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Vom Warschauer Aufstand nach Frankfurt am Main. Polnische KZ-Häftlinge in den Frankfurter Adlerwerken

Adlerwerke mit späterem KZ-Turm. Die Häftlinge waren im dritten und vierten Stock des Eckturms untergebracht. Foto von 1925, von der Weilburger Straße aus gesehen. (Detail)

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  • Abb. 1: Adlerwerke mit späterem KZ-Turm - Die Häftlinge waren im dritten und vierten Stock des Eckturms untergebracht. Foto von 1925, von der Weilburger Straße aus gesehen.
  • Abb. 2: Schützenpanzer - Die Adlerwerke bauten die Fahrgestelle für diesen mittleren Schützenpanzerwagen, hier Ausführung C, in Russland, August/September 1942.
  • Abb. 3: Antrag auf Häftlinge, Vorderseite - Die Häftlinge waren dem Unternehmen zu diesem Zeitpunkt bereits zugesagt, ihre „Beantragung“ beim Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (WVHA) im September 1944 nur noch eine Formalität.
  • Abb. 4: Antrag auf Häftlinge, Rückseite - Der Kommandant von Natzweiler, Friedrich Hartjenstein, und der für den Arbeitseinsatz im WVHA zuständige Gerhard Maurer bestätigen mit ihrer Unterschrift den Häftlingseinsatz in den Adlerwerken.
  • Abb. 5: Transportliste aus Dachau - Am 27. September 1944 überstellte die SS 1.000 Häftlinge aus Dachau nach Frankfurt a. M. Da das Außenlager „Katzbach“ der Verwaltung des KZ Natzweiler unterstand, ist Frankfurt nicht eigens erwähnt.
  • Abb. 6: Bauhäftlinge in „Katzbach“ - Am 3. Oktober 1944 erstellte die SS eine Übersicht über alle Häftlinge und notierte deren Berufe. Um ihre Überlebenschancen zu verbessern, hatten viele nicht ihre tatsächlichen Berufe angegeben.
  • Abb. 7: Schülerausweis von Andrzej Branecki - Branecki war erst 14 Jahre alt, als er in das Konzentrationslager „Katzbach“ verschleppt wurde.
  • Abb. 8: Zdzisław Bittner - Bittner wurde mit gerade erst 18 Jahren in das KZ „Katzbach“ verschleppt. Er war ein fröhlicher und beliebter Junge, der Sport und Geselligkeit mochte, gern tanzte und Gitarre spielte.
  • Abb. 9: Tadeusz Waszak - Der Graphiker Tadeusz Waszak wurde Ende 1944 in Frankfurter KZ-Haft 25 Jahre alt. Er starb vermutlich auf dem Todesmarsch im Frühjahr 1945.
  • Abb. 10: Józef Bury mit Tochter Józefa in Warschau 1944 - Er starb am 15. März 1945 in Frankfurt.
  • Abb. 11: Etagenbett und Häftlinge - Diese nach dem Krieg erstellte Zeichnung von Zygmunt Świstak gibt die Atmosphäre in den Unterkunftsräumen der Häftlinge wieder.
  • Abb. 12: Nachtschicht in den Adlerwerken - Die Häftlinge waren in Tag- und Nachtschichten in der Fabrik eingeteilt. Die meisten mussten an großen Einzelmaschinen arbeiten. Die Zeichnung entstand nach dem Krieg.
  • Abb. 13: Fliegeralarm - Świstak dazu: „Schlagen an jeder Ecke der Treppe. Man muss schnell auf die andere Seite wechseln, um nicht geschlagen zu werden. Wenn wir arbeiten, werden wir nie in den Luftschutzkeller geschickt.“
  • Abb. 14: Tagesrapport vom 13.2.1945 - Das Unternehmen dokumentierte den Häftlingseinsatz in Tagesrapporten, die auch über Tote und Geflohene Auskunft geben.
  • Abb. 15: Erich Franz, 1944 - Der aus Wien stammende Lagerführer war im Jahr 1914 geboren.
  • Abb. 16: Wochenbericht vom 8.–15. Oktober 1944 - Am 12. Oktober, rund sechs Wochen nach Lagereröffnung, wurden bereits 58 kranke Häftlinge nach Dachau rücküberstellt.
  • Abb. 17: Gestapo-Akte zu Peter Stamm - Der Werksangehörige Peter Stamm hatte Häftlinge mit Lebensmitteln unterstützt und wurde dafür mit Gestapoarrest bestraft.
