Von Multikulti zu COSMO

Redakteur:innen von „COSMO [Radio] po polsku“. Von links: Tomasz Kycia, Adam Gusowski, Maciej Wiśniewski, Monika Sędzierska
Redakteur:innen von „COSMO [Radio] po polsku“. Von links: Tomasz Kycia, Adam Gusowski, Maciej Wiśniewski, Monika Sędzierska

„Montag, 19. September 1994. Es ist 19:20 Uhr. Nach zweieinhalb Jahren Funkstille im Berliner Äther freue ich mich, die polnischsprachigen Hörer auf 106,8 MHz und im Kabel begrüßen zu dürfen.“ Mit diesen Worten eröffnete Witold Kamiński die erste Sendung in polnischer Sprache des neugegründeten Radiosenders „SFB 4 MultiKulti“ in Berlin. Das war ein historischer Moment für zugewanderte Menschen in Deutschland. „Es ist das erste Mal, dass eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ein mehrsprachiges Programm anbietet, das täglich im Radio und Kabel ausgestrahlt wird“, erklärte die Stimme im Radio. Auch für die Pol:innen in Berlin war es ein historischer Moment, weil sie zum ersten Mal polnisches Radio in den öffentlichen Medien zu hören bekamen. Der Errichtung des multikulturellen Radiosenders gingen jahrelange Bemühungen der alternativen Szene in West-Berlin voraus.

Als in den 1980er Jahren fast eine Million Menschen aus Polen nach Deutschland kamen, entstand unvorhergesehen eine neue Gruppe von Migrant:innen. Die BRD war darauf nicht vorbereitet und es mangelte an Informationen in polnischer Sprache. Die Pol:innen wurden u.a. vom Polnischen Sozialrat (Polska Rada Społeczna) in Berlin unterstützt. Dank der Bemühungen dieser Einrichtung ergab sich die Möglichkeit, ein Hörprogramm für Pol:innen im privaten Radiosender „Radio 100“ in Berlin zu organisieren. Die kollegiale Leitung des alternativen Radiosenders, der unter anderem populäre Programme für die Opposition in der DDR, Feministinnen und LGBT-Communities ausstrahlte, beschloss, auch Programme in den Muttersprachen der Zugewanderten zu senden: auf Polnisch, Griechisch, Kurdisch, Türkisch und Arabisch.

Das Programm von „Radio 100 po polsku“ begann am 3. September 1989. „Die Idee war, einen Radiosender für Menschen zu schaffen, die Schwierigkeiten haben, sich in Berlin zurechtzufinden. Es sollte ein Sender sein, der nicht von Journalisten, sondern von Laien gestaltet wird, von Menschen, die sich in derselben Situation wie die Zuhörer befinden“, erinnert sich Witold Kamiński vom Polnischen Sozialrat. Die einstündige Sendung auf Polnisch wurde einmal pro Woche ausgestrahlt und hatte in erster Linie einen informativen Charakter. Das Redaktionsteam setzte sich aus jungen und engagierten aus Polen stammenden Menschen zusammen, die unter anderem mit dem Polnischen Sozialrat und dem einige Jahre später gegründeten Club der polnischen Versager verbunden waren. Das Projekt dauerte zwei Jahre, mit einer Beteiligung von rund 100 Personen.

1991 meldete „Radio 100“ Konkurs an. Die Ausschreibung für die 103,4-MHz-Frequenz gewann die französische Radiogruppe NRJ. Einige Monate lang wurden noch fremdsprachige Sendungen vom kommerziellen Sender „Radio Viva Berlin / Energy“ ausgestrahlt, nach Ablauf des Vertrags verschwanden die Sendungen für Zuwander:innen aber aus dem Programm. Die Tatsache, dass „Radio 100“ ins Leben gerufen werden konnte, bewies, dass Minderheiten ein Medienprodukt für ein breites Publikum mit messbarer Hörerschaft kreieren können. Dies gab den Beteiligten aus Polen, der Türkei, den arabischen Ländern, Vietnam und Griechenland einen Impuls zur Zusammenarbeit. Sie gründeten den Verein „Intermedia e.V.“ und begannen sich um einen festen Platz innerhalb der Hörprogramme der deutschen öffentlich-rechtlichen Sender zu bemühen.

Anfang der 1990er Jahre stieg die Zahl der Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragten. In der Folge nahmen auch fremdenfeindliche Tendenzen zu. In den Jahren 1991–93 brannten Asylheime in Hoyerswerda, Rostock und Solingen. Die Atmosphäre war angespannt, die Zahl der Ausländer:innen in Deutschland wurde auf über 10 Millionen geschätzt. Nach jahrelangen Verhandlungen gelang es schließlich die Berliner Politik von der Idee eines Radiosenders für Zugewanderte zu überzeugen. Das Landesmediengesetz erhielt einen Paragrafen, der den Sender Freies Berlin (SFB) verpflichtete, Hörprogramme in den Sprachen der lokalen Minderheiten auszustrahlen. Die Entstehung der ersten „Welle“ dieser Art in den öffentlich-rechtlichen Medien war für die Einwander:innen ein Zeichen, dass sie in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen werden, ihre Muttersprache benutzen dürfen und ihre kulturelle Andersartigkeit respektiert wird.

