Die „Displaced Persons“ (DPs)

Polnische Displaced Persons in Deutschland (hier ehemalige Zwangsarbeiter) auf dem Dach eines Wagons an einem Sammelpunkt  für DP´s am 3. Juli 1945.
Polnische Displaced Persons in Deutschland (hier ehemalige Zwangsarbeiter) auf dem Dach eines Wagons an einem Sammelpunkt für DP´s am 3. Juli 1945.

Anfangs hielten sich die „DPs“  in Übergangslagern auf. Ein Teil entschloss sich zur Emigration, ein anderer dagegen blieb in Deutschland. Von Anfang an bildeten die polnischen DPs organisatorische Strukturen. Nach 1951 war der „Verband der Polnischen Flüchtige“ (Zjednoczenie Polskich Uchodźców) mit Sitz in Velbert die bedeutendste Repräsentanz. Diese Organisation arbeitete unter schwierigen Bedingungen. Es gab Beschattungsversuche von Seiten der kommunistischen Geheimdienste. In den 1950er Jahren entfaltete sie zahlreiche Aktivitäten. Später nahm ihr Wirken auf Grund weiterer Emigration oder geringerer politischer Aktivität ihrer Mitglieder ab.

Das Kriegsende veränderte in der Lage der Polen in Deutschland grundlegend. Auf Grund der Grenzveränderungen fand sich der Großteil der ehemaligen polnischen Minderheit Deutschlands, die autochthone Bevölkerung Oberschlesiens und Masurens nun im polnischen Staatsgebiet wieder. Die polnischen Zentren in Deutschland lösten sich teilweise auf. Es gab auch ernstzunehmende demographische und materielle Verluste. Man schätzt, dass in allen Besatzungszonen ca. 150 000 Polen, frühere deutsche Staatsbürger, lebten (darunter 50 000 in der sowjetischen Besatzungszone). Die Besatzungsmächte behandelten diese Bevölkerungsgruppe wie Deutsche, indem sie sie als „Deutsche mit polnischem Migrationshintergrund” bezeichneten. Dies erschwerte das Wiederbeleben polnischer Organisationen, die von der sogenannten „alten Emigration” gegründet wurden. Dieser Terminus entstand, um die Gruppe der sogenannten „neuen Emigration“ von ihr zu unterscheiden. Zur neuen Emigration zählten vor allem ehemalige Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Soldaten der polnischen Streitkräfte im Westen. Die Besatzungsmächte gaben ihnen den Status von „heimatlosen Ausländern“ (Displaced Persons, DPs) und brachten sie in speziellen Lagern oder Siedlungen unter, in denen es keine deutschen Bewohner mehr gab (z. B. Wildflecken, Hohenfels, Emmerich, Haren). Diese Lager wurden von der UNRRA organisiert und geleitet bzw. am 1. Juli 1947 von der Internationalen Flüchtlingsorganisation IRO übernommen. Ihre Ziele waren, bessere Verhältnisse zur Kontrolle der Flüchtlinge und zur Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung usw. zu schaffen. Sie sollten auch die zukünftige Repatriierung erleichtern.

Zu Beginn wurden alle DPs in Lagern untergebracht. Diese Situation änderte sich in den nächsten Jahren, nachdem einige der Bewohner Arbeit fanden, heirateten und außerhalb der Lager wohnten. Gegen Ende der vierziger Jahre wohnten zwischen 25 % (britische Besatzungszone) und 30 % (amerikanische Besatzungszone) außerhalb der Lager. Dagegen wohnten Dreiviertel der polnischen DPs in der französischen Besatzungszone in privaten Häusern. In den Lagern selbst wählten die Besatzungsmächte Kommandeure aus, die ihnen rechenschaftspflichtig waren. Dies waren meistens ehemalige kriegsgefangene Offiziere. Den Kommandeuren standen in den Lagern gegründete Selbstverwaltungen zur Seite. Diese kümmerten sich auch um das kulturelle Leben und die Bildung der DPs, wie auch um die Verteilung der von Betreuungsorganisationen zugeteilten Hilfsmittel. Für die Einhaltung der Lagerordnung war eine dem Kommandeur unterstehende Polizei zuständig. Zu ihren Pflichten zählte auch die Unterstützung der Besatzungsmächte und der deutschen Polizei bei der Aufklärung von Verbrechen, die von Lagerbewohnern begangen worden waren.

Die polnischen Behörden strebten eine gänzliche Repatriierung der Kriegsverschleppten und Erwerbsemigranten an. Am vollständigsten wurden diese Pläne in der sowjetischen Zone durchgesetzt, in der die Repatriierung zwangsweise erfolgte. Bis Ende 1946 kehrten dort alle DPs nach Polen zurück, und bis 1949 20 00 Angehörige der „alten Emigration“. In den westlichen Zonen, in denen die Repatriierung zwar unterstützt, aber nicht erzwungen wurde, ging dies nur schleppend voran. Auf Grund des eingeführten kommunistischen Regimes weigerte sich eine beträchtliche Anzahl der Polen zurückzukehren. Überwiegend emigrierten sie weiter nach Westen. Der Rest siedelte sich in Westdeutschland an.

Den Statistiken der UNRRA nach waren im Mai 1945 922 088 polnische DPs in den westlichen Zonen registriert. Infolge der Rückkehr ins eigene Land oder der weiteren Emigration (Niederlande, Belgien, USA, Kanada, Australien, Großbritannien u. a.) wurde ihre Zahl stetig kleiner. 1946 waren es 422 000, Anfang 1948 210 000 und bei Gründung der Bundesrepublik Deutschland (September 1949) 113 000. Den IRO Statistiken zufolge befanden sich am 1. Juli 1950 80 354 polnische DPs und polnische Nachkriegsflüchtlinge auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Die Daten von 1. Oktober 1951 sprachen sogar von 120 000 Personen.

