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Der Sturm und seine polnischen Künstler 1910-1930

Titelseite Der Sturm, 13. Jahrgang, 2. Heft, Berlin 1922, mit einer Zeichnung von Louis Marcoussis (Ludwik Kazimierz Władysław Markus, 1878-1941)

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Titelseite Der Sturm, 13. Jahrgang, 2. Heft, Berlin 1922, mit einer Zeichnung von Louis Marcoussis (Ludwik Kazimierz Władysław Markus, 1878-1941)
Titelseite Der Sturm, 13. Jahrgang, 2. Heft, Berlin 1922, mit einer Zeichnung von Louis Marcoussis (Ludwik Kazimierz Władysław Markus, 1878-1941)

Einen Tag zuvor, am 14. März, hatte Berlewi im Austro-Daimler Autosalon in Warschau seine erste Einzelausstellung mit Arbeiten zur „Mechano-Faktur“ eröffnet (Abb. 27), was zweifellos als Affront gegen die Gruppe Blok zu werten war. Vielleicht war dies der Grund, dass keine weiteren Arbeiten von ihm in der Zeitschrift erschienen und er zur Jahreswende 1924/25 wieder aus der Gruppe ausschied. Aus der Ausstellung sind heute noch Originale erhalten (Abb. 28, 29). Dazu erschien im Verlag der Zeitschrift Jazz, die Berlewi und Wat als Konkurrenz zur Zeitschrift Blok gegründet hatten,[97] das Manifest „Mechano-faktura“.[98] Darin kam Berlewi zu dem Schluss, dass die gegenwärtige Kunst „mit allen Angewohnheiten der parfümierten, perversen, überempfindlichen, hysterischen, romantischen, boudoirmäßigen, individualistischen Kunst von gestern brechen“ und eine „neue Formsprache schaffen“ müsse. Diese solle „für alle zugänglich“ sein und „im Einklang mit dem Rhythmus des Lebens“ stehen. Ausgehend von den Errungenschaften der modernen Malerei, also des Expressionismus, Kubismus und Futurismus, und den inzwischen von Tatlin, Braque, Picasso, Schwitters und anderen entwickelten Material-Reliefs,[99] stellte Berlewi fest, dass die Konzentration der modernen Kunst auf die „Faktur“, also auf die Ausstrahlung der Oberflächen und der verwendeten Materialien in eine Sackgasse geführt habe. Sie habe die Künstler zu immer neuen, „spitzfindigen fakturellen Kombinationen“, zu „Individualismus, Subjektivismus und ästhetischer Überaffiniertheit“ geführt. Gleichzeitig habe die Malerei ihre Zweidimensionalität verloren und sei nun dazu verdammt, stoffliche Oberflächen in einer Art von Illusionismus und ohne realen Nutzen in unendlichen Varietäten zu imitieren. 

Dem setzte Berlewi neue Aufgaben der Kunst entgegen, die mit „jeder Imitation der Gegenstände“ brechen sollte: „Autonomie der Form, Disziplin, Klarheit […] Schematisierung, Geometrisierung, Präzision, die einem jeden das Ordnen der vom Werke empfangenen Eindrücke erleichtert.“ Folge könne nur eine Mechanisierung der künstlerischen Techniken sein, die sich industrielle Verfahren zum Vorbild nehme. Durch die „Mechanisierung der Faktur“, also die mechanische Produktion der künstlerischen Oberfläche, werde nun ein „ganz neues Gestaltungssystem begründet“. Dies betreffe die Mechanisierung der künstlerischen Mittel, jedoch nicht den eigentlichen Schaffensprozess (vergleiche PDF 27). Die technische Gestaltung seiner Arbeiten zur „Mechano-Faktur“ erläuterte Berlewi jedoch nicht. Sie konstituierte sich aus einer Malerei mithilfe perforierter Schablonen, der Verwendung von geometrischen Figuren, der rhythmischen Anordnung von Rastern und Formen und den drei Farben Weiß, Rot und Schwarz. Beeinflussungen von Berlewis Theorie und künstlerischer Gestaltung durch den Suprematismus, den Neo-Plastizismus der niederländischen Gruppe De Stijl und die gleichzeitigen typografischen Entwürfe des Bauhauses, etwa von Herbert Beyer und Joost Schmidt, sind nicht von der Hand zu weisen. 

