Marek Żebrowski: Mein deutsches Abenteuer
Meine Deutschlandreisen in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren ermöglichten es mir, das gesamte Klavierrepertoire auszuprobieren, das ich mir während meines jahrelangen Studiums in Polen, Frankreich und den USA angeeignet hatte. Irgendwann beschloss ich, zu den „Miroirs“ von Ravel zurückzukehren, einem Set aus fünf Klavierstücken, die ich etwa 15 Jahre zuvor bei meinem Bachelorkonzert an der New England Conservatory of Music in Boston gespielt hatte. Da die „Miroirs“ vom deutschen Publikum (und auch von der örtlichen Presse) sehr positiv aufgenommen wurden, entschied ich mich, dieses relativ selten dargebotene Set aufzunehmen und es mit Fragmenten von Prokofjews Suite „Romeo und Julia“ zu kombinieren. Nachdem diese Entscheidung gefallen war, fand Joachim ganz schnell die Festeburgkirche bei Frankfurt, ein modernes Kirchengebäude mit wunderbarer Akustik und einem prachtvollen Konzertflügel von Steinway. Joachim traf alle nötigen Vorbereitungen und engagierte den erfahrenen, hervorragenden Tontechniker Wilfried Zahn. Der Sound auf diesem Album, das 1992 von Apollo Records in Deutschland herausgegeben wurde, war so ausgezeichnet, dass die Analogue Audio Association bald um eine Lizenz ersuchte, um die Aufnahme als hochwertige LP zu veröffentlichen, was auch im Jahr darauf in Deutschland geschah.
Mein nächstes Aufnahmeprojekt, das ebenfalls von Joachim Kramer betreut und von Wilfried Zahn arrangiert wurde, erwies sich als sehr abenteuerlich. Diesmal fand Joachim in Leipzig eine bezaubernde Kirche aus dem späten 19. Jahrhundert, die Paul-Gerhardt-Kirche, die zwar ein wunderbares Tonnengewölbe und eine tolle Akustik hatte, aber – kein Klavier! Nach unzähligen Anfragen und schwierigen Verhandlungen konnten wir für das Projekt letztendlich einen hervorragenden Steinway-Konzertflügel vom legendären Kreuzchor in Dresden ausleihen. Es war August 1994. Leipzig, Dresden und der Rest der früheren DDR waren erst seit wenigen Jahren wieder mit der Bundesrepublik vereint. Die Fahrt von Sindersfeld in den Osten mit Joachim war ebenso aufregend wie anstrengend. Sobald wir die ehemalige innerdeutsche Grenze überschritten hatten, wurden die Straßen holprig, die Straßenbeschilderung war kaum vorhanden (und wenn, dann oft irreführend) und der Zustand der gesamten Infrastruktur zeugte von jahrelanger Vernachlässigung. Wir entschieden uns für eine hübsche Pension am Stadtrand von Leipzig und ersparten uns damit den Lärm der unzähligen, über das gesamte Stadtzentrum verteilten Baustellen. Viele scheinbar verlassene Häuser wurden gerade entweder abgerissen oder kernsaniert. Man konnte sehen, wie die Stadt der stolzen musikalischen Tradition langsam zu altem Glanz zurückfand – und doch wurde einem gleichzeitig klar, wie viel noch zu tun blieb. Das Album, das ich in der Leipziger Paul-Gerhardt-Kirche aufnahm, erneut mit Wilfried Zahn als Tontechniker, enthielt die „Sinfonischen Etüden“ Op. 13 und die „Waldszenen“ Op. 82 von Robert Schumann. Diesmal blieb die Aufnahme jedoch, aufgrund diverser Komplikationen und eines Leitungswechsels bei den Apollo Records, ganze 30 Jahre unveröffentlicht liegen – bis der Verband Polnischer Kammermusiker (Stowarzyszenie Polskich Muzyków Kameralnych) und sein energischer, tüchtiger Vorstand Grzegorz Mania beschlossen, das längst vergessene Projekt 2024 wieder zum Leben zu erwecken und es beim eigenen Label zu veröffentlichen.
Obwohl ich meine Deutschlandtourneen aufgrund meines Umzugs nach Los Angeles und neuer beruflicher Verpflichtungen Mitte der 1990er Jahre aufgeben musste, blieben meine engen Verbindungen zu Deutschland nicht nur bestehen, sie erreichten eine ganz neue Ebene und weiteten sich sogar auf Bereiche aus, die nichts mit der Musik zu tun hatten.