Mediathek
  • Witold Kamiński

    Gründer des Polnischen Sozialrats und ein Initiator der polnischsprachigen Programme „Radio 100“ und „Radio Multikulti“. Berlin, 2017
  • Redaktionsraum von „Radio 100“

    Potsdamer Straße, Berlin-Schöneberg, 1990. Von links: Bartłomiej Skrobecki, Sylwia Wiśniewska, N.N., Jacek Tyblewski
  • Logo von „SFB4 MultiKulti“

    1994–2001
  • Die polnische Redaktion von „Radio Multikulti“ bei der Vorbereitung einer Sendung

    Von vorne: Elżbieta Stasik, Dorota Danielewicz, Krzysztof Visconti, Jacek Tyblewski
  • Logo von „Radio Multikulti“

    2001–2004
  • Polnische Redaktion von „Radio Multikulti“ vor dem Haus des Rundfunks des RBB

    Von links: Piotr Geise, Katarzyna Sobiegraj, Elżbieta Stasik, Dorota Danielewicz, Robert Mika, Krzysztof Visconti, Jacek Tyblewski
  • Logo von „Radio Multikulti“

    2004–2008
  • Jacek Tyblewski

    Leiter der polnischen Redaktion von „Radio Multikulti“. Berlin, 2004
  • Tomasz Kycia und Jacek Tyblewski

    Im Studio von „Radio Multikulti“. Berlin, 2007
  • Wandtafel von „Radio Multikulti“

    Mit einem polnischen Wörterbuch, einem Sprichwort von Stanisław Jerzy Lec und einem Rezept für Gurkensuppe
  • Krzysztof Visconti

    Im Studio von „Radio Multikulti“. Berlin, 2008
  • Logo von „Funkhaus Europa Radio po polsku”

    2009–2016
  • Monika Sędzierska

    Im Studio von Funkhaus Europa. RBB Berlin, 2011
  • Regieraum und Studio von Funkhaus Europa

    RBB Berlin, 2012
  • Tomasz Kycia

    Im Studio von Funkhaus Europa. RBB Berlin, 2012
  • Adam Gusowski

    Im Studio von Funkhaus Europa. RBB Berlin, 2012
  • Polnische Redaktion von Funkhaus Europa

    Von links: Piotr Olszówka, Maciej Wiśniewski, Marta Przybylik, Adam Gusowski, Jacek Tyblewski, Monika Sędzierska, Dorota Danielewicz, Marta Kupiec. Berlin, 2014
  • Logo von „COSMO“

    2017 bis heute
  • Logo von „COSMO Radio po polsku“

    2017 – ?
  • Neue Studios von Radio COSMO beim RBB

    Berlin, 2017
  • Tomasz Kycia und Monika Sędzierska

    Im COSMO-Studio beim RBB. Berlin, 2017
  • Redaktion von „COSMO Radio po polsku“

    Bei der Vorbereitung einer Sendung im Redaktionsraum. Von links: Monika Sędzierska, Tomasz Kycia, Monika Stefanek. Berlin, 2017
  • Monika Stefanek bei der Tonbearbeitung

    Im Hintergrund Tomasz Kycia. Berlin, 2017
  • Marta Kupiec

    Während einer Aufnahme im COSMO-Studio. Berlin, 2017
  • Monika Sędzierska und Tomasz Kycia

    Während der Aufzeichnung einer Sendung im COSMO-Studio. Berlin, 2017
  • Maciej Wiśniewski

    Im COSMO-Studio. Berlin, 2017
  • Redaktion des Satire-Magazins des Clubs der polnischen Versager in Berlin – Gaulojzes Golana

    Von links: Piotr Mordel, Ewa Lewy, Adam Gusowski. Berlin, 2019
  • Marta Przybylik

    Im Redaktionsraum bei der Arbeit an der Webseite von „COSMO Radio po polsku“. Berlin, 2019
  • Andrzej Kuśpiel

    Während der Aufzeichnung der Sendung „Muzycy mają głos“ (Musiker haben eine Stimme), 2019
  • Grażyna Słomka

    Im COSMO-Studio während der Aufzeichnung einer Filmsendung. Berlin, 2019
  • Andreas Hübsch

    Mit dem COSMO-Mikrofon. Dortmund, 2019
  • Piotr Olszówka

    Während der Aufzeichnung von „Prognoza kultury“ (Kulturvorhersage) im Großen Sendesaal des RBB. Berlin, 2019
  • Journalist:innen von „COSMO Radio po polsku”

    Von links: Marta Przybylik, Maciej Wiśniewski, Adam Gusowski, Monika Sędzierska, Jacek Tyblewski, Tomasz Kycia. Berlin, 2019
  • Redakteur:innen der Sendungen von „COSMO Radio po polsku“

    Von links: Adam Gusowski, Tomasz Kycia, Monika Sędzierska, Maciej Wiśniewski. Berlin, 2019
  • Hauptsitz des Rundfunks Berlin-Brandenburg

    Ansicht von der Masurenallee. Berlin, 2018
  • Eingang zum historischen Haus des Rundfunks

    ..., aus dem die Sendungen von „COSMO [Radio] po polsku“ ausgestrahlt werden. Berlin, 2018
  • Atrium im historischen Gebäude des Hauses des Rundfunks des RBB

    Berlin, 2018
  • Kugelschreiber mit Senderlogos

    Von Multikulti über Funkhaus Europa bis COSMO. Berlin, 2019
  • Wideo: „Tak pracuje COSMO Radio po polsku”. Berlin, 2019 r. 

    Wideo: „Tak pracuje COSMO Radio po polsku”. Berlin, 2019 r.