warschau zurück.

Mit Kazimierz Pułaski (Kasimir von Pulaski, 1861-1947)[118] fotografierte Teufel einen Maler, der bislang so gut wie gar nicht in Erscheinung getreten war, jedoch vermutlich prominente Fürsprecher hatte. Pułaski war in der Familie seines Vetters Wojciech Kossak (1856-1942)[119] in Krakau aufgewachsen, der selbst von 1873 bis 1876 in München studiert hatte und inzwischen in Krakau ein anerkannter Maler war. Pułaski hatte zunächst Architektur am Polytechnikum in Riga studiert und anschließend in der Armee gedient. 1889/90 kam er zum Studium der Malerei nach München, schrieb sich aber nicht an der Kunstakademie ein, sondern lernte vermutlich bei Brandt, den er in späteren Jahren häufig besuchte. Nach dem Vorbild von Kossak und Brandt malte er Kriegs- und Militärszenen, Pferde- und Jagdbilder, aber auch Landschaften und Porträts. Auf der wahrscheinlich 1893 entstandenen Fotografie (Abb. 13) präsentiert er ein gerade fertig gewordenes und noch ungerahmtes Gemälde mit einem Arrangement aus einem Reitersattel, seitlichem Degen, Taschen, Gürteln, Kartenmaterial und als Krönung einem Greifvogel mit ausgebreiteten Flügeln, das er zuvor aus realen Utensilien vor einem Stück Stoff aufgebaut hatte.

 

[108] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/jasinski-zdzislaw-piotr

[109] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/radziejowski-stanislaw

[110] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kedzierski-apoloniusz

[111] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/ajdukiewicz-zygmunt

[112] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/cichocki-nalecz-feliks

[113] Stępień/Liczbińska 1994, Seite 15

[114] Illustrierter Katalog der III. Internationalen Kunstausstellung (Münchener Jubiläumsausstellung) im Königl. Glaspalaste zu München 1888, Seite 62 (siehe Online-Ressourcen)

[115] Illustrierter Katalog der Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken Aller Nationen im königl. Glaspalaste, München 1889, Seite 45

[116] Langer 1992, Seite 174

[118] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/pulaski-kazimierz

[119] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kossak-wojciech