Der Tod eines polnischen Wehrmachtssoldaten in Russland: Bernhard Switon (1923-1942)

Bernhard Switon in Militäruniform, Kopie 2019, Original im Besitz von Dorota Ciernia
Bernhard Switon in Militäruniform, Kopie 2019, Original im Besitz von Dorota Ciernia

Der Fall von Bernhard Switon in den Erinnerungskulturen an den Zweiten Weltkrieg
 

Da Bernhard Switon am 16.06.1942, also mitten im Krieg zur Wehrmacht berufen wurde und nur wenige Monate später verstarb, muss er schon nach einer kurzen Einführung direkt an die Front gekommen sein. Bis dahin lebte er bei seiner Mutter. Vermerke über seinen Beschäftigungsstatus waren nicht zu finden, vermutlich besuchte er die Schule. Es ist ebenfalls nicht bekannt, unter welchen Bedingungen er zur Wehrmacht kam und wie er in den Wehrmachtreihen behandelt wurde.

Bei gefallenen deutschen Soldaten sind in der Regel die Kriegsgräber dokumentiert und über den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge recherchierbar. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge arbeitet seit dem Ende des Ersten Weltkrieges auf Basis von Spenden der Angehörigen und staatlicher Unterstützung an der Pflege der Grabstätten deutscher Soldaten aus den vergangenen Kriegen. Die Organisation veranstaltet unter dem Leitgedanken „Verständigung-Versöhnung-Frieden“[15] internationale Jugend-Workcamps und Exhumierungs-Aktionen im Austausch mit Partnerorganisationen anderer Länder. Auch hilft die Organisation den Angehörigen bei der Suche nach den Grabstätten ihrer gefallenen Verwandten und organisiert Reisen an die jeweiligen Orte. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 wurde zwischen Deutschland und Russland ein Kriegsgräberabkommen unterzeichnet, welches dem Volksbund erlaubte, die Gräber aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zu erfassen und zu pflegen. Die deutschen Soldatenfriedhöfe in Russland, wie auch sowjetische Friedhöfe und Kriegsdenkmäler in Deutschland werden von deutscher Seite finanziert. Für den damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin war dies wohl ein Grund mehr, dem bilateralen Regierungsabkommen über Kriegsgräberfürsorge zuzustimmen, da Russland nach dem Zerfall der Sowjetunion nicht die Finanzmittel für den Erhalt der Gräber und Gedenkstätten in Deutschland hatte.[16] Seitdem wurden mehrere deutsche Soldatenfriedhöfe in Russland eröffnet und weitere Kooperation beschlossen.

Bei der Kontaktaufnahme mit dem Volksbund wurde die Annahme über den Tod von Bernhard Switon an der Ostfront bestätigt. Den Archivbeständen[17] nach ist er als Soldat des 49. Jägerregiments in die Russische Sowjetrepublik gekommen, wo er am 29.11.1942 gefallen ist und im Wald, drei Kilometer südostwärts von Moloje Optschiwalowo (eine heute nicht mehr existierende Siedlung, ca. 80 km von Nowgorod Welikij entfernt) bestattet wurde. Allerdings konnte kein aktueller Ort der Grabstätte genannt werden, da kein Erkennungsmerkmal zu Bernhard Switon während der Exhumationsarbeiten in der Gegend vorgefunden wurde, was die einzige Methode der Erkennung von Überresten der verstorbenen Soldaten darstellt.

In der Gegend um Nowgorod konnten zum Zeitpunkt des letzten Informationsaustauschs mit dem Volksbund (November 2020) nur 62 von 869 namentlich gemeldeten Gefallenen geborgen und identifiziert werden. Die Erkennung der verstorbenen Soldaten erfolgte anhand der Erkennungsmarken, welche jeder deutsche Soldat bei sich trug. Bei gefallenen Soldaten wurde diese in zwei Teile gebrochen, wovon ein Teil bei dem Verstorbenen verblieb und ein Teil zur Dokumentation an die Dienststelle in Berlin gesendet wurde, mit dem Verweis, wo der Soldat bestattet wurde. Wenn die Verstorbenen mit den entsprechenden Marken nicht gefunden werden, liegt es häufig daran, dass die Bestattungsorte nicht mehr eindeutig zu verorten sind, nicht zugänglich sind oder die Erkennungsmerkmale nicht mehr vorliegen, da sie von Grabräubern, die mit Wehrmacht-Militaria auf dem Schwarzmarkt handeln, gefunden und entwendet wurden.

Die Verstorbenen, die im Umkreis von Nowgord Welikij geborgen waren, wurden anschließend auf dem deutschen Soldatenfriedhof (Pankowka) Nowgorod, der 1996 auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs der 1. Luftwaffen-Feld-Division Nowgorod-Süd eröffnet wurde, bestattet. Da Switons Erkennungsmarke bis jetzt nicht vorgefunden wurde, ist es nicht klar, ob er noch nicht exhumiert wurde oder bei den Umbettungen zu dem Friedhof Nowgorod namenlos geblieben ist. Andererseits wurde Switon jedoch, wie auch hunderte andere namentlich gemeldete Gefallene in das Gedenknamenbuch des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. für die Kriegsgräberstätte Nowgorod aufgenommen.

 

[15] Siegl, Elfie: Versöhnung über Gräbern: Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Russland, in: Zeitschrift Osteuropa, Vol. 58, Nr. 6, Geschichtspolitik und Gegenerinnerung: Krieg, Gewalt und Trauma im Osten Europas, Juni 2008, S. 309.

[16] Vgl.: ebd., S. 309 f.