  • Abb. 18: Sterbeurkunde von Kazimierz Głowacki - Das Standesamt III registrierte alle Todesfälle von Häftlingen der Adlerwerke, hier den am 13. Februar 1945 von SS-Leuten erschossenen Kazimierz Głowacki.
  • Abb. 19: Einäscherung von Häftlingen - Schreiben von SS-Hauptscharführer Erich Franz an das Amt für Bestattungswesen Frankfurt am Main, 24.10.1944
  • Abb. 20: Enttrümmerung - In dieser Collage zeigt Zygmunt Świstak die gefährliche Arbeit bei der Enttrümmerung nach Bombenangriffen. Wenn man Glück hatte, konnte man in den Trümmern wenige Lebensmittel finden.
  • Abb. 21: Ackermannwiese mit Ackermann- und Bürgermeister-Grimm-Schule im Hintergrund, 1926/1927 - Die Schule in der Ackermannstraße verfügte im Kellergeschoss über sanitäre Anlagen mit Duschen und Badewannen. Mindestens dreimal wurden die Häftlinge dorthin zur „Entlausung“ geführt.
  • Abb. 22: Golub-Lebedenko-Platz - Am 14. März 1945 wurden Georgij Lebedenko und Adam Golub nach einem Fluchtversuch vor den Augen der Nachbar:innen erschossen. Am Golub-Lebedenko-Platz wird heute im Gallus an sie erinnert.
  • Abb. 23: Karte des Todesmarsches - Die Marschstrecke der Häftlinge ab dem 24. März 1945 führte durch das Kinzigtal in Richtung Fulda bis Hünfeld.
  • Abb. 24: Suchanzeige vom März 1948  - In der Zeitschrift „Wolni Ludzie“ suchte Danuta Kotomska in der Rubrik „Poszukiwania“ (Suchanzeigen) nach ihrem Mann Kazimierz, der im September 1944 in die Adlerwerke gebracht wurde.
  • Abb. 25: Suchanzeige vom 8. Mai 1947  - In der Zeitschrift „Repatriant“ suchte Wiktoria Bittner in der Rubrik „Amerykańskie Biuro Informacji“ nach ihrem Sohn Zdzisław, der im September 1944 in die Adlerwerke gebracht wurde.
  • Abb. 26: Exhumierung in Dörnigheim - Im August 1945 wurden zehn Todesmarschopfer in der Ortschaft Dörnigheim auf Anweisung der amerikanischen Besatzungsbehörden würdig bestattet.
  • Abb. 27: Familie Świstak, ca. 1932 - Zygmunt (*1924) rechts. Die Mutter starb im Jahr 1944. Vater Florian (*1890) und Bruder Tadeusz (*1923) überlebten das KZ Adlerwerke nicht.
  • Abb. 28: Zygmunt Świstak auf dem Frankfurter Hauptfriedhof, nach 1998 - Im Jahr 1988 fand er den Namen seines Bruders an der Grabstätte auf dem Frankfurter Hauptfriedhof. Im Buch „Die letzten Zeugen“ erinnert er sich an diesen Tag.
  • Abb. 29: Glasstele auf dem Frankfurter Hauptfriedhof - Seit März 2025 erinnert eine Glasstele an die Namen der in Frankfurt ums Leben gekommenen Häftlinge, die in alphabetischer Reihenfolge genannt werden.
  • Abb. 30: Sechs Überlebende vor dem Club Voltaire in Frankfurt am Main, 1997 eingeladen vom LAGG e.V. - Kajetan Kosiński (vorne, 2. v. l.), Stanisław Madej (Mitte, mit Frau), Jan Kozłowski (5. v. r.), Heinz Meyer (hinten, 5. v. l.), Andrzej Branecki (unterm Verkehrsschild) und Ryszard Olek (r. daneben)
  • Abb. 31: Gedenken am Mainufer, 19. März 2022 - Es versammelten sich mehr als 1.616 Menschen aus Frankfurt und Umgebung entlang des Mains und erinnerten mit selbstgemachten Schildern an die Häftlinge des KZ „Katzbach“.
  • Abb. 32: Gedenken am Mainufer, 19. März 2022 - Viele hatten die Gelegenheit genutzt, sich intensiver mit dem Schicksal des von ihnen präsentierten Menschen zu beschäftigen.
Adlerwerke mit späterem KZ-Turm. Die Häftlinge waren im dritten und vierten Stock des Eckturms untergebracht. Foto von 1925, von der Weilburger Straße aus gesehen.
Adlerwerke mit späterem KZ-Turm. Die Häftlinge waren im dritten und vierten Stock des Eckturms untergebracht. Foto von 1925, von der Weilburger Straße aus gesehen. (Detail)

