Stanisław Mikołajczyk

Stanisław Mikołajczyk um 1930
Stanisław Mikołajczyk um 1930

Nachdem im April 1943 die vorrückenden deutschen Truppen im Wald von Katyń bei Smolensk die Massengräber erschossener polnischer Offiziere entdeckt hatten, wandte sich General Sikorski mit der Bitte um eine unabhängige Untersuchung an das Rote Kreuz in der Schweiz. Diese Bitte nahm Stalin zum Vorwand, um am 25. April 1943 die diplomatischen Beziehungen zur polnischen Exilregierung abzubrechen, die nun zunehmend isoliert wurde, weil sich die westlichen Alliierten bei der Klärung der Schuldfrage zurückhielten. Der Verbündete in Moskau war ihnen wichtiger als die Wünsche der Verbündeten in London.

Nach dem Tode von General Sikorski bei einem Flugzeugabsturz vor Gibraltar am 4. Juli 1943 wurde Mikołajczyk am 14. Juli 1943 sein Nachfolger im Amt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Stalin schon eine aus Kommunisten gebildete „Polnische Regierung“ berufen, die nach der Befreiung Polens durch die Rote Armee das Land auf seine künftige Rolle im Verbund mit der Sowjetunion vorbereiten sollte. Im Juli 1944 versuchten die Westmächte Gespräche zwischen Mikołajczyk und Stalin in Gang zu bringen, die darauf abzielten, eine Koalitionsregierung von Exilpolen und Kommunisten zu vereinbaren. Stalin stimmte einer Koalition unter kommunistischer Führung zu, wie er am 7. April 1944 Mikołajczyk bestätigte, der mit einer Delegation nach Moskau gereist war.

Am 24. November 1944 trat Mikołajczyk von seinem Amt zurück, weil er erkannt hatte, dass der militärische und politische Kampf der Exilpolen an der Seite der Westmächte für ein freies Polen gescheitert war. Am 16. Juni 1945 begab er sich nach Moskau, erhielt von Stalin die schriftliche Zusage, dass sich die Rote Armee aus dem souveränen Polen entfernen werde, sobald es die Situation zulasse, und wurde in der neunzehn Sitze umfassenden provisorischen Regierung in Warschau stellvertretender Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister. Am 5. Juli 1945 erkannten die Siegermächte die neue Regierung an und brachen die diplomatischen Beziehungen zur polnischen Exilregierung in London ab.

Als sich Mikołajczyk weigerte mit der Bauernpartei, die er wieder gegründet hatte, in einen „Block“ mit den Kommunisten einzutreten, drohten ihm und anderen Oppositionellen schwere Repressalien. Deshalb gab er am 8. Oktober 1947 seinen Sitz im Sejm auf. Laut seinen Memoiren hatte er außerdem gehört, dass ihn ein Militärtribunal bereits zum Tode verurteilt habe. Am 20. Oktober 1947 begann seine Flucht vom Bahnhof Warschau über die Provinz Posen und die Sowjetische Besatzungszone bis an die Elbe, von dort in nordwestlicher Richtung in die Britische Zone. Von dort wurde er mit einem Militärflugzeug nach London gebracht. Die polnische Exilregierung in London bezeichnete ihn als „Verräter“, weil er mit den Kommunisten koaliert hatte. Sie wollte nicht einsehen, dass Mikołajczyk letztlich dasselbe Ziel verfolgte wie sie.

Da für ihn und seine Familie ein weiterer Aufenthalt in London wegen der dauernden Anfeindungen unmöglich geworden war, verließ Mikołajczyk Mitte August 1948 mit dem Schiff “Queen Elizabeth“ England, emigrierte in die USA und bezog ein eigenes Haus in einem Washingtoner Vorort. Cecylia Mikołajczyk, welche die Konzentrationslager Majdanek, Auschwitz und Ravensbrück überlebt hatte, starb 1951 an den Spätfolgen der Inhaftierung. Sohn Marian arbeitete als Angestellter in einem amerikanischen Flugzeugunternehmen. Stanisław Mikołajczyk wurde von Emigranten aus Polen und anderen östlichen Ländern zum Vorsitzenden der internationalen Bauerngewerkschaft gewählt. Er starb am 13. Dezember 1966 in Washington. Im Juni 2000 wurde er als Opfer des Stalinismus von der polnischen Regierung in Warschau rehabilitiert. Seine sterblichen Überreste wurden nach Polen überführt und in Posen beigesetzt.

Wolfgang Viehweger, Februar 2015

 

Ergänzung d. Redaktion: 

Am 18. Oktober 2015 wurde im Rahmen einer Gedenkfeier eine durch das Polnische Außenministerium gestiftete Tafel für Stanisław Mikołajczyk im Eingang des Gemeindezentrums der Marienkirche in Eickel enthüllt (siehe Bilder). Im Beisein von Wolfgang Viehweger, dem Autor dieses Beitrags, Generalkonsul Jan Sobczak und dem Künstler Jerzy Bokrzycki aus Breslau wurde dabei auch das Grab von Prälat Josef Schneider, der Mikołajczyk 1901 getauft hatte, sowie der Original-Taufstein in der Marienkirche besucht.

 

Weiterführende Literatur:

Gmitruk, Janusz: Stanisław Mikołajczyk: trudny powrót. Muzeum Historii Polskiego Ruchu Ludowego, Warszawa 2002

Paczkowski, Andrzej: Stanisław Mikołajczyk, czyli klęska realisty. Warszawa 1991

Viehweger, Wolfgang: Stanislaw Mikolajczyk – Kämpfer für die Freiheit. Herne 2014 [poln. Ausgabe 2016]

Die Memoiren Mikołajczyks wurden 1948 in einer Serie des Spiegels veröffentlicht http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44415220.html

Dokumente zu Mikołajczyk sind in den Hoover Institution Archives an der Stanford University archiviert – Suche unter: http://www.oac.cdlib.org/institutions/Hoover+Institution

Mediathek
  • Telegramm

    Telegramm der polnischen Exilregierung an das Oberkommando des Warschauer Aufstandes, 28. Juli 1944.
  • Alfred Hartwig

    Alfred Hartwig, Zeche Shamrock III / IV, Aquarell
  • Geburtsurkunde

    Geburtsurkunde von Stanisław Mikołajczyk
  • Taufschein

    Abschrift des Taufscheins von Stanisław Mikołajczyk
  • Magdalena Skowronski

    Magdalena Skowronski, Stanisław Mikołajczyk, Öl auf Leinwand, 2013
  • Gedenktafel

    Gedenktafel im Gemeindehaus der Marienkirche in Eickel, am 18.10.2015 enthüllt, Künstler: Jerzy Bokrzycki
  • Stanisław Mikołajczyk - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku"

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.