„Ich war in einem Konzentrationslager“: Zbigniew Muszyński
Im Frühjahr 1944, als die sowjetische Armee das Gebiet von Wolhynien wieder einnahm, überquerte Zbigniew mit den Partisanen den Fluss Bug und ging in polnische Gebiete. Unter Beschuss breiteten sich die Partisanen aus, jeder versuchte, Polen auf eigene Faust zu erreichen. Diejenigen, die nach rechts gingen, wurden von den Ukrainern verraten und gerieten in einen deutschen Hinterhalt. Zbigniew ging mit zwei erbeuteten Pferden nach links und schlug sich bis zu seiner Schwester nach Hrubieszów (Grubeschow) durch.
Von Grubeschow aus reiste er weiter nach Warszawa (Warschau), wo die Polnische Heimatarmee den Menschen in einem Lagerhaus in der Nähe der Marszałkowska-Straße notwendige Dokumente und Arbeit besorgte. Hier erfuhr er, mit wem er sprechen konnte, wem er vertrauen konnte und wer ein Verräter war. Die Heimatarmee schlug ihm zunächst vor, ihn zu Partisanen in den nahe gelegenen Wäldern zu schicken, – aber Zbigniew wollte Warschau sehen. Er wohnte im Haus der katholischen Ursuline-Schwestern in der Dobra-Straße im Stadtteil Powiśle. Am Tag vor dem Warschauer Aufstand traf er seinen Freund Janusz Słotkowski, einen Partisanen aus Bielin.
Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand. Zbigniew wurde der Gruppe Krybar der Heimatarmee im Bezirk Powiśle zugeteilt. Unter dem Pseudonym "Der Kleine" kämpfte er bis zum letzten Tag vor der Kapitulation von Powiśle. Sein Posten befand sich bei den Ursulinen-Schwestern in der Dobra-Straße im obersten Stockwerk und seine Aufgabe war es, die Kierbedzia-Brücke zu beobachten, die von den Deutschen kontrolliert wurde. Zbigniew war als 18-Jähriger der älteste der Beobachter und kommandierte seine jüngeren Mitstreiter. Durch einen Kurier, der vom Hauptquartier des Bezirks Krybar im Kraftwerk eintraf, legte er täglich Berichte ab neuesten über die Bewegungen auf der Brücke. Zu anderen Zeiten war er selbst als Kurier im Altstadtviertel und im Stadtteil Mariensztat tätig (hierbei wurde er fast erschossen). Er sammelte auch Gegenstände ein, die aus alliierten Flugzeugen abgeworfen wurden, und kämpfte auf dem Posten in der Dobra-Straße.
Die polnischen Widerstandskämpfer des Warschauer Aufstands lasen das Nachrichtenbulletin der Polnischen Heimatarmee und hörten den polnischen Radiosender. Eines Tages sahen sie vereinzelte englische Flugzeuge. Manchmal transportierten englische Flugzeuge Waffen und Lebensmittel für die polnischen Widerstandskämpfer und Zivilisten aus Großbritannien oder Italien, die sie über den umkämpften Gebieten abwarfen. Eines der Flugzeuge flog von der Poniatowski-Brücke in Richtung der Kierbedzia-Brücke. Es hat nichts abgeworfen, da es vorher von den Deutschen abgeschossen wurde. Zbigniew sah das Flugzeug auf der deutschen Seite der Brücke abstürzen.
Die russische Armee stand auf der anderen Seite des Flusses und beobachtete das Feuer und die Kämpfe in der Stadt. Stalin erlaubte den englischen und amerikanischen Flugzeugen nicht, auf der sowjetischen Seite der Stadt zwischenzulanden, um den Warschau zu unterstützen. Eines Tages schwammen Soldaten der Polnischen Streitkräfte in der Sowjetunion (der so genannten Berling-Armee) über die Weichsel zu den umkämpften Stadtteilen, um den Aufständischen zu helfen. Sie fragten die Soldaten der Polnischen Heimatarmee, welche Art von Waffen sie für den Angriff auf die deutschen Panzer hätten. Als Zbigniews Männer ihnen ihre „Molotow-Cocktails“ zeigten, sagten sie: „Leckt uns am Arsch“ und kehrten unverrichteter Dinge auf demselben Weg auf ihre eigene Seite zurück.
Die Ursulinen-Schwestern pflegten die Kinder und die Verletzten und versorgten alle Hungrigen während des Aufstands. So war Zbigniew am Ende der Kämpfe vergleichsweise gut genährt. Er sagte, er sei Anästhesist gewesen, d. h. er habe geholfen, indem er die Patienten während der Operation ohne Narkose festhielt. Er half auch beim Löschen von Bränden nach den deutschen Bombenangriffen.
Die Zivilbevölkerung bewegte sich während des Aufstands im Untergrund durch die Keller, Kanalisationen und Mauerdurchbrüche und hatte sich u. a. von den Ursulinen-Schwestern in Richtung Poniatowski-Brücke gegraben. Als an einer Stelle in den engen Korridoren ein Stau entstand, bat man Zbigniew um Hilfe, da er ein Gewehr (mit einer einzigen Patrone) hatte. Man ließ ihn nach vorne, und es stellte sich heraus, dass in einem Raum eine Frau mit einem großen Hund saß und niemanden durchlassen wollte. Er befahl ihr, sich und ihren Hund zu entfernen. Er ging weiter und traf am Ausgang des Kellertunnels auf drei Deutsche, die den Zivilisten alles stahlen, was sie bei sich trugen, ihre Uhren und Ringe mitnahmen. Der Platz war mit Hunderten von Zivilisten gefüllt. Zbigniews Kollege erschoss einen der deutschen Soldaten, der andere hielt eine Handgranate in der Hand. Zbigniew zielte mit seinem Gewehr auf ihn. Keiner von beiden schoss, da zu viele Zivilisten in der Nähe waren. Plötzlich flog ein deutsches Flugzeug ein und warf in der Nähe, rechts, eine Bombe ab. Die Deutschen flohen und die Zivilisten rannten auseinander, um Schutz zu suchen.
Auf der rechten Seite der Karowa-Straße befand sich das Krankenhaus. Die Polnische Heimatarmee befahl die Evakuierung der Verwundeten aus dem Krankenhaus der Ursulinen-Schwestern in die Karowa-Straße. Zbigniew und seine Kollegen verlegten die Patienten, mussten sie aber auf den Platz vor dem Gebäude stationierten, da es nicht genug Platz im Inneren gab. Dort liegend, flehten viele der Kranken und Verletzten, sie zu töten.
Die Partisanen verteidigten sich bis zur letzten Kugel und zeigten großen Heldenmut bei der Verteidigung des Kraftwerks, das regelmäßig von den Deutschen bombardiert wurde. Die Widerstandskämpfer ergaben sich erst nach dem Befehl der Polnischen Heimatarmee vom 7. September 1944. Sie gingen auf den Platz und übergaben ihre restlichen Waffen, woraufhin die Deutschen ihnen befahlen, sich in Richtung Bahnhof zu begeben. Zbigniew und viele andere wurden in ein Übergangslager in Pruszków gebracht, von wo aus die Deutschen die gesamte Gruppe von Powiśle in Güterwagen verladen haben. Man sagte ihnen, dass sie nach Wien gebracht werden würden. Ein paar Tage später kamen sie im Konzentrationslager Dachau an.
Nach der Kapitulation sollten die Soldaten der Polnischen Heimatarmee behandelt werden wie Kriegsgefangene. In der Zwischenzeit wurden sie behandelt wie Banditen.