Auf den Spuren der Kunst nach dem Schrecken von Auschwitz. Nachbericht einer Studienfahrt.

Der Bilderzyklus vertikal ausgerichtet im Besucherfoyer des Reichstagsgebäudes, Berlin 2019.
Der Bilderzyklus vertikal ausgerichtet im Besucherfoyer des Reichstagsgebäudes, Berlin 2019.

Station 1: Berlin oder: der Anfang der Fahrt liegt in der Gegenwart

Es ist schwül an diesem Septembertag in Berlin. Das Wetter scheint zu sagen: Den zwölf Teilnehmenden der Studienreise liegen anstrengende Tage bevor. Innerhalb einer knappen Woche werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über 600 km hinter sich bringen und an drei Orten – Berlin, Oświęcim und Kraków[3] – über die Zusammenhänge von Auschwitz und Kunst sprechen. Was sind das für Menschen, die sich in einem Seminarraum hinter dem Berliner Invalidenpark bei abenteuerlicher Sommerhitze einfinden und so eine Fahrt mitmachen? Einige stammen aus dem Kultursektor, andere leisten Gedenkstätten- oder Bildungsarbeit, sollen Input über den Umgang mit Erinnerungskultur sammeln oder sind (kunst)historisch interessiert. Ein großer Teil ist vorher noch nicht in dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau gewesen.

Das erste Gespräch im Seminarraum dreht sich um Schlagworte wie „Empfindsamkeit des Ortes“, „Kunstinteresse“, „Erinnerungskultur“ oder „moralische Verpflichtung“. Nicht Wenige haben auch ein persönliches Interesse an dem Ort oder damit verbundenen Geschichten, bspw. die Verfolgung von Homosexuellen. Dem unterschiedlichen inhaltlichen Vorwissen der Teilnehmenden zum Thema wird mittels zweier Vorträge über Polen, die Zeit zwischen 1933 und 1945 und die Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau begegnet.

Der zweite Tagespunkt führt die Gruppe schließlich in das Herz der deutschen Demokratie: das Reichstagsgebäude, dem Sitz des Deutschen Bundestages. Nach einführenden Worten von Dr. Jacek Barski, Leiter von Porta Polonica, zum Künstler Gerhard Richter im Allgemeinen und dessen Werk „Birkenau“ im Besonderen haben die Teilnehmenden Zeit und Raum für die eigene Rezeption und weitere Rückfragen. Natürlich begutachten sie genau die dort hängenden digitalen Versionen: Die vier großformatigen Bilder hängen übereinander und vergleichsweise hoch im Besucherfoyer – einige Menschengruppen ziehen daran vorbei, um in den Plenarsaal zu gelangen. Die wenigsten Besucherinnen und Besucher scheinen sich die Bilder anzusehen. Diskussionen – auch über die Art der Präsentation – entbrennen und werden noch bis zum Tagesabschluss beim gemeinsamen Abendessen geführt oder sogar für den Rest der Woche ein Dauerthema bleiben. Gerade der Umstand, dass die Bilder im Bundestag und damit im Zentrum der deutschen Demokratie hängen, zeugen von ihrer politischen Relevanz. Wer entscheidet aber, woran und auf welche Art an den Holocaust gedacht wird?

Ebenfalls kritisch betrachten die Teilnehmenden, dass die fotografischen Vorlagen für Gerhard Richters Werk in einem anderen Korridor des Besucherfoyers hängen. Dabei ist die Tragweite des Bilderzyklus nur erkennbar, wenn die Fotografien direkt neben den Gemälden ausgestellt werden. Für die Teilnehmenden ist die gegenwärtige Präsentation deswegen zumindest fragwürdig: Gehen die Bilder und damit der transportierte Inhalt auf diese Weise verloren?

 

[3] Die im folgenden verwendeten Ortsnamen zeigen die politische Zugehörigkeit des Ortes an. Taucht der Name Oświęcim auf, ist die unter polnischer Regierung stehende Stadt gemeint.

Mediathek
  • Das Reichstagsgebäude

    Das Reichstagsgebäude in Berlin war die erste Station der gemeinsamen Studienfahrt von IBB und Porta Polonica, 2019.
  • Fotografische Vorlagen zu Gerhard Richters monumentalem Bilderzyklus "Birkenau"

    Die vier fotografischen Vorlagen zu Gerhard Richters monumentalem Bilderzyklus "Birkenau" werden ebenfalls im Besucherfoyer des Bundestages präsentiert, 2019.
  • H.D. Buchlohs Buch “Gerhard Richters Birkenau-Gemälde”

    Parallel zur offiziellen Eröffnung der Ausstellung des Bilderzyklus publizierte der Kunsthistoriker Benjamin H.D. Buchloh sein Buch “Gerhard Richters Birkenau-Gemälde”, 2019.
  • Seminarauftakt mit Dr. Jacek Barski

    Dr. Jacek Barski, Leiter von Porta Polonica, gibt eine Einführung zum Künstler Gerhard Richter und dessen Werk „Birkenau“, Berlin 2019.
  • Im Gespräch mit den Teilnehmenden

    Bartholomäus Fujak, pädagogischer Mitarbeiter des IBB, im Gespräch mit den Teilnehmenden der Studienfahrt, Berlin 2019.
  • Aus dem Zyklus "Birkenau"

    Eines der vier großformatigen Bilder des Zyklus "Birkenau", Berlin 2019.
  • Bilderzyklus "Birkenau" im Besucherfoyer des Reichstagsgebäudes

