Das „Polenlager“ in Lahde

DPAC Lahde, Camp Lahde, Ortschaft Lahde. Zwei Displaced Persons posieren vor dem „Hotel Tonne“ (im Hintergrund) für ein Erinnerungsfoto. Hier lag zunächst das Hauptquartier der UNRRA-Teams 65 und 129.
DPAC Lahde, Camp Lahde, Ortschaft Lahde. Zwei Displaced Persons posieren vor dem „Hotel Tonne“ (im Hintergrund) für ein Erinnerungsfoto. Hier lag zunächst das Hauptquartier der UNRRA-Teams 65 und 129.

Bei der Vorgehensweise der britischen Besatzungsmacht gegenüber polnischen DPs ist seinerzeit – wohl aus außenpolitischen Gründen – berücksichtigt worden, dass polnische Truppenteile von Bodentruppen und Luftstreitkräften während des 2. Weltkrieges unter alliiertem Kommando im Einsatz gegen das Deutsche Reich gekämpft hatten. Einige dieser Truppenteile stehen auch in der Nachkriegsphase noch in britischen Diensten. Auch die frisch eingerichteten zivilen Einheiten wie die Civil Mixed Labour Organisation (CMLO) oder die Mixed Service Organisation (MSO) sind Elemente der „British Army of The Rhine“ (BAOR). Hier erhalten auch polnische „Displaced Persons“ einen Arbeitsplatz.


Lagerstruktur und Lagerbetrieb im DPAC Lahde, Probleme der Repatriierung

Ab 9.5.1945 übernimmt das UNRRA Team 65 die Verantwortung für die Verwaltung des DPAC Lahde. Nach britischen Angaben liegt die Belegungsstärke Ende Mai 1945 bei etwa 20.000 „Displaced Persons“. Nach deutschen Angaben leben im DPAC Lahde bis zu seiner Auflösung zwischen 12.000 und 17.000 „heimatlosen Ausländern“. Die UNRRA-Lagerleitung, repräsentiert durch den UNRRA-Direktor und seinen Stellvertreter, wird zunächst durch britische Staatsangehörige besetzt. Mit fortschreitender Zeit wird die Stelle des UNRRA-Direktors etwa ab 1947 durch einen Angehörigen polnischer Nationalität besetzt.

Jedes Camp des DPAC Lahde, in dem der Anteil polnischer „Displaced Persons“ seit 1945 zunehmend dominiert, erhält eine individuelle Struktur mit eigenem DP-Bürgermeister, Gemeinderat und Lagerpolizei. In den Camps werden Ehen geschlossen und Kinder geboren. Die verstorbenen „Displaced Persons“ werden auf den örtlichen Friedhöfen bestattet. Für die Bewirtschaftung des DPAC Lahde erhalten die DPs die Möglichkeit für den Einsatz als Arbeitskräfte in den Camps, zum Beispiel in der Lagerverwaltung, im Management der Versorgungslager, im Schul- oder Gesundheitswesen, als Handwerker oder als ungelernte Arbeitskraft. Die Auszahlung des Arbeitslohns erfolgt nach britischer Kontrolle durch die Amtsverwaltung Lahde in deutscher Währung.  

Der Unterricht in den polnischen Schulen setzt im Camp Cammer bereits im Mai 1945 ein. Im Juli beginnt der polnische Schulunterricht in den Camps Bierde, Frille, Ilserheide, Lahde, Raderhorst und Wietersheim. Die polnischen Lehrer stehen auf der Lohnliste der UNRRA.

Die ärztliche Betreuung der „Displaced Persons“ wird durch die Einrichtung von DP-Krankenhäusern in  Lahde, Frille und Bad Hopfenberg einschließlich einer zahnärztlichen Versorgung sichergestellt. Die evangelische Kirche Lahde wird auch von den katholischen Priestern der DP-Kirchengemeinde genutzt. Die von den Westalliierten mit Russland vereinbarte priorisierte Repatriierung russischer DPs aus den westlichen Besatzungszonen setzt im Mai 1945 ein und wird bis zum September im Wesentlichen abgeschlossen.

Die von den Westalliierten vorgesehene unverzügliche Repatriierung der polnischen DPs scheitert jedoch. Die Infrastruktur Polens ist durch die deutschen Angriffsoperationen 1939 und die Rückzugsgefechte gegen Kriegsende schwer geschädigt worden. Durch die Verschiebung des polnischen Territoriums nach Westen haben ursprüngliche Anteile Polens aufgehört zu existieren. Ein Teil der polnischen DPs wird zu Staatenlosen. Die Besetzung Polens durch russische Truppen ist mit der Einführung des Kommunismus in Polen verbunden. Diese Perspektive führt insgesamt dazu, dass die Masse der polnischen „Displaced Persons“ – wie auch die baltischen DPs – eine Repatriierung ablehnt und eine Ausreise in ein fremdes Land vorzieht. Diese ablehnende Haltung wird vom Hauptquartier der Britischen Besatzungszone akzeptiert. Die Bewirtschaftung von DPACs wird sich demnach noch eine Weile hinziehen.

Mediathek
  • Jarosława Lysaniuk

    Jarosława Lysaniuk war ursprünglich eine städtische Angestellte im „Generalgouvernement“, bevor sie als Zwangsarbeiterin nach Schönebeck/Elbe deportiert wurde.
  • Begrüßung des polnischen Bischofs Józef Gawlina

    In der Civil Mixed Labour Organisation fanden auch viele polnische Displaced Persons nach Kriegsende einen Arbeitsplatz in der Britischen Besatzungszone.
  • Liste der DP-Arbeitskräfte, Lahde 1945

    Diese Liste verdeutlicht die Anzahl der DP-Arbeitskräfte in den Camps des DPAC Lahde im Juli 1945, zwei Monate nach der Gründung des Lagers.
  • Lohnliste, 1947

    Nach dieser Lohnliste beschäftigte die UNRRA im Januar 1947 sieben Lehrer in der polnischen Lagerschule des Camps Cammer, DPAC Lahde.
  • Festschrift zum Volksfest in Lahde am 24. Und 25. September 1949

    In Lahde (heute Petershagen) wurden noch bis in die 1970-er Jahren hinein immer wieder und jeweils Ende September die „Polenbefreihungsfeste“ gefeiert.
  • "Polenlager" Lahde - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku"

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.