Das polnische Gymnasium in Marienwerder (Kwidzyń)

Marienwerder (Kwidzyń), Polnisches Gymnasium, 1937.
Marienwerder (Kwidzyń), Polnisches Gymnasium, 1937.

Der Initiator des Projektes, Ernst Fechner, kam aus Allenstein. Das Gebäude verband verschiedene Funktionen der Schule und besaß ein Internat und Dienstwohnungen. Der erste Direktor war Władysław Gębik. Die Schule hatte ein hohes Lehrniveau. Man verband typische Bildungsaufgaben mit einer polnisch-patriotischen Erziehung. Die Schul-Maxime war der lateinische Spruch „Non scholae, sed vitae discimus“ (Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir). Die Schule sollte die zukünftigen polnischen Eliten in Deutschland ausbilden. Alle Schüler waren dazu verpflichtet, unabhängig von ihrem Wohnort im Internat zu leben. In der Schule wohnten auch Lehrer und andere Mitarbeiter. Bald darauf begann man die schulische Gemeinde die „Republik Marienwerder“ zu nennen. Die Schule besaß eine eigene Hymne, das ‚Lied der Marienwerder‘. 1939 verstärkten sich die deutschen Repressalien gegen die Schule. Am 25. August des Jahres wurden Schüler und Lehrer festgenommen und in einer Psychiatrie in Tapiau (heute im Oblast Kaliningrad) untergebracht. Die jüngsten Schüler ließ man frei, die älteren wurden in die Wehrmacht eingezogen und die Lehrer und Mitarbeiter fanden sich in Konzentrationslagern wieder.

Die Bildung der Jugend stellte ein wichtiges Ziel in der Tätigkeit polnischer Organisationen in Deutschland dar. Oftmals verband man typische Erziehungsaufgaben mit einer patriotischen Erziehung. Nur auf diese Weise konnte man sich der Germanisierung der polnischen Jugend entgegenstellen und zukünftige polnische Eliten in Deutschland ausbilden. Die Bildungsbetreuung übernahm die „Genossenschaft polnischer Schulgesellschaften“ (Związek Polskich Towarzystw w Niemczech). Sie entstand gemeinsam mit dem „Bund der Polen in Deutschland“ (Związek Polaków w Niemczech) am 27. August 1922, dessen Politik sie realisierte. Zum ersten Vorsitzenden wurde der Berliner Lehrer Cezary Vogt gewählt. Nach der ersten Vollversammlung am 11. Juni 1923 wurde der Leiter der Polnisch-Katholischen Schulgesellschaft im Ermland (Polsko-Katolickie Towarzystwo Szkolne na Warmię), Jan Baczewski, sein Nachfolger. Von Anfang an bemühte sich der Verein um die Ordnung der schulischen Angelegenheiten in Preußen. Erst im Dezember 1928 erließ der preußische Ministerrat die „Order zur Regelung des Schulwesens der polnischen Minderheit“. Sie erlaubte u. a. die Gründung privater Schulen in Deutschland. Das war keine optimale Lösung. Die Schulen sollten in autochthonen Gebieten gegründet werden, vor allem in Schlesien, dem Ermland,  Masuren und Pommerellen. Die ersten privaten Grundschulen entstanden im Oppelner Schlesien, später in anderen Regionen. Bei der Bildung neuer Schulen, mussten verschiedene Probleme überwunden werden. Man besaß keine angemessenen Gebäude, es fehlte an Lehrern, Schulbücher waren eine Seltenheit. Zudem wurden die Initiatoren auf jedem Schritt mit dem Widerwillen der preußischen Beamten, der Feindseligkeit deutscher Lehrer oder der gesellschaftlichen Diskriminierung und Schikanen konfrontiert. Das Gelingen dieser Bemühungen war von der Entschlossenheit der Eltern abhängig.

Neben den Grundschulen schenkte man auch den Mittelschulen Beachtung. 1932 gelang es in Beuthen (Bytom) eine „private Hochschule mit gymnasialem Lehrplan und polnischer Unterrichtssprache“ in Gang zu setzen. Drei Jahre später erlangte diese Schule öffentliche Rechte. Im ersten Jahr begannen 98 Schüler den Unterricht (im letzten Schuljahr besuchten 181 Schüler das Gymnasium).

Am 5. November 1937 eröffnete man das zweite private polnische Gymnasium in Marienwerder in Ostpreußen. Die Ortswahl war nicht zufällig. Marienwerder war das zweitgrößte Zentrum von Polen in Deutschland. Die Eröffnung der Schule wurde durch jahrelange Bemühungen eingeleitet. 1934 wurde das Komitee zum Bau des Gymnasiums in Marienwerder berufen. Das Gebäudeprojekt wurde vom Allensteiner Architekten Ernst Fechner entworfen. Sein Projekt, ein Beispiel modernistischer Architektur, verband mehrere Schulfunktionen in sich, ein Internat und Dienstwohnungen. Dies war eine hochmoderne Lösung. Die Schule besaß eine Aula, die mit Vorhängen, Beleuchtung, einer Bühne und Kinoequipment ausgestattet war. Die Jugend konnte in einer modernen Turnhalle, die mit Duschen versehen war, Sport treiben. Zudem standen ihr ein Sportplatz und ein Schwimmbad zur Verfügung. In der Schule gab es ein eigenes Schulradio.