Befreit und doch nicht befreit
 

Die wenigen Überlebenden kehrten in der Regel nach Polen zurück. Einige blieben in Deutschland, andere bemühten sich um eine Ausreise in die USA, nach Kanada oder Australien. Viele Überlebende blieben noch Monate, teilweise Jahre in DP-Lagern oder sie verbrachten eine lange Zeit in Sanatorien, um ihren Gesundheitszustand wiederherzustellen. Viele Familien in Polen warteten vergeblich auf eine Rückkehr ihrer Männer, Söhne, Väter und Brüder. Während diejenigen, deren Tod in Frankfurt am Main standesamtlich registriert worden war, durch den Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen Auskunft erhalten konnten, war dies für die Angehörigen der vielen Hundert Menschen, die während der Todesmärsche gestorben waren, nicht möglich. Ihre Sterbeorte und -daten sind für immer unbekannt – für die Familien ein bis heute quälender Zustand. 

Noch Jahre nach Kriegsende veröffentlichten sie Suchanzeigen für die Vermissten. (Abb. 24 . , 25 . ) Wiktoria Bittner, die Mutter von Zdzisław Bittner, die im Mai 1947 in der Zeitung „Repatriant“ nach ihrem Sohn suchte, erhielt Post von dessen Jugendfreund Zygmunt Świstak. Zygmunt war gemeinsam mit Zdzisław in das KZ-Außenlager „Katzbach“ deportiert, aber zu Weihnachten 1944 nach Vaihingen überstellt worden. Über die Todesumstände von Zdzisław wusste er daher nichts, schrieb aber ausführlich über ihre letzten Begegnungen, die Verhältnisse im Lager sowie seine eigene Situation nach der Befreiung. Er war zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder in die Adlerwerke deportiert worden: Beide hatten nicht überlebt. Seine Postkarten und Briefe an Zdzisławs Mutter zeigen, wie schwer es den Überlebenden fiel, wieder im Leben anzukommen. Jeglicher Lebensmut war ihnen durch den Verlust der Gesundheit, der Familie und Freunde, des Zuhauses, der Zukunftsperspektiven sowie der Zerstörung der Stadt Warschau verloren gegangen. Die Briefe von Wiktoria Bittner, der Mutter seines Freundes, die ihn von früher kannte, gaben Zygmunt Świstak das Gefühl, nicht völlig allein auf der Welt zu sein. In einem Brief schreibt er: „Nun weiß ich, dass jemand mich kennt und weiß, wer ich bin.“[7] 

 

Gab es Sühne für die Verbrechen?
 

