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Jan Aleksander Karon

Jan Karon
Der Journalist Jan Karon

Jan Karon stammt aus einer sehr politischen Familie. Daheim wurde viel gesprochen: über Stalin und den Kommunismus, den Holocaust und den Kniefall Willy Brandts, die Volksrepublik Polen, Lech Wałęsa und die Freiheiten der EU. Man sprach über Radio „Freies Europa“ und lachte über Witze von Radio Eriwan. Vor allem diskutierte man über die Ironie, dass es die Familie nach Deutschland verschlagen hatte, also das Land der Täter, in das Karons Vater 1984, die Mutter 1988 aus einem zunehmend als zermürbend erlebten Staatssozialismus ausgereist waren. In der polnischen Heimat sahen sie als ambitionierte Menschen keine Perspektive. Insbesondere nachdem der „stan wojenny“ verhängt wurde, das polnische Kriegsrecht, das ab 1981 die Solidarność delegetimierte. An eine Karriere war in Polen damals nicht zu denken.

Das bedeutet nicht, dass der Neustart im marktwirtschaftlich orientierten West-Deutschland den Eheleuten Karon leichtfiel. Gerade in der Anfangszeit gingen sie eher schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs in der Gastronomie oder als Erntehelfer auf Weingütern nach. Wie viele Einwanderinnen und Einwanderer fanden sie zudem die deutsche Sprache nicht gerade einfach zu erlernen. Durch den Willen zur Integration und neue Bekanntschaften mit Deutschen, die sie in Rheinland-Pfalz offen empfingen, fanden sie jedoch relativ schnell Anschluss. Vom Wunsch beseelt, ihre Chancen in der neuen Heimat zu nutzen, biss sich das Paar durch und schaffte den wirtschaftlichen Aufstieg: sie als Bankkauffrau, er als Maschinenbauingenieur.

Jan Karon, der 1992 in Ludwigshafen zur Welt kam und als Einzelkind in Oggersheim aufwuchs, erkannte in seiner Jugend, wie sehr sich seine Eltern darum bemühten, ihm ein gutes Leben zu ermöglichen. Jan Karon wollte vielleicht genau deswegen später einmal einen Beruf ausüben, in dem er keinen täglichen Zwang empfindet, eine Tätigkeit, die ihn erfüllt.  

So studierte er das, was ihn am meisten interessierte: Geschichte und Politikwissenschaften. Durch Stipendien erhielt er die Gelegenheit, seinen Horizont durch Auslandsaufenthalte in Oregon, St. Petersburg, Tel Aviv und Warschau zu erweitern. Seine Bachelorarbeit schrieb er über Euroskeptizismus in Polen. Anschließend zog er ohne Volontariat oder Ausbildung an einer Journalistenschule nach Berlin, immatrikulierte sich pro forma dort an der Universität und arbeitete als studentische Hilfskraft bei ZEIT Online und ZDF. Er sammelte Erfahrungen, knüpfte Kontakte und konnte in der Folge etliche Projektarbeiten und Aufträge als freier Mitarbeiter umsetzen, sei es für Online-Medien, Radio oder TV.

Bis heute arbeitet Karon als freier Journalist, der bei keinem Medium dauerhaft fest unter Vertrag steht. Zuletzt realisierte er für den rbb mit einem kleinen Team die dreiteilige Investigativserie „Schattenwelten Berlin“. In der ersten Staffel geht es um illegale Untergrund-Raves, das krude Weltbild im Deutsch-Rap und einen Großinvestor, in dessen heruntergekommenen Immobilen Mieterinnen und Mieter abgezockt werden. Zusammen mit Anja Buwert geht Jan Karon in diesen Dokumentationen Hinweisen nach, recherchiert aufwändig und kann schließlich Ergebnisse präsentieren, die Einblicke in Berliner Lebenswirklichkeiten geben.

Jan Karon arbeitet vorrangig investigativ. Als Schwerpunkte nennt er Rechtsextremismus, Islamismus und Antisemitismus. So schrieb er 2017 für die ZEIT einen Artikel über einen islamistischen Gefährder aus Bremen. 2018 fragte er für das Online- und Printmagazin Vice Demonstranten beim Al-Quds-Tag in Berlin unverblümt, warum sie Israel hassen, und dokumentierte die Antworten in einem Artikel. Ebenfalls für Vice besuchte Karon 2018 zu Hitlers Geburtstag das Neonazi-Festival „Schild und Schwert“. Dabei gelangen ihm neben interessanten Einblicken auch eindrucksvolle Fotos. Auch für „Organisierte Kriminalität“ interessiert Karon sich zunehmend. „Das Thema ist in Berlin durchaus präsent“, sagt er. „In einem größeren Rahmen treibt mich die Frage um: Wie können Menschen böse werden? Was macht sie zu Radikalen oder zu Mördern?“

