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Ateliers polnischer Maler in München um 1890

Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

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Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013
Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

Sein Freund Franciszek Streitt,[80] der in München auch unter der deutschen Namensversion Franz Streitt firmierte, ist auf der Fotografie von Teufel in seinem kleinen Atelierraum schon von schwerer Krankheit gezeichnet (Abb. 16). 1839 in Brody in der Ukraine geboren, studierte er zunächst an der Technischen Akademie in Lemberg und an der Schule der Schönen Künste/Szkoła Sztuk Pięknych in Krakau bei Władysław Łuszczkiewicz (1828-1900) und Jan Matejko (1838-1893). Nach Szenen aus der polnischen Geschichte und Literatur malte er vor allem Genremotive mit sentimentaler Attitüde aus dem Alltag der Handwerker und Bauern wie das Bild „Pierwsze kroki/Erste Schritte“, das im „Album polnischer Maler“ erschien (siehe PDF). Auch er war mit der Künstlerkolonie um Brandt und Wierusz-Kowalski eng verbunden. Auf seinem Atelierfoto sitzt er dem Modell einer Bäuerin mit einem Korb gegenüber, das vermutlich eine kostümierte Puppe ist. An der Schauwand sind Gräser, Straußenfedern und ausgestopfte Vögel dekoriert, Efeu rankt sich vom Fenster aus an der Decke entlang – eine offenbar übliche Dekoration, die auch auf dem Atelierfoto des deutschen Genremalers Claus Meyer (1856-1919) in der benachbarten Georgenstraße[81] zu sehen ist. Auch Musikinstrumente und Lederbeutel dienten zur Dekoration. Auf einer Truhe steht im Hochformat das noch ungerahmte Gemälde „Eine Blume für den Hut/Kwiatek do kapelusza“, das noch heute bekannt ist (Abb. 16a). Auf der Staffelei ist das in Arbeit befindliche Bild eines jungen Zigeunerpaars zu sehen, von dem der sitzende Geigenspieler auch als Einzelbild aus dem Jahr 1890 überliefert ist (Abb. 16b).

Streitt heiratete 1888 eine Münchner Malerin, starb jedoch schon am Heiligen Abend 1890. Die polnische Schriftstellerin Maria Konopnicka (1842-1910), die zu Beginn einer Europareise München und die Ateliers der polnischen Künstler, darunter das von Streitt, besuchte, berichtete über das Begräbnis: „Auf dem Münchner Nordfriedhof bestattete man am letzten Tag des alten Jahres den Maler Franciszek Streitt. Die Beerdigung war traurig, hinter dem Sarg gingen Kollegen und seine Frau, eine Deutsche. Der Sarg umschloss den gebrechlichen Körper und einen schlichten Geist, der ihn auch in seinem künstlerischen Schaffen auszeichnete. Einfachheit und Wahrheit. Ich kenne keinen Maler, der mit einigen Strichen seinen Gedanken, oder vielmehr sein Gefühl in der Zeichnung zum Ausdruck bringen könnte. Dieses steht bei ihm nämlich stets an erster Stelle. Wie er es jedoch auszudrücken verstand, beweist am besten seine ‚Rekrutierung in die Armee‘ – der schmerzliche Tod einer Mutter und eines jungen Soldaten. Einmal gesehen, bleibt sie für immer in Erinnerung.“[82] 1891 veranstaltete der Kunstverein München eine Retrospektive mit sechzig Werken des Künstlers.

1872 kam Jan Rosen (1854-1936)[83] zum Studium nach München, nachdem er in Dresden, wohin seine Familie nach dem Januaraufstand 1863 geflüchtet war, ersten Zeichenunterricht erhalten hatte. Neben seinem Studium an der Münchner Kunstakademie bei dem Historien- und Figurenmaler Alexander Strähuber (1814-1882) und dem Bildhauer, Historien- und Genremaler Ferdinand Barth (1842-1892) nahm er privaten Malunterricht bei Brandt. Gemeinsam mit seinem Kommilitonen an der Akademie, Henryk Piątkowski (1853-1932),[84] der schon vier Jahre später im „Album polnischer Maler“ mit der antiken Szene „Rzymianka w kąpieli/Römerin im Bad“ vertreten war (siehe PDF), gab er das polnische Studentenmagazin Kolega heraus, war auch sonst in der Studentenschaft und in der polnischen Künstlerkolonie aktiv, organisierte Chöre und Konzerte. Ab 1874 setzte er sein Studium in Paris fort, war anschließend in Polen und auf Reisen und lebte dann erneut ab 1883 in München. Sein Atelier hatte er seit 1888 unweit von Brandt in der Schwanthalerstraße 32 im Rückgebäude.[85] Unter dessen Einfluss malte er Jagdmotive, Pferdeszenen und Reiterbildnisse, wurde jedoch berühmt durch seine Schlachtengemälde über die Napoleonischen Kriege und vom Novemberaufstand 1830/31. Um alle Details so authentisch wie möglich schildern zu können, studierte er nicht nur historische Quellen und Literatur, sondern legte nach Brandts Vorbild eine Sammlung von Pistolen, Säbeln, Uniformen, Harnischen und Helmen, Kanonenmodellen, Trompeten und Jagdhörnern an, die er in seinem Atelier penibel aufreihte (Abb. 14, 15). Für repräsentative Möbel war offenbar kein Platz, lediglich Teppiche und einige Wandbehänge sorgten für eine wohnliche Atmosphäre. Auch Rosen, der auf Teufels Fotografie im verlorenen Profil an der Staffelei sitzt, wirkt eher zurückhaltend und bescheiden.

 

[80] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/streitt-franciszek

[81] Langer 1992, Seite 140

[82] Zitiert nach Zbigniew Fałtynowicz: Gemeinsamer Ursprung, in: Jednodniówka 2008 (siehe Literatur), Seite XVI

[83] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/rosen-jan

[84] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/piatkowski-henryk

[85] Adressbuch von München 1888, I. Teil, Seite 274