Obdachlose Pol:innen in Deutschland. Geschichten, die gehört werden müssen!

Die Podcast-Reihe „Bezdomni Polacy w Niemczech (Obdachlose Pol:innen in Deutschland)“ / Adam Gusowski, Monika Sędzierska
Die Podcast-Reihe „Obdachlose Pol:innen in Deutschland“ / Adam Gusowski, Monika Sędzierska

3. Hilfe, die Leben rettet
 

Die letzte Folge ist den Menschen gewidmet, die täglich für die Bedürftigen da sind – Streetworker:innen, Ärzt:innen und Sozialarbeiter:innen. Dabei wird deutlich, wie ihr Einsatz das Leben der Obdachlosen zu verändern vermag, wenn auch nur für einen Moment. 

„Unsere Patienten haben gar nichts, wenn sie zu uns kommen. Keine Dokumente, keine Freunde, keine Versicherung“, sagt Barbara Paśnicki, Leiterin des Projekts „Krankenwohnung“ in Berlin. An diesem besonderen Ort erhalten obdachlose Menschen, darunter auch Pol:innen, medizinische Fürsorge und eine Chance darauf, wenigstens für eine kurze Zeit wieder in menschenwürdigen Bedingungen zu leben. Doch in ganz Berlin gibt es nur 20 solcher Orte, die Zahl der Bedürftigen geht in die Tausende. 

Das deutsche Hilfsnetzwerk für obdachlose Menschen ist sehr gut entwickelt. Von Streetworker:innen über Sozialarbeiter:innen bis hin zu spezialisierten Einrichtungen wie die „Krankenwohnung“ bietet es Unterstützung auf vielen verschiedenen Ebenen. Doch das Ausmaß des Problems übersteigt das Angebot bei weitem. „Wir bekommen jeden Tag bis zu zehn Anträge auf einen Platz in unserer Einrichtung, doch wir haben nur 20 Plätze zu vergeben“, erklärt Paśnicki. „Im Winter ist es besonders schwer, denn dann wenden sich viele Amputationspatienten oder Menschen mit Erfrierungen an uns. Wir können sie nicht einfach zurück auf die Straße schicken.“ Die „Krankenwohnung“ ist zudem ein Ort, an dem Palliativpatient:innen ihre letzten Tage in Würde verbringen können. „Wir können nicht zulassen, dass Menschen auf der Straße dahinsterben“, sagt Paśnicki.

Die Arbeit der Streetworker:innen besteht darin, jeden Tag „Hausbesuche“ bei obdachlosen Menschen zu machen – unter Brücken, an Bahnhöfen, in Parks. Zuza Mączyńska von der Berliner Organisation „Gangway“ ist seit acht Jahren an solchen Orten unterwegs und bietet den Menschen dort Hilfe und Unterstützung an. „Manchmal wollen sie einfach nur reden. Manchmal helfen wir ihnen, Dokumente zu besorgen, manchmal begleiten wir sie ins Krankenhaus oder zur Botschaft“, berichtet sie. Doch nicht alle wollen reden. „Unsere Aufgabe ist es, die Menschen respektvoll zu behandeln, nicht, sie zu irgendwas zu zwingen. Wir kommen zu ihnen nach Hause, auch wenn dieses Zuhause die Straße ist“, erklärt Mączyńska.

In der Berliner Caritas-Ambulanz behandelt Dr. Inka Wisławska schon seit Jahren ehrenamtlich obdachlose Patient:innen. „Die Menschen kommen zu uns mit Verletzungen, Infektionen und Krankheiten, die unmittelbar auf das Leben auf der Straße zurückzuführen sind. Wir versorgen und nähen ihre Wunden und beraten sie bei allgemeinmedizinischen Themen wie Diabetes oder Bluthochdruck“, berichtet Wisławska. Etwa 40 % ihrer Patient:innen kommen aus Polen. „Die meisten sind Männer, die vom Leben auf den Straßen Berlins schon vollkommen ausgezehrt sind“, fügt sie hinzu.

