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„Polenaktion“ 1938

Deportation der polnischen Juden aus Nürnberg während der sogenannten „Polenaktion“, 1938

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Deportation der polnischen Juden aus Nürnberg während der sogenannten „Polenaktion“, 1938
Deportation der polnischen Juden aus Nürnberg während der sogenannten „Polenaktion“, 1938

Die polnischen Behörden sperrten die Stadt sehr bald ab und untersagten den Deportierten, sie zu verlassen. Im Lager selbst kursierten Listen, auf denen man sich für eine Ausreise nach Palästina, in andere europäische Länder oder in die USA eintragen konnte, wobei dies vielen Menschen nicht gelang. Ein Teil der Kinder wurde dank der sogenannten „Kindertransporte“ gerettet, die nach den Ereignissen der „Kristallnacht“ aus Großbritannien betrieben wurden und die Ausreise von Kindern und Jugendlichen im Alter von vier Monaten bis zu 17 Jahren ermöglichten. Insgesamt nahmen die Briten etwa 10.000 Kinder aus Polen, Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei auf. Die jungen Flüchtlinge kamen Gastfamilien oder in Heimen unter. Beim Abschied vor der Abreise mit dem Kindertransport haben viele von ihnen ihre Eltern zum letzten Mal gesehen. Im Holocaust kamen die meisten der im Zuge der „Polenaktion“ abgeschobenen Juden ums Leben.

Unter den Deportierten in Zbąszyń waren auch die Eltern und Geschwister von Herschel (Hermann) Grynszpan, die als polnische Staatsbürger aus Hannover abgeholt wurden, obwohl sie seit 27 Jahren in Deutschland lebten. Am 3. November 1938 erhielt der polizeilich gesuchte 17-Jährige, der sich zu dieser Zeit illegal in Paris befand, eine Postkarte seiner Schwester Berta, die ihn über die Ausweisung der Familie aus Deutschland informierte und um finanzielle Hilfe bat. Am nächsten Tag las Herschel in einer Pariser Zeitung einen ausführlichen Bericht über die hoffnungslose Lage der Deportierten in Polen und beschloss daraufhin, aus Protest gegen die antisemitische Politik der Nazis einen Racheakt zu begehen. Grynszpan kaufte am 7. November einen Revolver und tauchte vormittags in der deutschen Botschaft in Paris auf. Unter dem Vorwand, wichtige Dokumente zu übergeben, wurde er von Botschaftssekretär Ernst von Rath empfangen. In dessen Büro gab Grynszpan fünf Schüsse auf den Diplomaten ab, von denen zwei zu schweren Bauchverletzungen führten. Der Attentäter wurde noch im Haus gefasst. Ernst von Rath verstarb trotz Behandlung durch Hitlers Leibarzt zwei Tage später. Die Nationalsozialisten nutzten diesen Vorfall als Vorwand für die „Kristallnacht“, die vom 9. auf den 10. November in ganz Deutschland stattgefunden hat. Bei diesen Pogromen kamen etwa 400 Juden ums Leben. Mehrere hundert wurden noch in den folgenden Tagen ermordet. Die Nazis steckten damals 1.400 Synagogen und Gebetsräume, tausende jüdische Geschäfte, Wohnungen und Grabstätten in Brand gesetzt oder zerstörten sie. Am 10. November wurden 30.000 Juden verhaftet und in Konzentrationslager verbracht.

Die Ereignisse der „Kristallnacht“ führten letztlich dazu, dass die „Polenaktion“ von der Welt fast vergessen wurde. Zwar war die Weltöffentlichkeit über die erste koordinierte Massendeportation der Juden erschüttert und die Nachricht schaffte es auf die Titelseiten der meisten europäischen Tagesblätter, doch dieser Status Quo währte nicht mal zwei Wochen. Das Ausmaß der Novemberpogrome stellte alles, was bis dahin geschah, in den Schatten. In Polen erinnert die Stiftung TRES bereits seit mehreren Jahren an die „Polenaktion“ und die beispiellose Hilfe der Polen für die aus Deutschland vertriebenen Juden. Am 80. Jahrestag der Ereignisse wurde Zbąszyń zum ersten Mal von Nachkommen der Deportierten besucht.

 

Monika Stefanek, Februar 2019

 

Über die „Polenaktion“ im Internet: www.zbaszyn1938.pl