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Tadeusz Rolke – Meister der Dokumentarfotografie

Tadeusz Rolke

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  • Hamburg, Fischmarkt, 1979 - Hamburg, Fischmarkt, 1979. Handel mit Fleischwaren.
  • Hamburg, Fischmarkt, 1979  - Hamburg, Wochenmarkt am Fischmarkt, 1979.
  • Hamburg, Fischmarkt, 1979 - Hamburg, Fischmarkt, 1979.
  • Hamburg, Fischmarkt, 1979 - Hamburg, Aufräumen nach dem Markthandel am Fischmarkt, 1979.
  • Ausstellung "Metropolis" im Martin-Gropius-Bau, Berlin 1991 - Ausstellung "Metropolis" im Martin-Gropius-Bau, Berlin 1991.
  • Nürnberg, 1971 - Nürnberg, 1971. Filmproduktion "Piłat i inni" (Pilatus und andere – ein Film für Karfreitag) des Regisseurs Andrzej Wajda (rechts).
  • Nürnberg, 1971 - Nürnberg, 1971. Filmproduktion "Piłat i inni" (Pilatus und andere – ein Film für Karfreitag) des Regisseurs Andrzej Wajda.
  • Hamburg, 1977 - Hamburg, 1977. Polterabend.
  • Berliner Mauer, September 1989 - Berliner Mauer, September 1989.
  • Berlin, September 1989  - Berlin, September 1989. Auf dem Foto Tadeusz Szeliński und Tadeusz Rolke.
  • Polnische Modelle in Ost-Berlin, 1971 - Polnische Modelle in Ost-Berlin, 1971.
  • Straßen Hamburgs, 1971 - Straßen Hamburgs, 1971.
  • Sommerschlussverkauf, Hamburg 1979 - Sommerschlussverkauf, Hamburg 1979.
  • Vernissage von Helena Bohle-Szacki, Berlin 1971 - Vernissage von Helena Bohle-Szacki, Berlin 1971.
  • Vernissage von Helena Bohle-Szacki, Berlin 1971 - Vernissage von Helena Bohle-Szacki, rechts der Dichter Witold Wirpsza, Berlin 1971.
  • Günter Grass, Berlin 1975 - Günter Grass, Berlin 1975.
  • Joseph Beuys, Düsseldorf 1971 - Joseph Beuys - Aktionskünstler, Düsseldorf 1971.
  • Theater der Nationen, Hamburg 1979 - Theater der Nationen, Hamburg 1979.
  • Theater der Nationen, Hamburg 1979 - Theater der Nationen, Hamburg 1979.
  • Theater der Nationen, Hamburg 1979 - Theater der Nationen, Hamburg 1979.
  • Theater der Nationen, Hamburg 1979 - Theater der Nationen, Hamburg 1979.
  • Theater der Nationen, Hamburg 1979 - Theater der Nationen, Hamburg 1979.
  • Theaterfestival in Nancy, 1979 - Theaterfestival in Nancy, 1979.
  • Tadeusz Kantor und sein Stück "Kurka wodna", 1967 - Tadeusz Kantor und sein Stück "Kurka wodna", 1967.
  • Happening von Tadeusz Kantor, Warschau 1968 - Happening von Tadeusz Kantor, Warschau 1968.
  • Straßen Wrocławs, 1969 - Straßen Wrocławs, 1969.
  • Wrocław, Warenanlieferung an eine Metzgerei, 1980 - Wrocław, Warenanlieferung an eine Metzgerei, 1980.
  • Leere Regale in einem Lebensmittelladen, Wrocław 1980 - Leere Regale in einem Lebensmittelladen, Wrocław 1980.
  • Warschau, 1989 - Warschau, 1989.
  • Warschauer Marktfrau, 1960 - Warschauer Marktfrau, 1960.
  • Warschau, 1982 - Warschau, 1982. Schlange am Taxi-Stand, rechts Tadeusz Kantor.
  • Warschau im Winter, Mariensztat-Siedlung, 1957 - Warschau im Winter, Mariensztat-Siedlung, 1957.
  • Arbeiter an der Haltestelle vor der Eisenhütte Warschau, 1960 - Arbeiter an der Haltestelle vor der Eisenhütte Warschau, 1960.
  • Wrocław, Fotoausstellung "Solidarnośc", 1980 - Wrocław, Fotoausstellung "Solidarnośc", 1980.
  • Auto "Syrena", 1960 - Auto "Syrena", 1960.
  • Warschau, Pferderennen im Stadtteil Służewiec, 1958 - Warschau, Pferderennen im Stadtteil Służewiec, 1958.
  • Modekreation von Barbara Hoff, 1967 - Modekreation von Barbara Hoff, 1967.
  • Wrocław, Marktplatz, 2000 - Wrocław, Marktplatz, 2000. Fotoausstellung "Pasażerowie" von Tomasz Kiżny. 
  • Premiere des Stücks "Wielopole, Wielopole" von Tadeusz Kantor, 1983 - Premiere des Stücks "Wielopole, Wielopole" von Tadeusz Kantor, 1983.
  • Wrocław, Universität, 1960 - Wrocław, Universität, 1960.
Tadeusz Rolke
Tadeusz Rolke

