Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern Piasten: 1115 Bolesław III. Schiefmund

Grabstätte von Władysław I. Herman und seinem Sohn Bolesław III. Schiefmund, Herzöge von Polen, in der Kathedrale Mariä Himmelfahrt/Katedra Wniebowzięcia Najświętszej Maryi Panny in Płock, Königliche Kapelle. Schwarzer Marmorsarkophag mit Alabaster-Adler nach dem Entwurf von Zygmunt Vogel (1764-1826), 1825
Grabstätte von Władysław I. Herman und seinem Sohn Bolesław III. Schiefmund, Herzöge von Polen, in der Kathedrale Mariä Himmelfahrt/Katedra Wniebowzięcia Najświętszej Maryi Panny in Płock, Königliche Kapelle. Schwarzer Marmorsarkophag mit Alabaster-Adler

1115 Bolesław III. Schiefmund/Bolesław III Krzywousty (1086-1138), Herzog von Polen, heiratet Salome von Berg/Salomea z Bergu (um 1099-1144), Tochter des Grafen Heinrich I. von Berg (†1116)

Bolesław III. wird 1086 als Sohn von Władysław I. Herman (1044-1102), Herzog von Polen, und dessen Ehefrau Judith/Judyta Przemyślidka (1056/58-1086), Tochter des böhmischen Königs Vratislav II., in Krakau geboren. Zu diesem Zeitpunkt ist die polnische Königswürde für die Piasten bereits verloren. Bolesławs Onkel, Bolesław II., der Kühne/Śmiały oder der Großzügige/Szczodry, hatte sich 1076 unter Umgehung des bedrängten deutschen Königs Heinrich IV. selbst zum König von Polen gekrönt. Als er nach einer bewaffneten Revolte ins ungarische Exil fliehen muss, übernimmt sein Bruder Władysław I. Herman die Herrschaft in Polen, versäumt es aber nach der Königswürde zu greifen und überlässt seinem Pfalzgrafen/Palatyn Sieciech die praktische Politik. Noch zu Władysław Hermans Lebzeiten instrumentalisieren dessen dritte Ehefrau, Judith von Schwaben (1047/54-nach 1105), und Sieciech seine Söhne, den älteren Zbigniew und den jüngeren Bolesław, für ihre Ziele. Die daraus entstehende Bruderfehde mündet 1102 in eine Teilung Polens, bei der Zbigniew Großpolen, Kujawien und Masowien erhält und Bolesław III. künftig über Schlesien und Kleinpolen herrscht.

In der Forschung ist umstritten, so der Historiker Eduard Mühle (*1957), „ob die Herrschaft zwischen Zbigniew und Bolesław im Sinne eines gleichberechtigten oder eines hierarchisch abgestuften Verhältnisses geteilt wurde“.[1] Denn der Herrschaftsanspruch über das gesamte regnum Poloniae bleibt offenbar noch längere Zeit ungeregelt. Nach Kriegszügen gegen das heidnisch-slawische Pommern vertreibt Bolesław 1007/08 den älteren Bruder aus dessen Gebieten und greift Böhmen an. Ein Hilfeersuchen von Zbigniew ruft schließlich den deutschen König Heinrich V. auf den Plan, der Bolesław auffordert, die Herrschaft friedlich zu teilen. Da dies erfolglos bleibt, zieht Heinrich 1109 gegen Polen und belagert Glogau/Głogów. Doch auch dieser Feldzug bleibt ohne Ergebnis.[2] Frieden mit dem Römisch-Deutschen Reich erkauft sich Bolesław letztlich durch Tributzahlungen. Bolesław erlaubt Zbigniew 1112/13 die Rückkehr, lässt ihn aber wenig später blenden und verursacht so dessen Tod. Die Kirchenfürsten und die Großen des Landes fordern als Buße eine Pilgerfahrt, nach der Bolesław 1113 in Gnesen/Gniezno wieder in die Kirche aufgenommen wird. Folge dieses Erbschafts- und Nachfolgedramas ist die Einführung einer Senioratsordnung, nach der künftig, also nach dem Tod Bolesławs III., einem Senior der Dynastie die großfürstliche Oberherrschaft über Polen zufallen soll.[3]

In seiner Außenpolitik setzt Bolesław III. neben militärischen Bündnissen auf zahlreiche eheliche Verbindungen, die alle wichtigen Nachbarn, die Kiewer Rus, Böhmen, Ungarn, Pommern, die sächsische Nordmark, Dänemark, Österreich und andere deutsche Fürstenhäuser, umfassen. Er selbst heiratet 1102 die Kiewer Prinzessin Zbyslawa/Zbysława Kijowska, Tochter des Großfürsten Swjatopolk II., und sichert sich damit wie seine Vorfahren Bolesław I. Chrobry, Kasimir I. Karl/Kazimierz I Karol und Bolesław II., der der Überlieferung nach Wyscheslawa, die Tochter des Kiewer Großfürsten Swjatoslaw II. geheiratet haben soll, den Einfluss auf die Kiewer Rus. Den ältesten Sohn aus dieser Verbindung, Władysław II. den Vertriebenen/Władysław II Wygnaniec, später Seniorherzog von Polen und Gründer der schlesischen Linie der Piasten, verheiratet er um 1126 mit Agnes von Babenberg, Tochter Leopolds III. von Österreich und Enkelin Kaiser Heinrichs IV.

 

[1] Mühle 2011 (siehe Literatur), Seite 37

[2] Kersken/Wiszewski 2020 (siehe Literatur), Seite 40 f.

[3] Mühle 2011 (siehe Literatur), Seite 39

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