Polnische Malerei vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.

Blick in die Ausstellung im Museum Folkwang, Essen 1962, u. a. mit der Phantastischen Komposition von Stanisław Ignacy Witkiewicz (1885-1939), 1915-1920 (2. v. r.)
Blick in die Ausstellung im Museum Folkwang, Essen 1962, u. a. mit der Phantastischen Komposition von Stanisław Ignacy Witkiewicz (1885-1939), 1915-1920 (2. v. r.)

ZU GAST IN DER BUNDESREPUBLIK
 

Wenn die Ausstellung eine Propagandaschau war, dann weniger eine des polnischen Kulturministeriums als der Firma Krupp und der Essener Stadtväter. In einer Zeit, in der die wenig konstruktive Bonner Polenpolitik zunehmend an Rückhalt verlor, boten Initiativen wie die Folkwang-Ausstellung willkommene Gelegenheit, sich demonstrativ als Wegbereiter polnisch-westdeutscher Annäherung in Szene zu setzen. So wurde die Schau nicht nur zu einem persönlichen Triumph für Berthold Beitz und ein PR-Erfolg für die Firma Krupp, sondern auch als Plattform politischer Selbstdarstellung vereinnahmt. Wenn man auch zweifeln mochte, ob Kultur ein wirksames Mittel politischer Annäherung sein konnte, so ließ sich mit ihr zweifellos ausgezeichnet politisieren. Mehr noch als für die Ausstellung selbst gilt dies für die Besuche von Kurator Kozakiewicz (6.–21.12.1962) und Direktor Lorentz (2.–17.2.1963) in der Bundesrepublik.

Kozakiewicz blieb nicht verborgen, dass die Ausstellung und seine Reise von Krupp und der Stadt Essen „dazu benutzt werden sollten“, deren Engagement in Sachen deutsch-polnischer kultureller Annäherung „zu demonstrieren“ (Bericht Kozakiewicz, AMNW; bezeichnenderweise verwendete er das pejorative Verb „wyzyskać“, „ausnutzen“). In der Tat hatten Beitz, Hundhausen und die Stadt Essen nichts dem Zufall überlassen und ein dichtes Besuchsprogramm organisiert, das zu einem veritablen Parforce-Ritt durch Pressetermine und Begegnungen mit bundesdeutscher Prominenz aus Kultur, Wirtschaft und Politik geriet (der Ablaufplan hat sich im AMF erhalten). In Kozakiewicz’ Bericht liest sich dies so: „Das Programm sah einen Besuch beim Oberbürgermeister von Essen im Rathaus vor, […] einen Empfang anlässlich der Ausstellungseröffnung, einen Besuch in München im Bayerischen Kultusministerium und beim Stadtrat, einen Empfang durch den Hamburger Stadtrat, den Bremer Stadtrat, sowie Besuche Kölns, Bonns und Stuttgarts. Aus dem Programm gestrichen wurde der vorgesehene Besuch beim Stadtrat in München und Bremen, dafür kam eine Einladung in Essen zum Mittagessen im Privathaus von Herrn Beitz hinzu und zum Tee in die Villa Hügel beim Nestor der Familie Krupp, Tilo von Wilmowsky, sowie in Stuttgart beim Kultusminister von Württemberg und beim ehemaligen Bundespräsidenten Heuss. Ich war auch zweimal privat im Haus von Dir. Hundhausen. Aus verschiedenen Gesprächen weiß ich, dass die Anregungen zu diesem Programm in hohem Maße von Herrn Beitz kamen (mit Sicherheit der Besuch bei Prof. Heuss), in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Essen.“ (Ebd., Übers. RW)

Die Ausstellungseröffnung am 15. Dezember mit 500 Gästen einschließlich ranghoher Amts- und Würdenträger aus Stadt und Land „war sehr feierlich“, mit Ansprachen, Streichquartett und riesigen weiß-roten Blumenbuketts auf dem Podium (ebd.). Zur Pressekonferenz erschienen rund 40 Journalisten; weitere Presse-, Radio- und Fernsehinterviews für verschiedene Zeitungen und Rundfunkstationen folgten.

Beitz und Hundhausen waren sichtlich bemüht, im Verein mit der Stadt Essen ihre Überzeugungsarbeit gegenüber Polen fortzusetzen und ihren Gästen vor Augen zu führen, dass die Mehrheit der Bundesbürger einer Annäherung an Polen positiv gegenüber stehe und die nach wie vor vernehmbaren revisionistischen Töne nicht repräsentativ seien. Während sich Beitz diesmal mit dezidiert politischen Stellungnahmen zurückhielt, äußerte sich Hundhausen, nach Kozakiewicz’ Bericht, umso unverblümter. Beim Empfang im Essener Rathaus erklärte er „klar und ausdrücklich, unter Zustimmung der beiden höchsten Vertreter der Stadt [i. e. OB Wilhelm Nieswandt und Oberstadtdirektor Friedrich Wolff, beide SPD], es sei gut, dass eine Stadt wie Essen ihre eigene ‚Außenpolitik‘ betreibe ähnlich der Politik der Firma Krupp; diese Politik gegenüber Polen widersetze sich zurecht der von Bonn vertretenen Politik; man müsse endlich Schluss machen mit dem Gespenst der Hallstein-Doktrin, mit Polen diplomatische Beziehungen aufnehmen und die Grenze an Oder und Neiße anerkennen; er meint, dass durch einen weiteren Ausbau des Kulturaustauschs hilfreiche Grundlagen für eine solche Politik entstünden; er vertraut darauf, dass die gegenwärtigen Veränderungen in der Bundesregierung günstig sind, aber dass weitere positive Entwicklungen nach dem Abtritt Adenauers folgen können, was seiner Meinung nach schon bald sein wird.“ (Ebd.)

Carl Hundhausen, nach dem Zweiten Weltkrieg von der Firma Krupp beauftragt, das beschädigte Ansehen des Unternehmens wiederherzustellen, ließ seinen Charme offenkundig auch gegenüber Kozakiewicz erfolgreich spielen. Bei seinem Gast jedenfalls hinterließ er den Eindruck, „ein aufrichtiger Freund Polens und treuer Anwalt einer Annäherung zwischen der Deutschen Bundesrepublik und Polen“ zu sein, und nebenbei habe er ihm unter vier Augen anvertraut, er, Hundhausen, sei sich gar nicht so sicher, ob das kapitalistische oder das kommunistische Wirtschaftssystem das bessere sei. (Ebd.)

Nicht überall wurde so offen politisiert wie beim Empfang im Essener Rathaus. Kozakiewicz vermerkt in seinem Bericht sorgfältig, wo von „politischer“ und wo lediglich von „kultureller“ Annäherung gesprochen wurde, und beobachtet u. a., dass im Unterschied zu Essen, Hamburg und Stuttgart sich insbesondere „die Vertreter der Stadt München und des Landes Bayern Akzente politischer Natur enthielten“ (ebd.).

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