„Ich werde reisen und fotografieren.“ Dieser Satz stammt von dem 1944 fünfzehn Jahre alten Tadeusz Rolke und er wäre nicht bemerkenswert, wüsste man nicht, wo und unter welchen Umständen er fiel. Damals leistete der Heranwachsende Zwangsarbeit auf dem Hof der Familie Gensch im brandenburgischen Dobbrikow. Seine schmächtige Gestalt und sein jungendliches Alter ließen die deutschen Arbeitgeber unzufrieden mit seinem Tagewerk sein. Mit diesem Satz, der später, als Erwachsener, zu seinem Lebensmotto wird, beantwortete er die Frage der Bäuerin, was er denn einmal machen wolle, wenn er nicht hart arbeiten könne.[1]

Der am 24. Mai 1929 in Warschau (Warszawa) geborene Tadeusz Rolke, der schon als Kind zur Selbständigkeit erzogen wird, interessiert sich früh für die Fotografie. Mit vierzehn Jahren erwirbt er von einem Schulfreund seine erste Kamera, eine Kodak BabyBox, die er aus dem Verkauf selbst gebastelter Flugzeugmodelle bezahlt. Nachdem Tod des Vaters, der Verwaltungsdirektor im Warschauer Rathaus war, findet sich die Familie in bescheidenen Verhältnissen ein. Tadeusz Rolke besucht mit seinem älteren Bruder Andrzej die Helena-Chełmońska-Schule bis sie nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geschlossen wird. Der Junge setzt seine Ausbildung in geheimen Unterrichtsreihen fort, die in Privatwohnungen stattfinden, in denen die Schüler mit ihren Lehrern zusammenkommen. Über seine Erlebnisse zu Beginn des Krieges sagt er: „Die größte Angst in meinem Leben hatte ich als ich die Flugzeuge kommen hörte und die Bomben näher und näher fielen. Am 24. und 25. September 1939 gab es verheerende Luftangriffe auf Warschau. Wir suchten Schutz in einem Keller (…) Nach zwei Tagen haben wir unsere Straße [die Familie wohnte in der Straße Nowy Świat – Anm. d. Autorin] nicht mehr erkannt. Vor uns lag ein Korridor brennender Häuser. Es war Tag und es herrschte völlige Dunkelheit.“[2]

Der zwölfjährige Tadeusz tritt im Krieg den Szare Szeregi (Graue Reihen) bei, einer konspirativen polnischen Pfadfinderorganisation, in der er die typischen Fertigkeiten lernt, aber auch, Menschen zu beschatten, verbotene Drucksachen auszutragen und kleine Sabotageaktionen durchzuführen. Der Ausbruch des Warschauer Aufstands am 1. August 1944 überrascht Rolke in Wilanów [ein Stadtbezirk von Warschau – Anm. d. Übers.], wohin er mit dem Fahrrad zu einem Pfadfindertreffen gefahren war. Als er versucht, wieder in die Innenstadt zu kommen, wird er am Oberschenkel angeschossen. Ende August ist er als Kurier unterwegs. Seitdem überbringt er Nachrichten und nimmt an der Bergung von Soldaten teil, die im Bombardement verschüttet wurden. Im Rückblick äußert sich Tadeusz Rolke kritisch über den Warschauer Aufstand: den Befehl zum Aufstand gegen den unvergleichlich besser bewaffneten und im Kampf ausgebildeten Feind, den Tadeusz Komorowski, Deckname „Bór“, gab, bezeichnet er als größtes Verbrechen und als unnötige Gefährdung von Leib und Leben der Warschauer Einwohnern.[3] Ähnlich äußert sich der Fotograf über die erhabene patriotische Stimmung, die in den Reihen der Szare Szeregi herrschte: „Die Pfadfinderbewegung war sehr stark vom Katholizismus geprägt, von Juden wurde nicht gesprochen. Auch in den Szare Szeregiʻ habe ich nie ein Wort über Juden gehört. Sie existierten nicht. Es gab kein Ghetto. Es gab keinen Aufstand im Ghetto. Sie existierten nicht.[4] Dieses Thema greift Rolke auch in seinem Buch „Moja namiętność“ (Meine Leidenschaft) auf: „Es kümmerte sie nichts außer: Gott, Ehre, Vaterland (…) Dies wurde verschwiegen. Für die Szare Szeregiʻ gab es schlicht keine drei Millionen polnische Juden. Diese Haltung fußte offenbar auf Antisemitismus sowie auf dem polnischen Katholizismus und Nationalismus.“[5]

