Radio Flora aus Hannover – auf Polnisch
Das Bürgerradio Flora
Um auf die euphorische Aufbruchstimmung unserer Anfangszeit beim Rundfunk zurückzublicken, begeben wir uns die 1990er Jahre. Damals war die polnische Sprache in Hannover kaum präsent. Nicht etwa, weil hier keine Pol:innen lebten – im Gegenteil, die polnische Community bildete bereits eine der größten Migrantengruppen. Aus den verschiedensten Gründen zogen es unsere Landsleute jedoch vor, in der Öffentlichkeit keine Aufmerksamkeit zu erregen. Wenn also schon Polnisch gesprochen wurde, dann nur flüsternd. Kein Wunder, dass die Entstehung der polnischen Redaktion beim Radio Flora im Februar 1998 in der Community auf reges Interesse stieß.
Unser Stammsender hatte seine Existenz einer Änderung im Niedersächsischen Rundfunkgesetz zu verdanken. Neben öffentlich-rechtlichen und privaten Medien wurde darin nun auch eine dritte Sparte zugelassen: Bürgerradio und -fernsehen. Der Gründung von Radio Flora gingen monatelange Bestrebungen des linksorientierten Freundeskreises Lokal-Radio e. V. voraus, aus dessen Anfangsbuchstaben sich übrigens der botanisch anmutende Name des Senders zusammensetzt. Aus mehreren Projekten wurde gerade das Konzept dieser Initiative von der Niedersächsischen Landesmedienanstalt ausgewählt, die die Kosten der technischen Einrichtung des Bürgerradios übernahm. Sein nicht-kommerzielles Programm sollte ehrenamtlich von Anhänger:innen der Idee der Bürgermedien gestaltet werden.
Gemäß seiner Satzung strebte das Radio Flora an, Gruppen und Initiativen eine Stimme zu geben, die bisher nicht hinreichend in der Medienlandschaft vertreten waren, und ihnen durch die Vermittlung von Medienkompetenz die Beteiligung an der öffentlichen Debatte, gesellschaftliche Teilhabe sowie soziale Emanzipation zu ermöglichen. Zudem sollte diese Stimme das Angebot der öffentlich-rechtlichen und der privaten Rundfunkanstalten publizistisch ergänzen. Auch Migrantencommunitys wurden eingeladen, an dem Bürgerradio mitzuwirken.
Für diejenigen, die bleiben, und diejenigen, die wieder gehen …
Die Erste, die diese Einladung wahrnahm, war Grażyna Kamień-Söffker. Im Sommer 1997 kam sie durch eine Anzeige in einer Lokalzeitung zum Sender. Bald darauf gesellte sich Dorota Szymańska zu ihr. An der Gründungsversammlung der polnischen Redaktion, die nach der Endabnahme der ersten Sendung am 15. Februar 1998 stattfand, nahmen außer den beiden oben Genannten die folgenden Personen teil: Zbigniew Kaczmarek, Marzena Kubiszyn, Tatiana Mikołajczak, Adriana Moskal, Jacek Woźniak sowie der Schriftsteller und Dichter Dariusz Muszer (dem das Polenmagazin den Titel „Polenflug“ zu verdanken hat) und die Filmexpertin Grażyna Słomka. Nur die beiden Letztgenannten hatten zu dem Zeitpunkt bereits Medienerfahrung.
Über die Jahre hinweg gelang es, mehrere Dutzend Personen über kurz oder lang für die ehrenamtliche Arbeit beim Bürgerradio zu begeistern. Das Handwerk lernten wir durch Ausprobieren, unter den wachsamen Augen von Kolleg:innen aus befreundeten Redaktionen des Radio Flora. Erklärtes Ziel der Sendung „Polenflug“, die einmal pro Woche ausgestrahlt wurde, war das 3-I-Prinzip: Information, Integration, Identitätsstiftung. Nebst Berichten zu aktuellen Ereignissen aus dem Leben der 20.000 Hannoveraner Pol:innen wurden wiederkehrende Sendungen wie „Nasze losy“ (Unsere Geschicke/Schicksale), „Polonia gospodarcza“ (Wirtschaft & Polonia), „O kobietach dla kobiet, ale nie tylko“ (Über Frauen für Frauen und andere), „Alfabet artystów plastyków“ (ABC der bildenden Künstler), „Magazyn bardzo kulturalny“ (Das Hochkulturmagazin), „Salonik Literacki“ (Der kleine Literatursalon) sowie Interviews mit prominenten polnischen Persönlichkeiten aus den Bereichen Kultur, Politik und Sport ausgestrahlt. Ein wichtiges Thema waren zudem die deutsch-polnischen Beziehungen im weitesten Sinne sowie das Aufeinandertreffen und Ineinandergreifen verschiedener Kulturen als individuelle Erfahrung und soziales Phänomen.
Diese Themenvielfalt, die nicht immer in eine einzelne Sendung passte, veranlasste die Macher:innen von „Polenflug“, weitere Sendungen zu konzipieren: „Kowalski trifft Schmidt in Niedersachsen“ (Teresa Czaniecka-Kufer und Grażyna Kamień-Söffker), „Vergiss nicht die Musikgärten“ (Grażyna Słomka und Kama Kowalska), „Fenster zur Welt“ (Agnieszka Foit) sowie „Floretta“ (mit Unterstützung von Dorota Szymańska).