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Roland Schefferski, Money, Eternity, Sex, 1998

Roland Schefferski, Money, Eternity, Sex, 1998
Roland Schefferski (*1956 Katowice, lebt in Berlin): Money, Eternity, Sex, 1998.

Roland Schefferski besuchte das künstlerische Gymnasium in Wrocław. Anschließend studierte er dort von 1976 bis 1981 freie Kunst an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste. 1984 siedelte er nach Berlin über, wo er seitdem lebt und arbeitet. In dieser Zeit wendete er sich der Objekt- und Installationskunst zu und arbeitet seitdem in Werkzyklen. Er interessiert sich für Spurensicherung und prozesshafte Vorgänge im öffentlichen Raum. Künstlerisch setzt er dies durch das Zusammentragen hinterlassener Gegenstände um. Seit den Neunzigerjahren arbeitet er mit historischen Alltagsrelikten wie Fotos, Möbeln, alten Zeitungsausgaben, Geldscheinen oder getragener Kleidung, die ihm nach eigener Aussage als „Auslöser für Erinnerungen und Assoziationen dienen“. Er löst Objekte aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen, indem er sie mit anderen neu arrangiert. Gelegentlich zerstört er sie partiell, indem er Teile aus ihnen herausschneidet, sie zerbricht oder mit Stickerei versieht.

Zu dieser Objektgruppe gehört die 1998 entstandene Arbeit „Money, Eternity, Sex“. Sie besteht aus einem aus Polen stammenden Dekorationstuch, einem sogenannten „Paradehandtuch“, wie es seit dem späten 19. Jahrhundert bis zum Ende der 1920er-Jahre in Küchen oder Schlafzimmern mit Sinnsprüchen bestickt aufgehängt oder auf Betten und Büfetts dekoriert wurde, und das in ähnlicher Form als volkskundliches Relikt auch in anderen europäischen Ländern wie Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und Frankreich vorkommt. Das verwendete polnische Tuch zeigt als typische Stickerei der Zeit einen Trompetenengel, Blütenranken und in polnischer Sprache die Worte „Glaube, Hoffnung, Liebe“ als christlich motivierte Reminiszenz an den bekannten Bibelspruch aus 1. Korinther 13:13: „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (Lutherbibel, 1912) Schefferski „zerstört“ das historische Objekt, indem er in täuschend ähnlich gestalteter Stickerei die Wörter „Money, Eternity, Sex“ hinzufügt, jene „Werte“ der modernen Gesellschaft, die die überkommenen christlichen Glaubensinhalte fast vollständig ersetzt zu haben scheinen. Dass Schefferski in Deutschland ein polnisches Handtuch mit englischen Worten ergänzt, signalisiert gleichzeitig zwei Phänomene:  einerseits, dass dieser Wertewandel selbst in seinem als konservativ katholisch geltenden Geburtsland stattgefunden hat, andererseits, dass derselbe Wertwandel gleichermaßen in ganz Europa zu beobachten ist. Denn für deutsche Betrachter kann die Abfolge der Worte „Wiara, Nadzieja, Miłość“ auch bei Unkenntnis der polnischen Sprache unschwer mit dem populären Spruch „Glaube, Hoffnung, Liebe“ der deutschen Sprache in Verbindung gebracht werden, da dieser auch auf ähnlichen Handtüchern der Zeit in Deutschland vorkommt. Schefferski setzt hier bereits auf Mechanismen des kulturellen Gedächtnisses in Polen ebenso wie in Deutschland, die er bis heute in Objekten, Installationen und Ausstellungen untersucht.

Die Arbeit „Money, Eternity, Sex“ (1998) war im Jahr 2000 in der Ausstellung „Geschehnisse, die ungenannt bleiben“ im Museum Ostdeutsche Galerie in Regensburg zu sehen, die der Künstler dort aus Anlass der Verleihung des Förderpreises zum Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde Esslingen zeigte und die von einem Katalog begleitet wurde. Sie war dort Teil eines zweiteiligen Ensembles, in dem Schefferski mit Objekten arbeitete, die Paradigmen bürgerlicher Lebenswirklichkeit sind. Aus dem Bereich bürgerlichen Wohnens stammten ein Büfett, Sammlungsvitrinen, Glasstürze und Schatullen, Waschtische, Küchenschränke, ein Handtuchhalter und das „Paradehandtuch“. Typisch bürgerlich waren schwarzsamtene Damenkostüme mit zugehörigen Kleiderbügeln und Schuhen, Zylinder und Zeitung, Fotos, Bilderrahmen und Medaillons, Nähzeug und Seidenstoff. In dem kubischen weißen, nahezu neutralen Ausstellungssaal bildete Schefferski mit Vorhängen in den Nationalfarben zwei neue Räume, einen „polnischen“ auf der einen, einen „deutschen“ auf der anderen Seite. So kamen der Geldschein, die Fotos und das „Paradehandtuch“ auf der polnischen Seite tatsächlich aus Polen. Die Damenkostüme auf der deutschen Seite stammten aus dem Berlin der Dreißigerjahre. Eine Zeitungsausgabe des Sunday Dispatch berichtete aus den Tagen nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht ins Sudetenland im Oktober 1938, Zeitungen aus den Fünfzigerjahren über den dritten Parteitag der DDR und über Reaktionen der Alliierten aus Westberliner Sicht. Ein Glassturz konservierte unter dem Titel „Zehngebote“ Tücher mit dem Porträt von Karl Marx, eine Glasschatulle von einem Toilettetisch eine Fahne der DDR.