[17] Angaben über gefallene Soldaten aus dem Bundesarchiv, Abteilung PA in Berlin, die dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zur Verfügung gestellt wurden.

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  • Bernhard Switon in Militäruniform, Kopie 2019

    Bernhard Switon in Militäruniform, Kopie 2019, Original im Besitz von Dorota Ciernia
  • Ältere Schwester Antonja, Mutter Jozefa und der Ehemann der Schwester, Kopie 2019

    Ältere Schwester Antonja, Mutter Jozefa und der Ehemann der Schwester von Bernhard Switon, Kopie 2019, Original im Besitz der Dorota Ciernia
  • Bruder (?) von Bernhard Switon – Adalbert/Wojciech, Kopie 2019

    Bruder (?) von Bernhard Switon – Adalbert/Wojciech, Kopie 2019, Original im Besitz von Dorota Ciernia
  • Eintrag aus dem standesamtlichen Sterberegister zu Bernhard Switon, 23.11.1943, schwarz-weiß Kopie (29.10.2020)

    Eintrag aus dem standesamtlichen Sterberegister zu Bernhard Switon, 23.11.1943, schwarz-weiß Kopie (29.10.2020), Original im Besitz des Stadtarchivs Recklinghausen
  • Karteikarte aus der Einwohnermelderegistratur zu Bernhard Switon, 23.11.1943, schwarz-weiß Kopie (29.10.2020), Original im Besitz des Stadtarchivs Recklinghausen

    Karteikarte aus der Einwohnermelderegistratur zu Bernhard Switon, 23.11.1943, schwarz-weiß Kopie (29.10.2020), Original im Besitz des Stadtarchivs Recklinghausen
  • Kartei der Grabmeldung zu Berhard Switon, Kopie 2000

    Kartei der Grabmeldung zu Berhard Switon, Kopie 2000, Original in: Deutsches Bundesarchiv; Berlin, Deutsch-land; Kartei der Verlust- und Grabmeldungen gefallener deutscher Soldaten 1939-1945 (-1948), ...
  • Briefauskunft der Deutschen Volksbunds Kriegsgräberfürsorge e. V. zu Bernhard Switon, 16.05.2019

    Briefauskunft der Deutschen Volksbunds Kriegsgräberfürsorge e. V. zu Bernhard Switon, 16.05.2019
  • Geburtsurkunde von Jozefa Olek, 10.03.1888; schwarz-weiß Kopie

    Geburtsurkunde von Jozefa Olek, 10.03.1888; schwarz-weiß Kopie, erhalten von Dorota Ciernia am 19.11.2020; Original im Besitz des Nationalarchiv Kalisz
  • Geburtsurkunde von Anton Switon, 23.05.1891; schwarz-weiß Kopie

    Geburtsurkunde von Anton Switon, 23.05.1891; schwarz-weiß Kopie, erhalten von Dorota Ciernia am 17.11.2020; Original im Besitz des Nationalarchiv Kalisz
  • Eheurkunde von Anton Switon und Jozefa Olek, 04.12.1915, mit Anmerkungen zu den Todesdaten der Eheleute

    Eheurkunde von Anton Switon und Jozefa Olek, 04.12.1915, mit Anmerkungen zu den Todesdaten der Eheleute; 2 Seiten, schwarz-weiß Kopie (12.11.2020), Original im Besitz des Stadtarchivs Recklinghausen
  • Sterbebescheinigung von Jozefa Switon, 09.06.1969, schwarz-weiß Kopie (12.11.2020)

    Sterbebescheinigung von Jozefa Switon, 09.06.1969, schwarz-weiß Kopie (12.11.2020), Original im Besitz des Stadtarchivs Recklinghausen
  • Meldekartei von Anton Switon, 2 Seiten, schwarz-weiß Kopie (12.11.2020)

    Meldekartei von Anton Switon, 2 Seiten, schwarz-weiß Kopie (12.11.2020), Original im Besitz des Stadtarchivs Recklinghausen
  • Meldekartei von Anton Switon Jr. (Sohn der Jozefa), schwarz-weiß Kopie (12.11.2020)

    Meldekartei von Anton Switon Jr. (Sohn der Jozefa), schwarz-weiß Kopie (12.11.2020), Original im Besitz des Stadtarchivs Recklinghausen
  • Eheurkunde von Johann Switon und Anastasia Plotek, 04.06.1884, schwarz-weiß Kopie

    Eheurkunde von Johann Switon und Anastasia Plotek, 04.06.1884, schwarz-weiß Kopie, erhalten von Dorota Ciernia am 17.11.2020; Original im Besitz des Nationalarchiv Kalisz
  • Stammbaum der Familie Olek, erstellt mit MyHeritage.com

    Stammbaum der Familie Olek, erstellt mit MyHeritage.com, Kopie, erhalten von Dorota Ciernia am 17.11.2020; Original im Besitz der Familie Ciernia/Olek
  • Antonja (rechts unten), Tochter der Jozefa Switon, Kopie 2020

    Antonja (rechts unten), Tochter der Jozefa Switon, Kopie 2020, Original im Besitz von Dorota Ciernia
  • Stammbaum von Bernhard Switon

    Stammbaum von Bernhard Switon nach Angaben von Dorota Ciernia und Archivunterlagen, erstellt von Kathrin Lind, 24.11.2020
  • Deutscher Soldatenfriedhof in Nowgorod, 2014

    Deutscher Soldatenfriedhof in Nowgorod, 2014
  • Deutscher Soldatenfriedhof in Nowgorod, 2007

    Deutscher Soldatenfriedhof in Nowgorod, 2007
  • Deutscher Soldatenfriedhof in Nowgorod, 2014

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