Schon 1945 fanden erste kriminalpolizeiliche Ermittlungen zu den Morden im Lager „Katzbach“ und auf dem Todesmarsch statt. Zwei Arbeiter der Adlerwerke, die als Hilfswachmänner Häftlinge misshandelt hatten, wurden 1946 zu Haftstrafen verurteilt; ein weiterer wurde nach Polen ausgeliefert und dort vor Gericht gestellt.[8] Dass es im Fall der Adlerwerke ausschließlich Hilfswachmänner waren, die wegen Gewalt gegen Häftlinge zu Haftstrafen verurteilt wurden, ist kein Zufall. Anders als die ehemaligen SS-Männer lebten sie in Frankfurt und Umgebung und waren daher für die Justiz leicht auffindbar. Die SS-Männer hingegen befanden sich nicht mehr in der Stadt. Erst als sich die Ermittlungsarbeit der Justizbehörden durch die Gründung der Ludwigsburger Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen professionalisierte, gelang es in den 1960er Jahren, ehemalige SS-Angehörige des Lagers ausfindig zu machen. Verurteilt wurde von ihnen keiner mehr, obwohl es gegen den Lagerführer Erich Franz, seinen Stellvertreter Emil Lendzian und den Lagerkoch Martin Weiß zahlreiche belastbare Vorwürfe gab. Das Verfahren gegen Erich Franz wurde auf Grund seines Wohnorts an die österreichische Justiz abgegeben. Diese ermittelte nur halbherzig und stellte das Verfahren letztendlich wegen Mangels an Beweisen ein. Emil Lendzian war bereits 1956 in Mönchengladbach verstorben. Martin Weiß, ein Volksdeutscher aus Siebenbürgen, war nach dem Krieg nach Rumänien zurückgekehrt, so dass die deutschen Justizbehörden keine Handhabe sahen, ihn vor Gericht zu stellen. 

Die Unternehmensverantwortlichen Ernst Hagemeier und Franz Engelmann befanden sich bis Frühjahr 1947 in US-Internierung und wurden dann im Rahmen einer Entlassungswelle wieder auf freien Fuß gesetzt. Versuche, sie später erneut vor Gericht zu stellen, scheiterten. Die halbherzige juristische Aufarbeitung der Verbrechen in den Adlerwerken ist keinesfalls ungewöhnlich, sondern kann als typisch für die Strafverfolgung von NS-Verbrechen angesehen werden. Ebenso skandalös war der Umgang mit den Entschädigungen. Die ersten zusätzlichen Rentenzahlungen erhielten die nach Polen zurückgekehrten Überlebenden der Adlerwerke erst in den 1970er Jahren im Nachgang der bundesdeutschen neuen Ostpolitik; einmalige Zahlungen folgten im Rahmen des „Vertrags über gute Nachbarschaft“ zwischen Deutschland und Polen von 1991 und durch die im Jahr 2000 errichtete Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“. Nur wenige hatten bis dahin überlebt; eine ernsthafte Kompensation für die erlittenen Schäden stellten die Beträge nicht dar.

Die im Zuge der juristischen Aufarbeitung entstandenen Quellen, insbesondere die Aussagen von Belegschaftsmitgliedern und der unmittelbaren Nachbarschaft, dokumentierten schon früh und unverblümt das ganze Spektrum von zeitgenössischen Perspektiven auf dieses Lager. Ihre Berichte zeigen die Dynamiken, die dazu führten, dass der Hungertod so vieler Menschen in der eigenen Fabrikstätte als Teil einer Kriegsnormalität empfunden wurde. Sie zeigen aber auch, dass es etliche Betriebsangehörige und Nachbar:innen gab, die dies nicht „normal“ fanden und im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchten, zu intervenieren. 

 

[7] Andrea Rudorff: Gemeinsames Trauern. Briefe eines Überlebenden des KZ „Katzbach“, in: Informationen. Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933–1945, Nr. 95, März 2022, 46. Jg., S. 13–17.

[8] Andrea Rudorff: Das Verfahren gegen Karl Grass. Ein Arbeiter der Adlerwerke vor einem Warschauer Gericht, in: Einsicht 2022, Bulletin des Fritz Bauer Instituts, S. 80–89. https://www.fritz-bauer-institut.de/fileadmin/editorial/publikationen/einsicht/Einsicht-2022.pdf