Jesekiel Kirszenbaum – Ausstellung in Solingen

Beim Studium des Maimonides, Berlin 1925. Tusche auf Papier, 50 x 32 cm, Privatbesitz
Beim Studium des Maimonides, Berlin 1925. Tusche auf Papier, 50 x 32 cm, Privatbesitz

1948/49 reiste Kirszenbaum nach Brasilien um den Erinnerungen, der traurigen Stimmung und den Zerstörungen in Europa zu entfliehen. Er fand nicht nur freundliche Aufnahme, sondern eine tropische Welt, die ihn zu Gemälden von Land und Leuten in reinen Farbflächen, noch in der Art der Fauves, aber auch von indigener Malerei beeinflusst, bis hin zu visionären Farbexperimenten inspirierten (Abb. 28, 29). Sogar Ausstellungen absolvierte er in dieser Zeit: 1948 in der Galeria Domus, der führenden Kunstgalerie in São Paulo, und noch im selben Jahr im Instituto de Arquitetos do Brasil in Rio de Janeiro. Nach seiner Rückkehr nach Paris, das ihm zur eigentlichen Heimat geworden war, wurde er 1949 französischer Staatsbürger. Reisen nach Marokko im Jahr 1950 und nach Italien schlossen sich an und erweiterten sein malerisches Interesse auf die Natur, vor allem auf exotische Früchte und Pflanzen. Sein Früchtestillleben von 1952 weckt motivische Reminiszenzen an Paul Cézanne, nähert sich in seinem gemäßigten Kubismus aber Pablo Picasso (Abb. 28).

In den Jahren 1951 bis 1953 schwer an Krebs erkrankt, starb Kirszenbaum 1954 in Paris. Die erste Retrospektive in Deutschland seit knapp neunzig Jahren im Zentrum für verfolgte Künste in Solingen eröffnet den Blick auf ein für Fachleute und Kunstinteressierte völlig neues Werk, das zahlreiche Aspekte der Moderne in sich vereinigt und einen bislang unbeachteten Schüler des Bauhauses ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Weitere Ausstellungen mit einem größeren Kreis an Leihgebern und eine intensivere wissenschaftliche Bearbeitung sind mit Spannung zu erwarten.

 

Axel Feuß, April 2019

 

Für Hilfestellung und Informationen danken wir dem Zentrum für verfolgte Künste (Solingen), Herrn Nathan Diament (Tel Aviv) und Frau Anna Taube (Goethe-Institut, Tel Aviv).

Literatur:

J.D. Kirszenbaum (1900-1954). The Lost Generation, herausgegeben von Nathan Diament und Caroline Goldberg Igra, Paris 2012

Johanna Linsler: Jesekiel David Kirszenbaum, entre aspiration révolutionnaire et mémoire du shtetl/Jesekiel David Kirszenbaum, zwischen revolutionärem Streben und Erinnerungen an das Schtetl, in: Anne Grynberg/Johanna Linsler (Herausgeberinnen): L’Irréparable. Itinéraires d’artistes et d’amateurs d’art juifs, réfugiés du „Troisième Reich“ en France/Irreparabel. Lebenswege jüdischer Künstlerinnen, Künstler und Kunstkenner auf der Flucht aus dem „Dritten Reich“ in Frankreich, Magdeburg 2013, Seite 265/290-313

J.D. Kirszenbaum (1900-1954). Retrospektiva/Retrospective, Ausstellungs-Katalog Muzej Mimara/The Mimara Museum, Zagreb 2018

Mediathek
  • Abb. 1: Kunsthalle Solingen

    Kunsthalle Solingen mit dem Zentrum für verfolgte Künste
  • Abb. 2: Nathan Diament

    Der Nachlass-Verwalter, Nathan Diament, während der Eröffnung
  • Abb. 3: Karikaturen und Dokumente

    Reproduktionen von Karikaturen und originale Dokumente aus Kirszenbaums Lebenszeit
  • Abb. 4: Der sportliche Hausfreund, 1927

    Sammelband der Zeitschrift Ulk mit der Karikatur von Kirszenbaum
  • Abb. 5: Drei Karikaturen, 1926

    Sammelband der Zeitschrift Ulk mit drei Karikaturen von Kirszenbaum
  • Abb. 6: Autobiografie

    Autobiografie von J.D. Kirszenbaum in der Solinger Ausstellung
  • Abb. 7: Fotografien

    Historische Fotografien von J.D. Kirszenbaum und seiner Familie
  • Abb. 8: Briefe, 1940

    Briefe von J.D. Kirszenbaum und seiner Frau Helma, 1940
  • Abb. 9: Dokumente, 1945/46

    Briefe und Ausstellungs-Einladungen, Paris und Brüssel, 1945/46
  • Abb. 10: Gemälde, 1930-40

    „Porträt Dr. Freud“, „Mann mit Zigarette“, „Kirche“
  • Abb. 11: Die Ankunft des Messias, 1939

    Die Ankunft des Messias im Dorf, 1939, Öl auf Leinwand
  • Abb. 12: Kunst im Untergrund

    Während der Lagerhaft und im Untergrund entstandene Gemälde, 1941/42
  • Abb. 13: Der Messias und die Engel, 1942

    Der Messias und die Engel erreichen das Dorf, 1942, Öl auf Leinwand
  • Abb. 14: Wasserträger, 1942

    Wasserträger, Staszów, 1942, Öl auf Leinwand
  • Abb. 15: Drei Porträts, 1945-50

    Porträt von Kirszenbaums Frau Helma, 1945; Selbstporträt, 1947; Porträt Kirszenbaum von Alix de Rothschild, 1950
  • Abb. 16: Kunst nach der Shoa

    Flucht einer Mutter, 1945; Die Liebenden, um 1949; In unserer Welt gibt es keinen Platz für Juden, 1947; Engel, eine verlorene Seele des Stetls tragend, 1946
  • Abb. 17: Kein Platz für die Juden, 1947

    In unserer Welt gibt es keinen Platz für die Juden, 1947, Öl auf Leinwand
  • Abb. 18: Der blinde Geiger, 1945

    Der blinde Geiger, 1945, Öl auf Leinwand
  • Abb. 19: Volkstypen aus Staszów, um 1945

    Sitzender Hausierer; Jüdischer Mann mit Tallit, beide um 1945, Öl auf Leinwand
  • Abb. 20: Trompeter, 1946

    Der Trompeter, 1946, Öl auf Leinwand
  • Abb. 21: Porträt Robert Giraud, 1946

    Porträt Robert Giraud, 1946, Öl auf Leinwand
  • Abb. 22: Denker, Heiliger 1945/47

    Der Denker, 1945; Heiliger, 1947, Öl
  • Abb. 23: Jüdische Denker, 1945/46

    Apostel, 1946; Der Denker, um 1945; Mann mit Stock, 1946; Vater des Künstlers, 1945
  • Abb. 24: Staszów in religiöser Thematik

    Gemälde mit religiösen Themen, die in Staszów spielen
  • Abb. 25: Landschaften

    Landschaften und Blumenstillleben, 1940-47
  • Abb. 26: Wege zur Abstraktion

    Abstrakte und abstrakt-gegenständliche Bilder, 1949-54
  • Abb. 27: Fisch, um 1948

    Fisch mit abstraktem Hintergrund, um 1948, Aquarell
  • Abb. 28: Exotische Motive

    Stillleben mit Banane, 1952; Brasilianerin mit Kind, undatiert
  • Abb. 29: Brasilianische Masken, um 1949

    Brasilianische Masken, um 1949, Gouache