Sabina Kaluza. Kunst und „Postmemory“
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Video 1/3: maske (2005)
Video 2/3: reduktion (2005)
Video 3/3: gegen die zeit (2005)
Dokumentarfilm „PIERWSZY DZIEŃ“ [DER ERSTE TAG] (2014)
Dokumentarfilm „DER ERSTE TAG“ (2014)
„Atelier digital #16“ zu Gast bei der Künstlerin Sabina Kaluza
Das sagt die Künstlerin zu ihrem Werdegang:
EINLEITUNG – KÜNSTLERISCHE UND PERSÖNLICHE IDENTITÄT
„Meine Lebensgeschichte fängt dort an, wo zwei Kulturen, zwei Sprachen und zwei Identitäten aufeinandertreffen. Geboren wurde ich 1967 im oberschlesischen Bytom, in eine Familie, in der deutsche und polnische Schicksale eng miteinander verwoben waren – meine Mutter war Deutsche, mein Vater war Pole und zu unseren Vorfahren gehörten sowohl ein Wehrmachtssoldat, als auch ein polnischer Widerstandskämpfer.
Diese komplizierte Vergangenheit hat meine Sensibilität und meine Weltanschauung maßgeblich geprägt. Ich bin im kommunistischen Polen aufgewachsen und habe am eigenen Leibe erfahren, was Kontrolle, Mangel und Kriegsrecht bedeuten. Dadurch wurde mir noch bewusster, wie sehr die Geschichte unsere Identität beeinflusst. Auf der Suche nach Freiheit und einem eigenen Weg beschlossen mein Ehemann und ich 1987 nach Westdeutschland zu flüchten.“
DER KREIS SCHLIESST SICH – FRIEDLAND ALS SYMBOL„Unsere erste Station in Deutschland war das Durchgangslager Friedland. Nach seiner Rückkehr aus einem amerikanischen Kriegsgefangenenlager im Jahre 1946 hatte sich mein deutscher Großvater als ehemaliger Kriegsgefangener ebenfalls dort registrieren müssen. 41 Jahre später stand ich ganz freiwillig am selben Ort, als hätte sich der Kreis der Geschichte geschlossen. Seit 2016 wird unsere Flucht in der Dauerausstellung des Museums Friedland thematisiert.“
AUSBILDUNG UND KÜNSTLERISCHE ENTWICKLUNG„Dank eines Stipendiums der Otto Benecke Stiftung e.V. konnte ich mich in meiner neuen Heimat weiterbilden. Nach einigen Jahren Babypause durfte ich an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig studieren und hatte anschließend die Ehre, mein Können in der Freien Kunst in der Meisterklasse bei Prof. John Armleder zu perfektionieren. Bereits während meines Studiums habe ich begonnen, meine eigene künstlerische Formsprache zu entwickeln und tue es als Konzeptkünstlerin auch heute noch, wobei ich zu Installationen, Performances, Film und experimenteller Fotografie greife.“
ERINNERUNG UND GESCHICHTE IN MEINEN KUNSTWERKEN„In meinen Werken verbinde ich persönliche Erfahrungen mit Geschichte und kollektiver Erinnerung. Mein Film ‚DER ERSTE TAG‘ erzählt die Geschichte von Flucht aus Polen und Grenzüberschreitung in kommunistischen Zeiten. Die Installation ‚PATER NOSTER‘ ist eine künstlerische Interpretation des Vaterunser-Gebets, die ich in Israel ausgestellt habe. ‚SINE NOMINIBUS‘ ist eine Hommage an meinen Großvater und all jene, die spur- und namenlos verblichen sind und an die sich niemand mehr erinnert. Das Werk ist an der Stelle zweier verschollener Gemälde entstanden, die einst Teil des 1649 von Hermann Scheller im Ohrmuschelstil errichteten barocken Hochaltars der Kirche St. Petri in Braunschweig waren.“
SOZIALES UND KULTURELLES ENGAGEMENT„Neben meiner künstlerischen Tätigkeit engagiere ich mich seit Jahren im sozialen und kulturellen Bereich. Ich habe bereits eine Reihe von Funktionen ausgeübt, u. a. als Vorsitzende des BBK Braunschweig, als Jurymitglied beim Niedersächsischen Integrationspreis und als Präsidentin des KreativRegion e.V.“
KUNST IN KRISENZEITEN„Während der Covid-19-Pandemie, in einer Zeit, in der die Rolle von Künstler:innen besonders in Frage gestellt wurde, erhielt ich ein Stipendium im Mentoring-Programm der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel. Diese Unterstützung ermöglichte es mir, mein künstlerisches Schaffen nicht nur fortzusetzen, sondern auch zu vertiefen, indem ich mich mit dem Stellenwert der Kunst in Zeiten globaler Krisen auseinandersetzte.“
KRIEG UND ERINNERUNG„Angesichts des Kriegsausbruchs in der Ukraine erhielten meine Werke ‚JEDEM DAS SEINE, LEO!’ und ‚D-DAY HEERESGRUPPE MIT FRANZ’ viel Aufmerksamkeit und wurden Teil einer Gruppenausstellung, die sich tiefgründig mit den komplexen Beziehungen zwischen Erinnerung, Schuld und Aussöhnung auseinandersetzt. Die Ausstellung zeigt, wie die Kunst neue Perspektiven auf historische Ereignisse eröffnen kann. In diesem Rahmen wurden meine Werke u .a. in der Gedenkstätte Bergen-Belsen, der Gedenkstätte Buchenwald und in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin ausgestellt.“
RÜCKKEHR NACH FRIEDLAND – KÜNSTLERISCHE AUSEINANDERSETZUNG MIT DER VERGANGENHEIT„Viele Jahre später kehrte ich nach Friedland zurück, diesmal als Künstlerin, um mich in meiner Arbeit mit der Vergangenheit, der Generationengeschichte und meinen eigenen Lebenserfahrungen auseinanderzusetzen. 2026 wird meine autobiografische Installation ‚ZWISCHEN ZEITEN’ in die Dauerausstellung im Erweiterungsbau des Museums Friedland aufgenommen. Sie wirft die Frage auf, inwiefern die Vergangenheit unsere Gegenwart und unsere gemeinsame Zukunft beeinflusst.“
RAUM ZUM LEBEN UND SCHAFFEN„In Braunschweig finde ich den Raum zum Leben und Kreieren, der meiner Kunst Sinn verleiht.“
Seite der Künstlerin:
www.sabina-kaluza.de