Humor, der verbindet: Die Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin Monika Anna Wojtyllo

Monika Wojtyllo kam nicht zum Schauspiel, das Schauspiel kam zu ihr. Anders gesagt: Sie wurde 1977 als erstes und letztes Kind in eine Wrocławer Theaterfamilie hineingeboren. Ihre Mutter Aleksandra Kuźmińska arbeitete als Hausfrau und nebenbei als Schauspielerin, ihr aus Lwów (Lemberg) stammender Vater Ryszard Wojtyłło vollberuflich als Regisseur, Schauspieler und Autor. Seine Familie war 1944 im Rahmen der Zwangsumsiedlung von Lemberg nach Baborów vertrieben worden. Später zogen sie in einen Vorort von Wrocław. Schon mit vier Jahren stand Monika Wojtyllo selbst auf der Bühne. Die politisch aktiven Eltern präsentierten manche ihrer Theaterstücke als Kinderprogramm, um so systemkritische Inhalte an der Zensur vorbei zu inszenieren. Die kleine Monika verstand nicht genau, welchen Text sie da in ihrer Rolle aufsagte. Aber das Publikum lachte. Das fand sie gut. Sie erinnert sich auch daran, dass sie die Zuschauer:innen durch ein Loch im Vorhang beobachtet hat. Wie sie reinkamen und ihre Plätze einnahmen. Teils unsicher, teils still, aber vor allem als Fremde untereinander. „Nach der Vorstellung waren sie gelöst“, sagt Monika Wojtyllo. „Sie hatten gelacht, sie hatten geweint, sie hatten sich gesehen und verstanden gefühlt. Und sie waren sich nicht mehr fremd.“ Bis heute sieht Monika Wojtyllo darin einen Motor für ihre Arbeit: Den Menschen die Einsamkeit nehmen, sie daran erinnern, dass sie eine Gemeinschaft sein können. „Wir wissen alle nicht, woher wir kommen“, sagt die Künstlerin. „Wir werden von irgendwoher geboren und sterben irgendwo hin. In der kurzen Zeit, in der wir hier sind, sollten wir zusammenhalten, anstatt uns von Macht und Maßlosigkeit blenden zu lassen.“
Monika Wojtyllo war noch keine sechs Jahre alt, als ihre Eltern von der Staatssicherheit „freundlich“ gefragt wurden, ob sie denn nicht ins Ausland verreisen wollen würden. Die kleine Familie bekam Pässe und einen Monat Zeit, um das Land zu verlassen – unter der Auflage, niemand davon zu erzählen. So packten die Wojtyllos in der Nacht ihren 23PS-Fiat, ihren Maluch, mit allem, was reinpasste. Und drauf. Denn die Ladung auf dem Dach war in Monikas Erinnerung genauso hoch wie das Auto selbst. Sie erinnert sich auch daran, dass der Wagen schließlich so randvoll gepackt war, dass sie ihren zweiten Gummistiefel dalassen musste. Niemand wusste von der Flucht. Auch nicht die Nachbarn. Der Einzige, der geahnt haben musste, was los war, war der Bruder der Mutter. Dem hatten die Wojytllos nämlich ihre 50 Quadratmeter Eigentumswohnung in einem typischen Plattenbau des sozialistischen Polen überschrieben, damit der Staat sie sich nicht unter den Nagel reißt.
Um die polnische Grenze zu passieren, brauchten die Wojtyllos entsprechende Papiere. Dazu gehörte eine schriftliche Einladung von Monikas Patenonkel Manfred Paul, einem Lehrer aus Hamburg, den ihre Eltern im Urlaub kennengelernt hatten. Vermutlich hat auch jemand in der Regierung nachgeholfen, dass die notwendigen Dokumente für eine Ausreise ausgestellt wurden. Die genauen Hintergründe sind Monika Wojtyllo bis heute unklar. Aber sie erinnert sich nach eigener Aussage an „erschreckend“ viele Details der Flucht selbst. So weiß sie noch, dass sie ein rotes Wollsäckchen um den Hals trug, in dem sich englische Pfund, ein geerbter Ring, ihr erster Zahn und Ähnliches befanden. Nichts, was man auf einen kurzen Besuch mitnimmt. Die Eltern hatten Monika erklärt, dass sie am ostdeutschen Grenzübergang nicht gefilzt werden durfte. Sie sollte verschlafen und süß wirken. Dabei sollte sie ihren Plüschhund Belfik fest umklammert halten und ein bisschen quengeln, wenn die Grenzbeamten ihr den wegnehmen wollten. „Wahrscheinlich die Rolle meines Lebens“, sagt Monika Wojtyllo. Das Säckchen samt Inhalt besitzt die Familie noch heute.