Franciszek Liss 

Franciszek Liss 
Franciszek Liss 

Sein Hauptaugenmerk galt von nun an der Seelsorge und dem Kampf für die nationalen Rechte der polnischen Bevölkerung in Westpreußen und darüber hinaus. Bereits seit 1894 war er Redakteur der „Familia Chrześcijańska” (Die christliche Familie), die als Beilage in der „Gazeta Toruńska“ (Thorner Zeitung) erschien. Ein Jahr darauf wurde Liss Administrator in der Pfarrgemeinde Rumian im Löbauer Land (Ziemia Lubawska) im äußersten Osten Westpreußens an der Grenze zu den Masuren. Im Jahr 1897 wurde er dann Gemeindepfarrer in Rumian. Neben seiner priesterlichen und seelsorgerischen Tätigkeit agitierte er auf dem Gebiet seiner Pfarrgemeinde für die nationale polnische Sache. Er organsierte Lesekreise, hielt Vorträge zur Geschichte und Kultur Polens und nahm Einfluss auf die außerschulische Bildung der Jugend im nationalen Sinne. Überdies griff er auf seine bereits zu Bochumer Zeiten geknüpften Kontakte zum Kreis nationaler polnischer Aktivisten um die „Gazeta Olsztyńska” (Allensteiner Zeitung) im Ermland zurück und setzte sich für die nationalen Rechte der Polen in ganz Preußen ein. Als Mitglied der regionalen Wahlkomitees bereiste er das Löbauer Land und die nahegelegenen Regionen Ermland und Masuren, hielt Vorträge und versuchte, ein polnisches Nationalbewusstsein unter der dortigen Grenzlandbevölkerung zu wecken. Er kandidierte im Wahlkreis Neidenburg-Osterode (Nidzica-Ostróda), Provinz Ostpreußen, für das Amt eines Reichstagsabgeordneten für die polnische Fraktion. Im Jahr 1907 initiierte er in Rumian und Umgebung einen zuvor in anderen polnischsprachigen Regionen Preußens bereits ausgebrochenen Schulstreik. Dafür wurde er zu einem Monat Haft verurteilt, die er in Danzig verbüßte. Dies hielt ihn allerdings nicht davon ab, sich weiter für die polnische Sache und die nationale Bildung der Bevölkerung in seiner Pfarrgemeinde einzusetzen. Zu Kriegsbeginn 1914 wurde er vorsorglich – als potenziell illoyaler Agitator – erneut inhaftiert, zuerst in Gilgenburg (Dąbrówno) und dann in Osterode (Ostróda), kam aber nach kurzer Zeit wieder frei.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Wiedererrichtung eines polnischen Staatswesens fiel das Löbauer Land und damit die Ortschaft Rumian auf Grundlage des Versailler Vertrages als Teil des sogenannten Polnischen Korridors an die Republik Polen. Franciszek Liss blieb – nunmehr als polnischer Staatsbürger – neben seiner Tätigkeit als Pfarrer und Seelsorger auch weiterhin sozial und politisch engagiert. Er unterstützte die Tätigkeit des Verbandes zum Schutz der Westgebiete (Związek Obrony Kresów Zachodnich), veröffentlichte unter anderem für die mit der Nationalen Demokratie (Narodowa Demokracja, „Endecja“) in Verbindung stehende Thorner Tageszeitung „Słowo Pomorskie“ Artikel und verfasste beißende Polemiken gegen die autoritär herrschende Sanacja-Regierung. In den 1920er Jahren begründete Liss die Pfarrgemeinden in Groß Koschlau (Koszelewy) und in Rybno, jeweils im Umland von Rumian gelegen, die auf die dort lebende masurische und in aller Regel evangelische Bevölkerung auch im Sinne einer polnischen nationalen Beeinflussung einwirken sollten.

Pfarrer Prälat Dr. Franciszek Liss verstarb plötzlich am 3. März 1933, als er gerade die heilige Kommunion im Rahmen eines Gottesdienstes in der Pfarrkirche in Rumian verteilte und aufgrund eines Herzstillstandes zusammenbrach. In der Pfarrgemeinde waren bereits umfangreiche Vorbereitungen zur Begehung des 50. Jubiläums seiner Priesterweihe im Gange, umso größer war die Trauer. Bis heute wird im Löbauer Land an Pfarrer Liss gedacht. Zu kirchlichen Hochfesten werden an seinem Grab, das sich unmittelbar an der Pfarrkirche in Rumian befindet, Blumen und Kränze niedergelegt, und auch im Zusammenhang mit Bildungs- und Kulturveranstaltungen wird an den unermüdlichen und hochverehrten Pfarrer und Seelsorger, den „Kämpfer für das Polentum“ und den „Verteidiger der polnischen Sprache“ im Löbauer Land, erinnert. Im Ruhrgebiet ist sein Name vor allem Historikern geläufig, die auf seine zentrale Rolle beim Aufbau der polnischen Organisationsstrukturen Ende des 19. Jahrhunderts verweisen.

 

David Skrabania, November 2018

 

 

Literatur:

Biografischer Artikel zu Liss Franciszek, in: Oracki, Tadeusz (Hg.): Słownik biograficzny Warmii, Mazur i Powiśla XIX i XX wieku (do roku 1945), Warszawa 1983, S. 193–194.

Nadolny, Anastazy: Duchowni jako przywódcy grupy etnicznej na przykładzie działalności ks. Franciszka Lissa w Zagłębiu Ruhry w latach 1890–1894, Studia Polonijne, Bd. 5, 1982, S. 127–143.

Matwiejczyk, Witold: Katolickie towarzystwa robotników polskich w Zagłębiu Ruhry 1871–1894, Lublin 1999 [insbesondere Kapitel IV].

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