Auf beiden Seiten gab es weitere politische Anspielungen. Aus einem Einhundert-Złoty-Schein war das Wort „Proletaryat“ herausgeschnitten, das sich als Medaillon gerahmtes Souvenir auf der deutschen Seite wiederfand. Von den „rein gewaschenen“ polnischen Nationalfarben schien noch Wasser in die darunter aufgestellten Schüsseln zu tropfen. Ironie der Geschichte war auch auf der deutschen Seite zu sehen: Die Damenkostüme aus den Dreißigerjahren unter dem Titel „Kommen und Gehen“ hingen auf Bügeln aus Danzig und Gleiwitz, Städten, die heute in Polen liegen. „Ausgelöschte Bilder“  der Stadt Danzig aus den Jahren vor ihrer Zerstörung waren auf der deutschen Seite zu finden. Durch die Positionierung von Objekten aus verschiedenen Zeitstellungen schuf Schefferski Orte, an denen die enge historische Verflechtung der beiden Nationen zum Ausdruck kam und durch die der Betrachter die gemeinsame deutsch-polnische Geschichte neu erlebte. Teil dieser gemeinsamen deutsch-polnischen Geschichte war die Arbeit „Money, Eternity, Sex“, die den allgemeinen Wertewandel in beiden Staaten gleichermaßen symbolisierte.

2002 trug Schefferski das Hauptmotiv des Handtuchs, den fotografierten zentralen Ausschnitt mit dem Trompetenengel, den Blütenranken und dem gestickten polnisch- und englischsprachigen Text, symbolisch nach Polen zurück. Auf Einladung der 1998 gegründeten Zewnętrzna Galeria AMS (AMS Outdoor Gallery), einer Kunstinitiative der Werbetafeln und Citylights produzierenden Firma AMS in Poznań (siehe Wikipedia-Artikel „Galeria Zewnętrzna AMS“) zeigte Schefferski das Motiv auf riesengroßen Werbetafeln (Billboards) in vierhundert Städten in ganz Polen. Für den Betrachter konfrontierte er dort den „Dreiklang“ der christlichen Tugenden „Glaube, Hoffnung, Liebe“ mit den neuen Idealen der gegenwärtigen polnischen Gesellschaft Geld, ewiges Leben und Sex - nicht um eine Antwort auf drängende ethische Fragen zu geben, sondern um auf die Konkurrenz der Wertesysteme und den Zwiespalt zwischen kultureller und gegenwärtiger Identität aufmerksam zu machen. 2004 zeigte Schefferski die Billboard-Aktion im Rahmen der Ausstellung „L’ART dans la ville. La Pologne sur les murs“, die die Zewnętrzna Galeria AMS in der französischen Stadt Boulogne-Billancourt  mit achtzehn polnischen Künstlern und deren Billboard-Aktionen veranstaltete. Der begleitende Katalog dokumentierte Schefferskis Arbeit unter dem französischen Titel „Foi, Espoir, Amour“.

Roland Schefferski ist bislang mit weit über dreißig Einzelausstellungen vorwiegend in Deutschland und Polen, aber auch in Kanada und Ungarn, darüber hinaus in zahlreichen Gruppenausstellungen hervorgetreten. In den zurückliegenden zwei Jahrzehnten ist er vor allem durch Arbeiten zum kulturellen Gedächtnis der Polen und der Deutschen bekannt geworden, darunter durch die umfangreich durch Kataloge und wissenschaftliche Aufsätze dokumentierten Ausstellungen INWENTARYZACJA – BESTANDSAUFNAHME (2003) und RECALL – AUS DEM LEBEN VON EUROPÄERN (2012) im Lebuser Landesmuseum in Zielona Góra, die die Diskussion über die gemeinsame kulturelle Identität von Polen und Deutschen und die Rolle des Judentums im kulturellen Gedächtnis beider Nationen eröffnete. Schefferski wurde wegen seiner besonderen Bedeutung für diese Problematik und als in Deutschland lebender Künstler polnischer Herkunft auf der Webseite Porta Polonica mit einer Online-Ausstellung gewürdigt. Die Arbeit „Money, Eternity, Sex“ (1998) ist in diesem Zusammenhang nicht nur ein in beiden Ländern repräsentativ gezeigtes Objekt, sondern wegen seiner hohen öffentlichen Wirkung auch ein besonderes, bereits historisches Werk.

 

Axel Feuß, Februar 2017