1951 überließ die IRO die Angelegenheit der Displaced Persons der Regierung der Bundesrepublik. Diese Entscheidung beendete den damaligen Nachkriegszustand. Der erste Schritt der Bundesregierung war die Auflösung der Flüchtlingslager und die Festlegung des rechtlichen Status dieser Gruppe. Am 25. April 1951 verabschiedete der Bundestag das Gesetz über die Rechtsstellung der „heimatlosen Ausländer“ im Bundesgebiet. Seitdem wurden DPs wie Ausländer behandelt, die den Schutz des deutschen Rechts nutzen konnten. Man garantierte ihnen Religionsfreiheit und die Möglichkeit, Privatschulen zu gründen. Juristisch unterlagen sie den deutschen Gerichten und waren dazu verpflichtet, die Rechtsordnung der Bundesrepublik zu respektieren. Ein anderer wichtiger Artikel dieses neuen Gesetzes war die Verpflichtung seitens der Bundesregierung, keine Ausländer auszuliefern, die in ihrem Heimatland auf Grund ihrer politischen Überzeugungen gefährdet waren. Ihre Betreuung garantierte die deutsche Regierung. Ähnliche Berechtigungen erhielten z. B. politische Flüchtlinge aus Polen, die seitdem politisches Asyl beantragen konnten. Von diesem Beschluss profitierten weitere Wellen polnischer Emigranten.

Die „DPs” gründeten nach 1945 viele Organisationen. Sie waren jedoch aufgrund der stetigen Abwanderung von Polen aus Deutschland und der zahlreichen personellen und politischen Auseinandersetzungen im Spannungsfeld zwischen der Londoner Exilregierung und der kommunistischen Regierung in Polen relativ schwach und anfällig für Spaltungen. Anfangs existierten separate Strukturen in den einzelnen Besatzungszonen (1945 in der britischen Zone „Główna Komisja Porozumiewawcza Środowisk Polskich / Hauptkommission zur Verständigung polnischer Kreise“; in der amerikanischen Zone der „Zjednoczenie Polskie / Polnische Vereinigung“; in der französischen Zone die „Powiatowe Ośrodki Polskie / Polnische Kreisstadtzentren“). 1946 wurde die „Zjednoczenie Polskie w Niemczech / Polnische Vereinigung in Deutschland“ ins Leben gerufen, die eine Dach- und Vertretungsorganisation der polnischen DPs gegenüber den Besatzungsmächten und Hilfsorganisationen (UNRRA, IRO) war. Auf Grund von inneren Konflikten Ende der 1940er Jahre berief man 1951 an Stelle der „Polnischen Vereinigung in Deutschland“ den „Zjednoczenie Polskich Uchodźców / Verband der Polnischer Flüchtlinge“ (ZPU) mit Sitz in Velbert. Dieser hatte einen unabhängigen Charakter, ca. 5 000 Mitglieder und wurde von der polnischen Exilregierung anerkannt. Der erste Vorsitzende war Janusz Zawalicz-Mowiński. Presseorgan war der in Quakenbrück herausgegebene „Polak”. Der „Verband der Polnischen Flüchtlinge“ teilte sich in vier Kreise und innerhalb dieser Kreise in weitere Unterkreise (Ogniska). Diese Organisation beschäftigte sich hauptsächlich mit Fragen der aktuellen Existenz (Arbeitsvermittlung, Rechtsbeistand, Bemühungen um Entschädigung für die Zwangsarbeit und den Aufenthalt in Konzentrationslagern, Bildungswesen). Der „Verband Polnischer Flüchtlinge“ unterstützte auch die weitere Emigration von Polen, obwohl dies die Organisation an sich schwächte. In den 1960er und 1970er Jahren geriet die Organisation in eine Krise, die Mitgliederzahl schrumpfte. Ab 1989, als die Arbeit des „Verbandes der polnischen Flüchtlinge“ endgültig zum Erliegen kam, blieben nur noch einige Unterkreise, u. a. in Bayern, aktiv.

Andere Organisationen der DPs waren der „Verein der Polnischen Kriegsveteranen“ sowie der „Polnische Bund ehemaliger politischer Gefangener deutscher Konzentrationslager“. Es entstanden auch Zweigstellen politischer Parteien, wie der „Polska Partia Socjalistyczna / Polnische Sozialistische Partei“ (ab 1946), des „Stronnictwo Ludowe „Wolność“ / Polnische Bauernpartei „Freiheit“ (ab 1947), des „Polskie Stronnictwo Ludowe / Polnische Bauernpartei“ (Befürworter von Stanisław Mikołajczyk), des „Stronnictwo Narodowe / Nationalpartei“ und des „Stronnictwo Pracy / Arbeitspartei“. Allerdings zählten sie nur wenige Mitglieder und existierten am Rande der Hauptströme polnischer Aktivitäten in Deutschland.

Von 1945 bis 1950 gab es im DP-Umfeld 260 Volks- und Mittelschulen (15 700 Schüler), es wurden über 400 Zeitschriften herausgegeben, sehr zahlreich waren die Chöre, Amateurtheater und Orchester. In den 1950er Jahren trat ein Rückgang ein, der mit der Auflösung der Flüchtlingslager, der Zerstreuung der DPs, ihrer Integration oder weiteren Emigration in Zusammenhang stand. Dies wurde von einem Rückgang des Einflusses des „Verbandes der Polnischen Flüchtlinge“ und inneren Konflikten begleitet, die an der Wende der 1960er und 1970er Jahren zu Spaltungen in der Organisation führten.


Krzysztof Ruchniewicz, Juni 2014

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