Als ein weiteres Thema hat Karon etwas entdeckt, das er „Zeitgeist-Kritik“ nennt. In seinen Augen sei es nötig, zu widersprechen, wenn sich zu viele Menschen auf eine undifferenzierte Sichtweise einigen. Aufsehen erregte Karon beispielsweise im Juni 2021 mit einem persönlichen Essay in der Berliner Zeitung, in dem er seine eigene linke Bubble kritisierte. Es wird deutlich: Die Ziele seiner „woken Generation“ findet Karon oft richtig, die Prämissen und die Art des Diskurses hält er jedoch für mehr als fragwürdig. Ihn stört, dass ein fast ausschließlich bürgerliches Milieu den Ton angibt, das einen Tonfall zwischen „Doktorarbeit-Duktus und Sektenführer“ nutzt, dabei aber so tut, als spräche es für alle. Laut Karon fühlen sich aber viele Menschen mit ausländischen Wurzeln durch solche Stimmen keineswegs vertreten und auch nicht in ihrer politischen und religiösen Vielfalt anerkannt. Die Reaktionen auf den Artikel untermauerten seine Sichtweise.

Jan Karon möchte auch mit dem in linken Kreisen verbreiteten Klischee brechen, dass jeder Mensch mit Migrationshintergrund in Deutschland ein zutiefst unfaires und rassistisches Land sieht, indem es von Nazis nur so wimmelt. „In meinen Augen ist diese Heimat kein Alptraum“, paraphrasiert Karon den Buchtitel einer Anthologie namens „Eure Heimat ist unser Alptraum“. Vielmehr meint Karon, dass Deutschland in erster Linie ein Hort von Wohlstand, Freiheit und Sicherheit ist und zugewanderten Menschen Chancen bietet, die sie andernorts in der Regel nicht haben.

Dabei ist Jan Karon selbst „antideutsch“ aufgewachsen, sagt er, zumindest in dem Sinne, dass die deutsch-polnische Geschichte Anlass dafür gab, Patriotismus zu misstrauen und für seine Eltern durchaus widersprüchlich war. Die unvorstellbaren Gräuel der Naziherrschaft und des Zweiten Weltkrieges waren in Karons Familie prägende Themen. Entsprechend hatte Karon lange Zeit Schwierigkeiten damit, sich mit dem Land seiner Geburt zu identifizieren. „Inzwischen hat sich das verändert“, sagt er. „Ich bin diesem Land für vieles dankbar.“ Karon bezeichnet die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland im internationalen Vergleich als beispiellos und sieht in erster Linie ein tolerantes und freies Land, das Chancen bietet. Dennoch fühlt er sich vor allem als Pole. „Inzwischen aber auch als Deutscher“, sagt er. „Ich habe kein Problem damit, zu sagen, dass ich beide Länder liebe, obwohl sie mir aus verschiedenen Gründen und unabhängig von meiner Zugehörigkeit auch Kopfschmerzen bereiten.“

Polen hat sich in Karons Augen in den letzten Jahrzehnten wirtschaftlich klar zum Besseren entwickelt. Mindestens einmal im Jahr reist er in die alte Heimat seiner Eltern. „Die Polen sind auch weltoffener geworden“, sagt er, „und sprachbegabter. Die Innenstädte sind inzwischen modern, die Digitalisierung vorangeschritten, die Infrastruktur deutlich ausgebaut und man merkt, dass es den Menschen wirtschaftlich viel besser geht.“

Andererseits betrachtet Karon wie so viele jüngere Leute die zunehmenden Repressionen durch die PiS-Partei und den reaktionären Backlash in Polen mit Sorge. Allerdings wünscht er auch den Menschen in Deutschland mehr Sensibilität und historische Bildung in Bezug auf Polen. „Man kann nur sehr ungenau über Mentalitäten urteilen, wenn man sich nicht in sie hineinversetzen kann“, sagt Karon. „Und dazu gehört, zu verstehen, wie die Geschichte, die Wirtschaft, die Religion, das politische System und das Selbstverständnis die Bevölkerung geprägt haben und prägen.“ Den Polinnen und Polen empfiehlt Karon, den Deutschen eine Chance zu geben und sich nicht von Ressentiments und Angst vor Abwertung leiten zu lassen. Er sagt: „Viele meiner deutschen Mitmenschen zeigen Interesse an Polen, wenn man es auch nur ein bisschen in ihnen weckt. Und sie würden sich freuen, Land und Leute besser kennen zu lernen.“

 

Anselm Neft, Juli 2021

 

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