Sylwia Jasion aus Hannover unterstützt seit Jahren Obdachlose: Sie organisiert Weihnachtsgeschenke, koordiniert Spendensammlungen und hilft den Betroffenen, Dokumente zu erhalten. „Wenn die deutsche Polonia nicht so engagiert wäre, hätten wir das alles nicht geschafft. Zusammen können wir wirklich viel erreichen“, sagt Jasion.

Pfarrer Janusz Kuskowski, ein Berliner Salesianer, ist Stammgast am Ostbahnhof. „Für die Obdachlosen ist es oft ein Schock, wenn ein Pfarrer ihnen einen Kaffee oder ein belegtes Brot reicht. Aber genau das schafft Vertrauen, das sie so dringend brauchen“, sagt der Geistliche.

Docht trotz aller Bemühungen sind Erfolgsgeschichten rar gesät. „In den acht Jahren meiner Arbeit habe ich vielleicht fünf Patienten gehabt, die es von der Straße weggeschafft haben“, gibt Dr. Wisławska zu. Aber: Jede dieser Geschichten ist ein Beweis, dass es möglich ist.

Dr. Tomasz Skajster, ein Berliner Neurochirurg, weist auf einen Aspekt des Problems hin, der allzu oft übersehen wird: psychische Störungen. „Obdachlosigkeit ist ein Symptom für unbehandelte Persönlichkeitsstörungen, die oft durch Alkoholmissbrauch und andere Suchterkrankungen verschleiert werden“, erklärt er. Er betont zudem, dass die Betroffenen oft nicht in der Lage sind, im sozialen, familiären oder beruflichen Umfeld zu funktionieren. In Deutschland steht solchen Personen zwar medizinische Fürsorge und Unterstützung zu, doch das System ist nun mal nicht perfekt. Dr. Skajsters Anmerkungen werfen ein neues Licht auf das Problem der Obdachlosigkeit und weisen auf die Notwendigkeit der fachärztlichen psychologischen sowie psychiatrischen Betreuung für obdachlose Menschen hin. Dr. Skajster betont, dass es hierfür systemischer Lösungen bedarf. „Ich habe die Angelegenheiten der polnischen Obdachlosen der polnischen Expertenkommission für die Bekämpfung der Obdachlosigkeit vorgetragen. Änderungen auf institutioneller Ebene sind zwingend notwendig, um diesen Menschen effektiv helfen zu können“, sagt er.

Die Obdachlosigkeit ist ein Problem, dessen Lösung nicht nur individuellen Einsatzes, sondern auch systemischer Unterstützung bedarf. Der Podcast „Obdachlose Pol:innen in Deutschland“ beweist, dass es möglich ist, Betroffenen zu helfen. Doch der Weg zurück, weg von der Straße, ist oft lang und beschwerlich.

 

Monika Sędzierska, Februar 2025

 

Der Podcast wird von Monika Sędzierska und Adam Gusowski, Journalist:innen der öffentlichen Rundfunkanstalt RBB/WDR COSMO produziert.

Alle Podcasts aus der Reihe „COSMO po polsku“ finden Sie auf COSMOPOPOLSKU.DE sowie bei Streamingdiensten, u.a. Spotify (123), ARD Audiothek (123) und Apple Podcasts (123). 

Die Radiosendung „COSMO po polsku“ wird von Montag bis Freitag um 22 Uhr im Radio COSMO (WDR, RBB, Radio Bremen) ausgestrahlt.

Kontakt: cosmopopolsku@rbb-online.de 

Mediathek
  • Obdachloser mit Becher

    Berlin, 2024
  • Zeltlager von Obdachlosen unter einer Brücke

    Berlin, 2024
  • Zeltlager von Obdachlosen auf der Straße

    Berlin, 2024
  • Dr. Tomasz Skajster

    Vivantes Klinikum Berlin, 2024
  • Patient:innen der „Krankenwohnung“ der Caritas

    Berlin, 2024
  • Zuzanna Mączyńska, Streetworkerin von „Gangway“, und Monika Sędzierska

    Berlin, 2024