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Józef Brandt

Bolesław Szańkowski (1871/73-1953): Porträt Józef Brandt, 1910. Öl auf Leinwand, 162 x 112 cm, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie, Inv. Nr. MP 961

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Bolesław Szańkowski (1871/73-1953): Porträt Józef Brandt, 1910.
Bolesław Szańkowski (1871/73-1953): Porträt Józef Brandt, 1910. Öl auf Leinwand, 162 x 112 cm, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie, Inv. Nr. MP 961

Das Gemälde „Befreiung der Gefangenen“ (1878, Abb. 25), schildert eine Begebenheit aus der Zeit des Überfalls der Krimtataren auf Polen-Litauen im Frühjahr 1624, und zwar die Schlacht von Martynów, während der General Stanisław Koniecpolski (1590/94-1646) polnische Kriegsgefangene, denen die Sklaverei im Osmanischen Reich (poln. jasyr) droht, aus den Händen der Tataren befreit. Die durch Pulverdampf akzentuierte Kampfhandlung platziert Brandt in der Mitte des Gemäldes. Sein eigentliches Interesse gilt jedoch auch diesmal der motivreichen Szene im Vordergrund. Sie zeigt aus dem Bild fliehende, orientalisch gekleidete Tataren, rechts daneben ihre primitiven Wagen und Zelte, in deren Nähe diesmal nicht nur Pferde, sondern auch bepackte Kamele stehen. Das Gemälde „Markt in Balta“, das ebenfalls drei Meter in der Breite misst und nur aus Fotografien bekannt ist, zeigt eine Szene aus der im 16. Jahrhundert von Tataren gegründeten und von zahlreichen Ethnien bewohnten ukrainischen Stadt in einer ähnlichen, jedoch spiegelverkehrten Komposition. Auf der bloßen Erde beschäftigte Figuren, Reiter, rastende Pferde und mit bunten Teppichen bedeckte Zelte bilden, diesmal am linken Bildrand, die Hauptmotive vor einer aus dem Morgennebel auftauchenden Mühlenlandschaft.

Motive wie diese verleiten dazu, Brandt in die Nähe der Orientalisten, also der Orientmaler seit Eugène Delacroix (1798-1863), in Frankreich vor allem Jean-Léon Gérôme (1824-1904), in Deutschland unter anderem Adolf Schreyer (1828-1899) und Gustav Bauernfeind (1848-1904), zu rücken. Zeitgenössische Sammler in Deutschland, England und den USA haben Brandts orientalisch geprägte Szenen wegen ihrer „Exotik“ geschätzt.[46] Für Brandt und zahlreiche andere polnische Maler, die sich mit diesem Themenkreis, also Schlachten- und Reiterszenen aus der polnischen Geschichte des 17. Jahrhunderts und den Kämpfen der Polen mit Tataren, Türken und unter Beteiligung der Kosaken, beschäftigt haben, sind diese Motive ein Beitrag zu einer identitätsstiftenden, national-polnischen Malerei. Die Rückbesinnung auf die Vergangenheit der zwischen 1569 und 1795 bestehenden polnischen Adelsrepublik, deren Herrschaftsgebiet sich bis zu den multi-ethnisch geprägten Grenzgebieten zum Osmanischen Reich erstreckt hat, soll in der Zeit der Teilungen Polens auf das Ziel der Errichtung eines neuen polnischen Nationalstaats hinweisen.[47]

Es sind die Monumentalgemälde, die Brandts Ruhm begründen. Während der Wiener Weltausstellung 1873 wird er für die „Schlacht bei Wien“ mit einer Kunstmedaille ausgezeichnet. Die Stadt Wien kauft das Gemälde an und macht es Erzherzogin Gisela, der Tochter Kaiser Franz Josephs I., zum Geschenk.[48] 1875 erwirbt die Berliner Nationalgalerie ein kleinformatiges Ölbild mit dem Titel „Podolisches Dorf“, 1878 „nach Bestellung“, also möglicherweise als Auftragsarbeit, ein Gemälde „Tataren-Kampf“, bei dem es sich nach der Beschreibung und den Größenangaben um die in diesem Jahr entstandene „Befreiung der Gefangenen“ (Abb. 25) gehandelt haben muss.[49] 1877 wird Brandt zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste in Berlin gewählt,[50] 1878, wie bereits erwähnt, zum Honorarprofessor der Münchner Akademie der Bildenden Künste ernannt. Die in den Jahren zwischen den Monumentalgemälden entstandenen klein- und mittelformatigen Bilder ermöglichen es gut situierten Käufern, Motive zu den in der Öffentlichkeit bekannt geworden großen Themen des ruhmreichen Malers für die eigenen vier Wände zu erwerben.

 

[46] Ewa Micke-Broniarek: Alfred Wierusz-Kowalski (2004, polnisch), auf culture.pl, online: http://culture.pl/pl/tworca/alfred-wierusz-kowalski (aufgerufen am 26.11.2017). Anna Baumgartner beschäftigt sich mit der Kategorie des Exotischen, ohne auf die Orientmaler einzugehen: Überlegungen zur „Exotik“ in der Malerei um Józef Brandt/“Egzotyka“ a malarstwo Józefa Brandta i jego kręgu – próba definicji pojęcia, in: Ausstellungs-Katalog Suwałki 2015 (siehe Literatur), Seite 33-35

[47] Anna Baumgartner: Über die Bildwelten Józef Brandts/Świat obrazów Józefa Brandta, ebenda, Seite 52, und weiter: „Bis heute wirken ihre Visualisierungen der polnischen Geschichte, die wiederum in enger Verbindung zur Dichtung der polnischen Romantik zu sehen sind, in Polen stark nach und sind Teil des kollektiven Gedächtnisses.“

[48] Katalog National-Galerie Berlin 1883 (siehe Anmerkung 37), Seite 24

[49] Ebenda, Seite 19, 172 f.

[50] Akademie der Künste, Bildende Kunst, Mitglieder, Joseph von Brandt, online:  https://www.adk.de/de/akademie/mitglieder/index.htm?we_objectID=53863 (aufgerufen am 20.11.2017). Wann und wie die in Wien und Berlin befindlichen Gemälde wieder verkauft und in die Warschauer Museen gelangt sind, ist bislang nicht bekannt.