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Herkunft als Netz – Die Regisseurin Emilie Girardin

Emilie Girardin, Foto: Léa Girardin, 2021
Emilie Girardin

In Barcelona lernte Emilie Girardin Katalanisch, eine Sprache, die ihrer Aussage nach noch heute Teil ihres Alltags ist. Sie fand aber auch die Zeit sowohl regelmäßig zu ihrem Großvater nach Katowice zu fahren als auch die Semesterferien in Berlin zu verbringen. Dort kellnerte sie und ging ins Theater. Sie schwärmte für die Berliner Volksbühne, die Schaubühne und das Berliner Ensemble, fand Castorf und Ostermeier faszinierend. Und kam auf die Idee, einen Erasmus-Austausch in Deutschland zu machen. Sie wollte „natürlich“ zunächst nach Berlin zur Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Aber es gab kein Austauschprogramm mit der Universität in Barcelona. Das bot jedoch die Hamburger Hochschule für Musik und Theater. Nach einem Semester dort, beschloss Girardin ganz nach Deutschland zu ziehen und ihr Studium in Hamburg zu beenden.

Das Interesse für Körpertheater blieb Girardin auch an ihrem neuen Wohnort erhalten. Allerdings erlebte sie die Theaterbranche nach ihrem Studium als selbstbezüglich und elitär. Sie befasste sich viel mit Formen des partizipativen Theaters, im Versuch, eine andere Beziehung zum Publikum aufzubauen. Schließlich interessierte sie sich zunehmend für Film als Medium, um sich auszudrücken. 2018 kam sie während der Weihnachtszeit in Katowice auf die Idee, einen Film über Schlesien zu drehen. Wie besonders die Geschichte dieser Region ist, war Girardin klar geworden, als sie 2017 als Regieassistentin im Hamburger Kampnagel Theater mit einem Chor von Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches zusammengearbeitet hatte. Dabei entdeckte sie einen für sie neuen Aspekt der deutsch-polnischen Geschichte. Sie sprach mit ihrer Mutter und ihrem Großvater über die Thematik, recherchierte, fragte nach und begann 2019 ihren ersten Film zu drehen: „The Last To Leave Are The Cranes“. In dem bewegenden Drama geht es um Nati, eine junge chilenische Frau, die nach Polen reist, um ihre Familiengeschichte zu erforschen. Dort trifft sie ihre alte Freundin Mo wieder und begibt sich mit ihr auf einen Roadtrip durch Schlesien, auf dem ihre Vorstellungen von Europa ebenso auf die Probe gestellt werden, wie ihre Freundschaft zu Mo.

Emilie Girardin erinnert sich gerne an die Dreharbeiten und die vorhergehende Recherche: „Ich habe viele Institutionen für deutsch-polnische Zusammenarbeit in Schlesien besucht, viele spannende Historiker:innen kennengelernt, historische Stätten besucht und eine komplett neue Seite Schlesiens kennengelernt.“ 

Im Zuge ihrer Arbeit in Schlesien fühlte Emilie Girardin eine tiefere Verwurzelung in der Heimat ihrer Mutter und fand Freundinnen und Freunde, mit denen sie weiterhin verbunden ist. Sie sagt: „Ich liebe Schlesien: die Landschaft, die Farben, die Architektur, die Menschen. Ich liebe die offene und solidarische Art, mit der ich bei meiner Recherche empfangen wurde. Ich schätze das unorthodoxe, forschende Denken von den Menschen, die ich dort kenne.“

Mit dem Film versuchte sich Emilie Girardin ihrer Familiengeschichte anzunähern, aus einer Perspektive, die es ermöglichte, den Schmerz der deutsch-polnischen Geschichte aus einer gewissen Distanz zu erzählen. Sie interessiert sich vor allem für die Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts in Schlesien: die (Neu)Entstehung Polens und gleichzeitig das Verfestigen von Nationalismen, in einer Region, die von Mehrsprachigkeit und Multikulturalität geprägt war.

Das Aufwachsen zwischen verschiedenen Kulturen hat Girardin früh nahegebracht, dass Herkunft komplex ist und nicht auf eine Sprache, einen Namen, oder einen Ort reduziert werden kann. Sie sagt: „Für mich ist Herkunft ein Netz an emotionalen Beziehungen mit Menschen an verschiedenen Orten. Diese offene Haltung der Welt gegenüber ist fundamental für meine Arbeit.“