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Ateliers polnischer Maler in München um 1890

Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

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Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013
Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

Die Ausstattung der polnischen Künstlerateliers, so wie Teufel sie um 1890 fotografierte, folgte mit ihren Sammlungen und ausgestellten Gemälden sicher den Erwartungen des Publikums, also der hochrangigen Besucher, Sammler und Galeristen, die bei den Polen nichts weniger als ein unbekanntes, „exotisches“ oder besser pittoreskes Europa erwarteten,[145] das, wenn es thematisch um die Türkenkriege oder um Völker, Landschaften und Kriegsereignisse von den östlichen Grenzen Polens ging, sogar dem „Orient“ nahekam. Der Eindruck des Andersartigen der polnischen Malerei, auch wenn er vor allem die Kerntruppe der Künstler um Brandt und Wierusz-Kowalski betraf, hielt sich über Jahrzehnte. Im Januar 1875 schrieb der Münchner Kunsthistoriker und Konservator an der Alten Pinakothek, Adolf Beyersdorfer (1842-1901), in der Wiener Tageszeitung „Neue Freie Presse“: „Gierymski und seine Genossen stellen also die Welt in ihrem ärmsten Kittel dar: ein Stück polnische Halde, ein Fleckchen Puszta mit kümmerlichem Gras und Gestrüpp und sechs Meilen unentgeltlicher Fernsicht ins Blaue – im Vordergrund manchmal etwas Aufwand, z.B. ein Distelstrauch oder ein Wassertümpel – eine Heideschenke, die kalkweiße Mauer dem grellen Sonnenlichte zugekehrt, oder ein ganzes Dorf, eine dunkle, zusammengedrängte Häuserherde bei Nacht oder im Morgengrauen […], eine wahre Selbstmörderstimmung – kurzum allenthalben die beabsichtigte Nüchternheit und Trostlosigkeit einer armen Natur.“[146] Noch knapp drei Jahrzehnte später, 1903, urteilte der Maler, Architekt und Schriftsteller Stanisław Witkiewicz (1851-1915), die Malerei von Brandt und seinem Kreis stelle eine für Ausländer märchenhafte Welt dar, „deren Gestalt, Bewegungen, Taten und Verhaltensweisen, Kleidung und Waffen die Betrachter durch ihre Außergewöhnlichkeit in Erstaunen versetzten.“ Solche Helme, Säbel, Gewänder, solche eine Masse an seltsamen Dingen, malerischen Wirtshäusern, schiefen Strohdächern, matschigen Gräben und verfallenen Mühlen hätte man andernorts vergebens gesucht.[147]

Die Sammlungen in den Ateliers der polnischen Künstler, vor allem die von Brandt (Abb. 1, 2), Kozakiewicz (Abb. 11), Rosen (Abb. 14, 15) und Pułaski (Abb. 13), dienten also nicht nur als Vorbilder für ihre Malerei, sondern versuchten den Eindruck des Andersartigen und Pittoresken in musealer Weise über Jahrzehnte hindurch zu konservieren. Sie repräsentierten für jeden einzelnen Künstler sicher ein Stück Heimat, waren aber zugleich ein wichtiger Teil ihrer Verkaufsstrategie.

Axel Feuß, Januar 2018

 

 

[145] Anna Baumgartner (2015, Seite 33-35, siehe Literatur) diskutiert kritisch den Begriff des „Exotischen“ im Hinblick auf die polnische Malerei dieser Zeit, wie er heute von polnischen Kunsthistoriker*innen verwendet wird, in der zeitgenössischen Kunstkritik der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch keine Anwendung fand.

[146] Adolph Beyersdorfer: Neue Kunstbestrebungen in München IV., in: Neue Freie Presse, Nr. 3745, Wien, 29.1.1875, Seite 1 (Digitalisat: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=18750129&seite=1&zoom=33)

[147] Stanisław Witkiewicz: Aleksander Gierymski, Lwów 1903, Seite 20 (Digitalisat: http://cyfrowa.chbp.chelm.pl/dlibra/doccontent?id=11097)