    Der Bilderzyklus vertikal ausgerichtet im Besucherfoyer des Reichstagsgebäudes, Berlin 2019.
  • Teilnehmende der Studienfahrt 

    Teilnehmende der Studienfahrt vor den historischen Fotografien, die Gerhard Richter als Vorlage für seinen "Birkenau"-Zyklus dienten, Berlin 2019.
  • Die Reichstagskuppel

    Besucherinnen und Besucher in der Kuppel des Reichstagsgebäudes, Berlin 2019.
  • Im Jüdischen Zentrum in Oświęcim

    Das Centrum Żydowskie (Jüdisches Zentrum) in Oświęcim mit der Chewra Lomdei Misznajot Synagoge erzählt von der jüdischen Besiedlung seit dem 16. Jahrhundert und dem Verhältnis der jüdischen Bevölkerun...
  • Im Jüdischen Zentrum in Oświęcim

    Die Teilnehmenden der Studienfahrt im Centrum Żydowskie (Jüdisches Zentrum) in Oświęcim, 2019.
  • Im Museum des Jüdischen Zentrums in Oświęcim

    Teilnehmende der Studienreise im Museum des Jüdischen Zentrums in Oświęcim, 2019.
  • In der Ausstellung des ehemaligen KZ-Häftlings Marian Kołodziej

    In der Ausstellung des ehemaligen KZ-Häftlings Marian Kołodziej im Kellergewölbe der Franziskanerkirche in Oświęcim, 2019.
  • Einblicke in die Ausstellung von Marian Kołodziej

    Einblicke in die Ausstellung von Marian Kołodziej, Oświęcim 2019.
  • Einblicke in die Ausstellung von Marian Kołodziej

    Einblicke in die Ausstellung von Marian Kołodziej, Oświęcim 2019.
  • Einblicke in die Ausstellung von Marian Kołodziej

    Einblicke in die Ausstellung von Marian Kołodziej, Oświęcim 2019.
  • Teilnehmende der Studienreise in der Ausstellung von Marian Kołodziej

    Teilnehmende der Studienreise rezipieren die gezeichneten Porträts mit den verzerrten, hageren Gesichtszüge der KZ-Insassen in der Ausstellung von Marian Kołodziej, Oświęcim 2019.
  • "Antisemitismus ist ein Verbrechen gegen Gott und die Menschlichkeit"

    Graffiti mit Papst Johannes Paul II in Oświęcim: "Antisemitismus ist ein Verbrechen gegen Gott und die Menschlichkeit", Oświęcim 2019.
  • Stadtansicht Oświęcim

    Stadtansicht Oświęcim, 2019.
  • Das Tor des Stammlagers Auschwitz mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei"

    Das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau/Państwowe Muzeum Auschwitz-Birkenau (PMO). Besuchergruppen gehen auf das Gelände durch das Tor des Stammlagers Auschwitz, Oświęcim 2019.
  • Das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau

    Blick auf des Gelände des Stammlagers Auschwitz, Oświęcim 2019.
  • Das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau

    Backsteinbauten der Baracken des Stammlagers Auschwitz, Oświęcim 2019.
  • Eine der historischen Vorlagen für Richters "Birkenau"

    Eine der historischen Fotografien, die Gerhard Richter als Vorlage für seinen Bilderzyklus diente. Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 2019.
  • Die historischen Vorlagen für Richters "Birkenau"

    Die historischen Vorlagen für Richters "Birkenau" finden sich in der Ausstellung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 2019.
  • Die Kunstsammlung der Gedenkstätte

    Die Kunstsammlung der Gedenkstätte Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau: In der Ausstellung finden sich verschiedene Kunstwerke, Oświęcim 2019.
  • Die Kunstsammlung der Gedenkstätte

    Die Kunstsammlung der Gedenkstätte Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau: In der Ausstellung finden sich finden sich verschiedene Kunstwerke, Oświęcim 2019.
  • Auschwitz II (Vernichtungslager Birkenau)

    Das Gelände des Auschwitz II (Vernichtungslager Birkenau), Oświęcim 2019.
  • Wohnbaracken in Auschwitz II

    Wohnbaracken mit dreistöckigen Bettgestellen in Auschwitz II (Vernichtungslager Birkenau), Oświęcim 2019.
  • Schnitzerei der inhaftierten Menschen

    Schnitzereien oder Malereien der inhaftierten Menschen finden sich auch in den Holzwänden und Bettgestellen der Wohnbaracken in Auschwitz II, Oświęcim 2019.
  • Das Einfahrtsgebäude des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau

    Blick auf das Einfahrtsgebäude des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 2019.
  • In der Ausstellung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau

    Blick in die Ausstellung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 2019.
  • Die fotografische Vorlage für Richters Bilderzyklus am authentischen Ort

    Die fotografische Vorlage für Richters Bilderzyklus wird in Auschwitz-Birkenau am authentischen Ort mit entsprechenden Besucherinformationen ausgestellt, Oświęcim 2019.
  • Kraków

    In der Altstadt von Kraków, 2019.
  • Kraków

    Die Teilnehmenden der Studienreise in der Altstadt von Kraków, 2019.
  • Graffiti mit hebräischer Schrift

    Graffiti mit hebräischer Schrift in Kraków, 2019
  • Kraków

    Die Teilnehmenden der Studienreise in Kraków, 2019.
  • Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studienreise

    Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studienreise "‚Birkenau‘ von Gerhard Richter – Ein Ortstermin“, 2019.