Nach dem Prinzip der „Mechano-Faktur“ schuf Berlewi eine Reihe ganz unterschiedlicher Arbeiten, von denen zwei durch den Ausstellungs-Katalog der Sturm-Galerie vom Juli 1924 (PDF 26) und den Abdruck des Manifests in der September-Ausgabe der Sturm-Zeitschrift (PDF 27) überliefert sind. Weitere Varianten sind als Repliken vom Beginn der 1960er-Jahre erhalten, als Berlewi im Zuge der beginnenden Op-Art seine Ideen der Zwanzigerjahre neu belebte und in die Techniken des Siebdrucks[100] und der Ölmalerei (Abb. 30) übertrug. Noch 1924 gründete er zusammen mit Wat und einem weiteren futuristischen Schriftsteller, Stanisław Brucz (1899-1978), das Werbebüro Reklama-Mechano, das auch der Verbreitung der neuen gestalterischen Prinzipien durch Werbeprospekte und andere Drucksachen dienen sollte (Abb. 31). 1926 gab er seine theoretische Arbeit an der „Mechano-Faktur“ auf und wandte sich wieder der gegenständlichen Kunst zu. 1927 ging er nach Paris und ließ sich dort nieder. Zwischen 1928 und 1938 unternahm er zahlreiche Reisen nach Belgien und arbeitete als Porträtist. 1942 floh er aus dem von den Deutschen besetzten Paris nach Nizza und schloss sich der Résistance an. 1947 nahm er seine künstlerische Tätigkeit wieder auf und produzierte neobarocke Stillleben. Anlässlich seiner Teilnahme an einer Ausstellung der Pariser Galerie Denise René über die Wegbereiter der abstrakten Kunst in Polen[101] wurde er als Vorläufer der Op-art neu entdeckt, arbeitete wieder an Werken zur „Mechano-Faktur“ und zeigte diese bis zu seinem Tod weltweit in Ausstellungen.[102]

 

[97] Głuchowska 2012 (siehe Literatur), Seite 470

[98] Henryk Berlewi: Mechano-faktura, Warschau: Wydawnictwo Jazz, 1924; Reprint Paris 1962

[99] Ohne sie ausdrücklich zu nennen, meint Berlewi mit dem Begriff „Basrelief“ offensichtlich auch die ab 1912 von Braque und Picasso geschaffenen Papiers collés, Frühformen der Collage, in denen Sand, Stoff, Holz und bedruckte Papiere wie Spielkarten oder Zeitungsausrisse zum Einsatz kamen.

[100] Mechano-Faktur-Konstruktion, 1924/1961. Siebdruck, 61 x 50 cm, Kunstmuseum Bochum, Inv. Nr. 1504; vergleiche auf diesem Portal Axel Feuß: Kunstmuseum Bochum – Die Sammlung polnischer Kunst, Abbildung 4, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/kunstmuseum-bochum-die-sammlung-polnischer-kunst; Biografie und Werkbeschreibung im angehängten PDF, https://www.porta-polonica.de/sites/default/files/asset/document/Text-Feu%C3%9F_Kunstmuseum-Bochum_polnische-Kunst_20150921_v0%207.pdf

[101] Précurseurs de l'art abstrait en Pologne. Kazimierz Malewicz, Katarzyna Kobro, Wladyslaw Strzeminski, Henryk Berlewi, Henryk Stazewski. Ausstellungs-Katalog Galerie Denise René, Paris 1957

[102] Zur Biografie vergleiche U. Leszczyńska, in: Saur Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 9, München, Leipzig 1994, Seite 462 f.; Irena Kossowska: Henryk Berlewi, auf culture.pl (2002, polnisch), https://culture.pl/pl/tworca/henryk-berlewi, (2002/2015 englisch), https://culture.pl/en/artist/henryk-berlewi; Magdalena Tarnowska: Henryk Berlewi, auf Virtual Shtetl (2001), https://sztetl.org.pl/en/biographies/2214-berlewi-henryk; Henryk Berlewi, auf Monoskophttps://monoskop.org/Henryk_Berlewi; Nieszawer 2015 (siehe Literatur), Seite 62-64 / 411