Kulisiewicz, Aleksander
Kulisiewicz, Aleksander Tytus, polnischer Kunstpfeifer, Sänger, Gitarrist, Liederkomponist und Journalist. 1939 aufgrund eines kritischen Zeitungsartikels in das Gefängnis von Cieszyn/Teschen, dann ins Gestapo-Gefängnis Berlin-Alexanderplatz eingeliefert. 1940 im KZ Sachsenhausen interniert. Dort komponiert er 46 Lieder. Nach der Befreiung durch die sowjetische Armee diktiert er im Krankenhaus aus dem Gedächtnis auf über 700 Seiten Gedichte und Lieder aus dem KZ. Später sammelt er als Journalist Erinnerungen ehemaliger Lagerhäftlinge an Musik und Gesang in den Konzentrationslagern. 1965-81 tritt er international, auch in der DDR und der BRD, als Sänger auf und präsentiert Lieder aus den nationalsozialistischen Lagern. *7.8.1918 Krakau, †12.3.1982 ebenda. Sohn des Gymnasiallehrers, Regisseurs regionaler Theatergruppen, Heimatdichters und Liederkomponisten Franciszek K. (1888-1971) und der Musiklehrerin Izabela, geborene Bromowicz (1896-1923). Ab 1925 wächst K. in Karwin auf, lernt Deutsch, Tschechisch und Ungarisch, spielt Geige, entwickelt eine Vorliebe für Volkslieder, besonders für die Musik der Sinti und Roma. Bereits mit acht Jahren tritt er als Geiger und „kleiner Primas“, ab 1926 als Kunstpfeifer in einem sogenannten Zigeuner-Ensemble und auf kleinen Bühnen auf. 1933 siedelt die Familie nach Cieszyn/Teschen über; K. komponiert erste Lieder, darunter einen Tango für Gesang und Violine. 1935/36 Abitur, Balkanreise. Ab 1936 Jura-Studium in Krakau. Hier schließt er sich einem Studenten-Ensemble an, geht auf Tournee, übernimmt Stücke des deutschen Komponisten Hanns Eisler (1898-1962) und der Berliner Agitprop-Truppe Rote Rakete. 1938 nimmt er in Wien Unterricht im Kunstpfeifen und Jodeln, schließt sich wieder in Krakau als pfeifender Clown einem Wanderzirkus an und tritt in Kattowitz im Rundfunk auf. Als er 1939 in einer Wochenschrift in Cieszyn gegen die politische Annäherung Schlesiens an Deutschland agitiert, wird er von deutschen Sicherheitskräften im Gefängnis von Cieszyn inhaftiert, 1940 über Breslau in das Gestapo-Gefängnis Berlin-Alexanderplatz und im Mai des Jahres in das KZ Sachsenhausen verschleppt. Dort schafft er 46 Liederkompositionen, teils durch Bearbeitung älterer Melodien oder Texte und dokumentiert Lieder von Mitgefangenen, die – ebenso wie eine Vielzahl von Gedichten – den Lageralltag reflektieren. Als Sänger tritt er bei geheimen Kulturveranstaltungen der polnischen, aber auch der tschechischen und deutschen Gefangenen auf. Im Mai 1945 wird K. auf einem Todesmarsch von der sowjetischen Armee befreit. Nach seiner Rückkehr nach Krakau im Juli 1945 mit Tuberkulose im Krankenhaus, diktiert er aus der Erinnerung auf über siebenhundert Seiten Lieder und Gedichte aus dem KZ Sachsenhausen. Später Chefredakteur und Journalist verschiedener polnischer Zeitungen (1945-46 Dziennik Polski; 1947-53 in Prag als Berichterstatter für polnische Zeitungen; 1955-78 Dokumentacja prasowa, Warschau), beginnt er auf seinen Reisen in Polen und anderen osteuropäischen Ländern Erinnerungen von Häftlingen und Materialien über „Musik und Gesang in faschistischen Konzentrationslagern 1933-1945/Muzyka i pieśni w hitlerowskich obozach koncentracyjnych 1933-1945“ zu sammeln, woraus ein über zweitausend Seiten umfassendes, bislang unveröffentlichtes Manuskript entsteht. „Seine Sammlung gilt als größtes Privatarchiv zur Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager.“ (Juliane Brauer) 1965-81 tritt K. in der DDR und der BRD, in Italien, Großbritannien und den USA als Sänger auf und präsentiert zur Gitarre Lieder aus den nationalsozialistischen Lagern. 1967 Auftritt beim Festival „Das engagierte Lied“ in Waldeck, 1968 in Essen bei den „Internationalen Songtagen“, 1972 in Ostberlin beim „Festival des politischen Liedes in der DDR“.