Franciszek Liss 

Franciszek Liss 
Franciszek Liss 

Franciszek Liss wurde am 8. September 1855 in der kleinen Ortschaft Dzierondzno (Dzierżążno) im Kreis Dirschau (Tczew) in der preußischen Provinz Westpreußen geboren. Seine Schulbildung absolvierte er in den nahegelegenen Kleinstädten Kulm (Chełmno) und Pelplin, wo er auch das Priesterseminar besuchte. Zum Studium wurde er nach Rom geschickt, wo er 1883 die Priesterweihe erhielt und den Doktortitel in Theologie und Philosophie erlangte. Danach kehrte er in seine Heimatregion zurück, wo er neben seiner priesterlichen Tätigkeit auch als Lehrer im Pelpliner Collegium Marianum tätig war. Bereits in dieser Zeit nahmen ihn die preußischen Behörden im Regierungsbezirk Marienwerder wahr und bescheinigten ihm eine entschieden polnisch-nationale und ultramontane Haltung. Er agitierte im Vorfeld von Parlamentswahlen aktiv für den polnischen Kandidaten und forderte offen die Wiedereinführung des 1887 abgeschafften polnischen Religionsunterrichts an preußischen Schulen. Zum 1. April 1890 wurde Pfarrer Dr. Liss aus der Diözese Kulm auf unbestimmte Zeit nach Bochum versetzt, wo er die Polenseelsorge vom abberufenen Pfarrer Józef Szotowski übernehmen sollte. Wie auch sein Vorgänger Szotowski nahm er seinen Wohnsitz im Redemptoristenkloster am Kaiser-Friedrich-Platz (heute Imbuschplatz) in Bochum, das zu Beginn des Kulturkampfes von den Ordensbrüdern verlassen worden war. Bis Anfang Mai 1890 wurde er von Szotowski in die Arbeitsfelder eingewiesen und über die Besonderheiten der Tätigkeit unter den Polen im rheinisch-westfälischen Industriegebiet aufgeklärt, wenngleich Liss – aus einer der wichtigsten Herkunftsregionen der Ruhrpolen stammend – gewisse Kenntnisse über die Migrationsvorgänge aus eigener Anschauung besaß.

Pfarrer Liss, der bereits in jungen Jahren durch ein ausgeprägtes Führungstalent und politisches Geschick auffiel, erwies sich an der Ruhr schnell als eifriger Seelsorger und exzellenter Organisator. Die eigentliche priesterliche und seelsorgerische Tätigkeit erforderte aufgrund der an der Ruhr verstreuten und stark wachsenden Siedlungen mit polnischen Erwerbsmigranten ein hohes Engagement und Mobilität. Liss zelebrierte die sonntäglichen Messen abwechselnd in Dortmund, Bochum, Gelsenkirchen und jeweils einer anderen Ortschaft an jedem vierten Sonntag im Monat.  Während der Woche besuchte er die Pfarreien mit polnischer Bevölkerung, wirkte seelsorgerisch, nahm die Beichte ab und pflegte den Kontakt zu den polnischsprachigen Katholiken und einzelnen Gemeindepfarrern. Überdies bemühte er sich um den zeitweiligen Aufenthalt polnischer Priester oder Ordensleute in Westfalen, um den hohen Anforderungen, insbesondere an kirchlichen Hochfesten, gerecht und über die Diözesangrenzen hinweg tätig zu werden. Sich der Seelsorgeproblematik bewusst, schuf er schon kurz nach seiner Ankunft an der Ruhr den St. Josephat-Fonds, der sich aus Spenden finanzierte und die Ausbildung von Theologiestudenten aus den Reihen der Ruhrpolen in der Hoffnung unterstützte, diese würden nach ihrer Priesterweihe an Rhein und Ruhr als Seelsorger tätig werden, was sich aufgrund der ablehnenden Haltung der Paderborner Diözese als Trugschluss erweisen sollte – ruhrpolnische Priester wurden grundsätzlich nicht in Pfarreien im rheinisch-westfälischen Industriegebiet entsandt.

Von Beginn an förderte Liss die schon von Pfarrer Szotowski vorangetriebenen Vereinsgründungen energisch und suchte aufgrund seiner eingeschränkten Möglichkeiten als einziger Polenseelsorger in Westfalen nach Wegen, die Vereine inhaltlich nach seinen Vorstellungen – religiös und national zugleich – auszurichten und ihre Tätigkeit auf organisatorischer Ebene zu unterstützen. Hauptsächlich zu diesem Zwecke gründete er den „Wiarus Polski“ (Der polnische Kämpe), der seit Januar 1891 regulär dreimal wöchentlich erschien und zügig eine Auflage von 2.000 Exemplaren erreichte. Die Zeitung orientierte sich sprachlich und inhaltlich an ihrer Zielgruppe – der polnischen Arbeiterschaft an der Ruhr. Die Sprache war klar, bisweilen volkstümlich, die Artikel waren einfach strukturiert. Der Ton war didaktisch-moralisierend und apodiktisch. Neben Nachrichten aus Westfalen und den Heimatregionen der Ruhrpolen wurden Artikel zur Geschichte, Kultur und Literatur Polens veröffentlicht. Zudem fanden Anweisungen im Streikfalle, rechtliche Ratschläge, Leserbriefe und Anzeigen Eingang in die einzelnen Ausgaben des Blattes. Insbesondere diente es aber auch als Organisationsblatt für die wachsende Zahl der polnisch-katholischen Vereine: Es wurden Anleitungen zu Vereinsgründungen, Vorlagen für Vereinssatzungen, Vereinsberichte, Bekanntmachungen und Reportagen von Vereinsfeierlichkeiten abgedruckt. Nicht zuletzt nutzte Pfarrer Liss seine Stellung als Chefredakteur auch, um für die Aufrechterhaltung der polnischen Sprache und die Erweckung des nationalen Bewusstseins zu werben sowie Assimilations- und sozialistische Tendenzen zu bekämpfen. Religiöse Inhalte wurden seit dem 1. Oktober 1891 im „Posłaniec Katolicki” (Der katholische Bote) abgedruckt, der als Bestandteil des „Wiarus Polski“ unter dem Titel „Nauka Katolicka“ (Die katholische Lehre) veröffentlicht wurde. Der Leitspruch von Liss und seinen Zeitungen lautete: „Bete und arbeite, spare und lerne.“ („Módl się i pracuj, oszczędzaj i ucz się.”). Im Februar 1892 entschieden die Vorsitzenden der polnisch-katholischen Vereine in Westfalen, den „Wiarus Polski“ de facto als Vereinsorgan verpflichtend zu abonnieren.

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    Friedhof in Rumian, auf dem Franciszek Liss beigesetzt wurde.
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