Die Macht des Netzes. Oder das Netzwerk polnischer Frauen in Deutschland

Hamburger Mentees des Projektes "PolMotion - Bewegung der polnischen Frauen"
Hamburger Mentees des Projektes "PolMotion - Bewegung der polnischen Frauen"

In vielen Geschichten polnischer Mütter, die ich hörte, trat die Förderung der polnischen Sprachkenntnisse ihrer Kinder als wichtiges Element ihrer Identität hervor. Manche von ihnen kamen selbst als Kinder nach Deutschland, so auch Dr. Katarzyna Mol-Wolf, Herausgeberin und Chefredakteurin der Zeitschrift „EMOTION”, die Ende März zu Gast beim Frauenbrunch in Hamburg war, den wir nach Abschluss des Projekts „PolMotion – Bewegung der polnischen Frauen” des Vereins agitPolska e. V. gemeinsam mit anderen Frauen am Sitz und mit Unterstützung der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius veranstaltet haben. Frau Dr. Mol-Wolf spricht unverändert polnisch und fühlt sich, wie sie selber sagt, durch die Sprache ihrer Kindheit mehr als Polin denn als Deutsche. Sie gab jedoch zu, dass es für sie nicht leicht sei, ihre Tochter dazu zu bringen, ihre polnischen Sprachkenntnisse weiterzuentwickeln.

Glücklicherweise entstehen in vielen Städten immer mehr Initiativen und Einrichtungen, die in ihren diversen Veranstaltungen und Aktivitäten Begegnungen mit der gelebten und nicht nur mit der in der Schule gelernten Sprache erlauben. In Berlin ist dies der schon erwähnte Verein Polki w Berlinie, dessen Angebot sich auch an Frauen wendet, die den Kontakt mit der polnischen Sprache pflegen und die polnischen Sprachkenntnisse ihrer Kinder gefördert wissen wollen. Auch der Berliner Verein SprachCafé Polnisch e. V. zeichnet sich durch rege Angebote auf diesem Gebiet aus, indem er Treffen, Veranstaltungen und Kurse für Eltern und Kinder organisiert, die von polnischsprachigen Müttern ins Leben gerufen wurden.

Der seit kurzem in Hamburg tätige Verein WIR zur Förderung der deutsch-polnischen Zweisprachigkeit Hamburg e. V. richtet an Wochenenden literarisch Veranstaltungen aus, die sich sowohl Klassikern als auch neu erscheinenden Kinderbüchern widmen. Ziel des Vereins ist, Kinder in ihrer deutsch-polnischen Zweisprachigkeit zu fördern, so dass sie sich in beiden Sprachen und Kulturen zu Hause fühlen, während sich die Eltern über ihre Erfahrungen mit der Zweisprachigkeit auszutauschen können.

Diese Initiativen bieten nicht nur Raum für Begegnungen mit der Sprache und mit der Kultur, sondern sie verschaffen den Kindern auch die Gelegenheit, sich mit Gleichaltrigen zu treffen und dabei zu entdecken, dass auch andere Kinder und Erwachsene in der Sprache der Mama beziehungsweise des Papas, die sie meist nur von zu Hause kennen, sprechen, und das sogar in der Öffentlichkeit!

Besonderen Wert auf den Status der polnischen Sprache als Herkunftssprache legt der erwähnte WIR-Verein, aber auch andere Organisationen und Personen sind hier engagiert, die sich in informellen Initiativen zusammenschließen, deren gemeinsamer Nenner ist, dass die polnische Herkunft für alle einen Mehrwert und keinen Grund zur Scham darstellt. „Ich schäme mich nicht dafür, Polin zu sein, (…) ich achte mein eigenes Land”, sagt Justyna Rygielska, die Initiatorin der „Chustopogadanki“ (Tragetuch-Plauderstündchen) für polnischsprachige Mütter, in denen es um den richtigen Einsatz von Kindertragetüchern geht.

Die genannten Organisationen und die von ihnen durchgeführten Maßnahmen erfüllen somit typische Aufgaben gemeinnütziger Einrichtungen. Sie ermöglichen Menschen, die ähnliche Interessen haben, gemeinsame Aktivitäten, wodurch sie das Leben dieser Menschen und der Community bereichern. Sie sind um das Gemeinwohl bemüht, handeln im Interesse von Minderheiten, fördern die soziale Integration und ergänzen in einigen Fällen auch die Bestrebungen des Staates, etwa im Hinblick auf den Zugang zu sprachlicher Bildung, oder sie leiten gar soziale Veränderungsprozesse ein.

Diese Organisationen stellen ein wesentliches Element der Demokratie und der Zivilgesellschaft dar. Dabei bildet ihre recht geringe Zahl nicht die Bedeutung der polnischen Minderheit in Deutschland ab, die nach den türkischstämmigen Mitbürgern die zweitgrößte Gruppe ist, wobei wir fast 900.000 Frauen die größte Gruppe der Migrantinnen aus Ländern der Europäischen Union darstellen. Gleichwohl sind wir in den Entscheidungsgremien, in der Politik, in der Kultur und in den Medien immer noch unsichtbar. Was aber hindert uns daran, im öffentlichen Leben aufzutreten? Können Mitgliedschaften in Vereinen und das Zusammenwirken die Partizipation und die Präsenz polnischer Frauen verbessern, um unseren Einfluss auf den gesellschaftlichen und kulturellen Alltag des Landes, in dem wir Leben, zu stärken?

Mediathek
  • Dr. Adrianna Tomczak

    Dr. Adrianna Tomczak
  • Justyna Rygielska

    Justyna Rygielska
  • Marzena Nowak

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  • Greta Gorgoń

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  • Anna Czechowska

    Anna Czechowska
  • Mentorinnen und Mentees des Projekts „PolMotion – Bewegung der polnischen Frauen”

    Mentorinnen und Mentees des Projekts „PolMotion – Bewegung der polnischen Frauen”
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  • Hamburger Mentees des Projekts "PolMotion - Bewegung der polnischen Frauen"

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