Als sich Anfang September 1944 immer mehr Widerstandsnester ergeben, gerät Rolke in das Durchgangslager 121 in Pruszków. Von hier aus wird er zur Zwangsarbeit nach Deutschland verbracht und kommt aus dem Durchgangslager Frankfurt an der Oder auf den Bauernhof der oben erwähnten Familie Gensch im brandenburgischen Dobbrikow, etwa 50 km südlich von Berlin. Diese Zeit behielt Rolke trotz der schweren Feldarbeit in guter Erinnerung. Er hatte wie seine Schicksalsgenoss*innen auch ein eigenes Zimmer und erhielt dasselbe Essen wie die Bauersfamilie. Er sitzt mit ihr zusammen am Tisch. Da der Junge die Armut auf dem polnischen Land kennt, löst die Produktivität auf dem Hof in Dobbrikow und der Wohlstand seiner Arbeitsgeber einen Zivilisationsschock bei ihm aus. Den menschenwürdigen Umgang mit den Zwangsarbeitenden erklärt sich Rolke mit der unausweichlich nahenden Niederlage im Krieg, derer sich die Deutschen damals immer bewusster werden.

Tadeusz Rolkes Aufenthalt bei den Genschs währt nur ein paar Wochen, bis ihn die Deutschen im November 1944 mit den anderen Zwangsarbeitenden nach Chwalim, in der heutigen Woiwodschaft Lebus (woj. lubuskie), verlegen. Die Fahrt führt sie über Berlin, das der künftige Fotograf zum ersten Mal sieht. Jahre später macht Rolke keinen Hehl daraus, dass ihm die zerstörte Stadt mit ihren menschenleeren Straßen, dem Meer ausgebrannter Häuser und den allgegenwärtigen Ruinen Genugtuung verschaffte. In Chwalim sind Panzergräben auszuheben, um die heranrückende russische Offensive aufzuhalten. Als nächste Station folgt Szczutowo in der Nähe von Sierpc, danach geht es für die Zwangsarbeitenden zu Fuß nach Gollub (Golub), einem Ort kurz hinter der Front. Im März 1945 erreicht Rolke Danzig (Gdańsk), das bereits von der Roten Armee eingekesselt ist. Kurz darauf marschieren die Russen in die Stadt ein, was für den mittlerweile sechzehnjährigen Tadeusz die ersehnte Freiheit und damit verbunden die Rückkehr nach Warschau bedeutet. Dort trifft er auf seine Mutter. Sein älterer Bruder hält sich seinerzeit in Maczków auf, einem Lager für Displaced Persons in einer polnischen Enklave in Niedersachsen. Er wird erst zwei Jahre später zu Hause sein. In die Freude über das Kriegsende und die Möglichkeit, sein früheres Leben wieder aufzunehmen, mischt sich für Tadeusz jedoch Enttäuschung über die neue geopolitische Situation seiner Heimat. Als er am 9. Mai 1945 die Siegesparade sowjetischer Soldaten verfolgt, schwant ihm, dass Polen als besetztes Land vom Regen in die Traufe gekommen ist.

 

[1] https://culture.pl/pl/tworca/tadeusz-rolke (zuletzt aufgerufen: 08.01.2021).

[2] Tadeusz Rolke. Moja namiętność. Mistrz fotografii w rozmowie z Małgorzatą Purzyńską [Tadeusz Rolke. Meine Leidenschaft. Der Meister der Fotografie im Gespräch mit Małgorzata Purzyńska], Agora SA, Warszawa 2016, S. 28-29.

[3] Tadeusz Rolke. Moja namiętność, S. 36.

[4] Mirosław Tkaczyk, Drzazga. Kłamstwa silniejsze niż śmierć, Znak Literanova, Kraków 2020.

[5] Tadeusz Rolke. Moja namiętność, S. 33.