Witkiewicz, Stanisław

Auf der Weide/Na pastwisku, 1875. Öl auf Leinwand, 82 x 122,5 cm, Inv. Nr. MP 100 MNW, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie
Auf der Weide/Na pastwisku, 1875. Öl auf Leinwand, 82 x 122,5 cm, Inv. Nr. MP 100 MNW, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie

1880/81 reist er zu einem Kuraufenthalt nach Marienbad und Meran und hält sich anschließend bis 1882 erneut in München auf. 1884 wird er künstlerischer Leiter des Wochenblatts für Kunst und Literatur Wędrowiec, das schnell zum Sprachrohr des Realismus avanciert. Im selben Jahr heiratet er die Musiklehrerin Maria Pietrzkiewiczówna, die im Jahr darauf den gemeinsamen Sohn Stanisław Ignacy zur Welt bringt. 1886 reist er erstmals nach Zakopane, wo ihn die Landschaft, die einheimische Bevölkerung und deren Volkskunst faszinieren und seine künftige Arbeit beeinflussen. 1904-05 verbringt er wegen einer Tuberkulose-Erkrankung in Lovran an der Adria, kehrt anschließend für drei Jahre nach Zakopane zurück und lässt sich schließlich 1908 bis zu seinem Lebensende in Lovran nieder. Nach seinem Tod wird er in Zakopane beigesetzt. – Bis in die Mitte der 1880er-Jahre ist die Malerei von W. vom Realismus der Münchner Schule und den aus der polnischen Heimat stammenden Reiter- und Genremotiven der polnischen Künstlergruppe, vor allem von Maksymilian Gierymski und Józef Chełmoński, geprägt. Lichtdurchflutete oder nächtliche Dorfansichten („Herrenhaus in Urdomin/Dwór w Urdominie“, 1873, Privatbesitz) wechseln sich ab mit Motiven aus der Landwirtschaft (Titelbild; „Pflügen/Orka“, 1875, Kunstmuseum Łódź/Muzeum Sztuki w Łodzi), Bildern mit Fuhrwerken („Schmale Durchfahrt/Wąskie wrota“, 1877) und Reiterbildern vom Januaraufstand 1863 („Verwundeter Aufständischer/Ranny powstaniec“, 1881) sowie Genremotiven aus dem Landleben („Beerdigung auf dem Lande/Pogrzeb na wsi“, 1878, alle Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie; „Auf dem Markt/Na jamarku“, 1882, Bank Rozwoju Eksportu SA). 1885/87 malt er Motive von der litauischen Ostseeküste in vorwiegend düsterem Kolorit („Blick auf die Ostsee bei Palanga/Widok Bałtyku pod Połągą“, 1885, Nationalmuseum Warschau), die das Meer als Naturgewalt thematisieren. Seit seiner Ankunft in Zakopane wendet er sich unter dem Eindruck des Tatra-Gebirges der Landschaftsmalerei zu und schafft für sich einen neuen Malstil zwischen Realismus, Naturalismus und Symbolismus. Fasziniert von den Kräften der Natur, der Majestät und der rauen Schönheit des Gebirges und atmosphärischen Phänomenen malte er die Bergwelt zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten („Czarny Staw, Schneefall“; „Wald/Las“, beide 1892, „Herbstliche Weiden/Jesieniowisko“; „Bach im Wald“, beide 1894; „Krokusse vor den schneebedeckten Bergen/Krokusy na tle śnieżnych gór“, 1897). Dramatisch aufgefasste Landschaften verkörpern im Sinne des Symbolismus menschliche Stimmungen und Erwartungen, Ängste und seelisches Grauen („Föhnwind/Wiatr halny“; „Ukrainische Nacht/Noc ukraińska“, beide 1895, alle Nationalmuseum Krakau/Muzeum Narodowe w Krakowie). Vereinzelt schafft er veristische und psychologisch vertiefte Studien und Porträts von Einheimischen der Tatra. Die Volkskunst der Podhale wird für W. zum Inbegriff von Polentum und nationaler Identität. Mit seinen Publikationen trägt er dazu bei, diese Region unter polnischen Kunstschaffenden und Intellektuellen populär zu machen. Nach Vorbildern der überlieferten Volkskunst entwirft er selbst Innendekorationen, Möbel, Altäre und Kirchendekorationen, Geschirr und Keramik, Metallwaren, Textilien und Architektur und kreiert so einen modernen, das Handwerk wieder aufwertenden „Zakopane-Stil/Styl zakopiański“. Neben privaten Villen in Zakopane entwirft er in diesem Stil unter anderem 1896-97 das Sanatorium Hawranek und 1904-06 die Kapelle im Stadtteil Jaszczurówka. Während seiner Jahre in Lovran malt er Meerbilder und Küstenlandschaften („Lovran, Landschaftsmotiv I-IV/Lovran, motyw krajobrazowy I-IV“, Nationalmuseum Krakau).