Wizenberg, Meir

Das Café Wittelsbach am Bayerischen Platz in Berlin-Schöneberg, Postkarte, um 1920
Das Café Wittelsbach am Bayerischen Platz in Berlin-Schöneberg, Postkarte, um 1920

Wizenberg, Meir (Majer Wiesenberg), polnisch-jüdischer Cellist und Unterhaltungsmusiker. Ab 1911/14 tätig in Berlin. 1930-35 arbeitet er als Musiker in verschiedenen Berliner Kaffeehäusern und Hotels. 1935 Berufsverbot, Sondergenehmigung für das als „jüdisch“ geltende Café Wittelsbach bis zu seiner Emigration 1937 nach Mandschuko. 1958 kehrt er aus Israel nach Berlin zurück und kämpft in jahrelangen Verfahren um eine Entschädigung. *26.6.1890 Łódź, †10.10.1968 Westberlin. Nach achtjährigem Volksschulbesuch geht er für drei Jahre auf die Handelsschule. Ab 1904 lässt er sich privat zum Cellisten ausbilden und legt am Konservatorium in Warschau die Prüfung ab. 1911 oder 1914 übersiedelt er nach Berlin. Über seine folgenden beruflichen Tätigkeiten ist nichts bekannt. Der Kontakt zu seinen vier Schwestern bricht nach dem Ersten Weltkrieg ab, der Vater stirbt 1931. 1930-31 arbeitet er als Cellist in Berliner Kaffeehäusern und Hotels, unter anderem im Hotel Excelsior am Anhalter Bahnhof in der Tanzkapelle des weithin bekannten Geigers und Jazzmusikers Efim Schachmeister (1894-1944) sowie unter dem Geiger Stan Radizki im Café Wittelsbach in Schöneberg am Bayerischen Platz 2. Nach einem einmonatigen Gastspiel in Hamburg im Hotel Bismarck – Casino Boccaccio am Hauptbahnhof spielt er 1932 in Berlin für vier Monate im Café Carlton, anschließend unter der Leitung des russisch-jüdischen Geigers Mischa Smytschek (1895-1943 im KZ Auschwitz ermordet) wieder in der Kapelle des Cafés Wittelsbach. Sein zur Berufsausübung notwendiger Antrag auf Mitgliedschaft in der Reichsmusikkammer wird aufgrund seiner jüdischen Herkunft im September 1935 abgelehnt. Aufgrund eines Antrags des jüdischen Besitzers des Cafés Wittelsbach erhalten Smytschek und W. Ausnahmegenehmigungen, weil es „nicht gewünscht ist, wenn in diesem Café arische Musiker tätig sind“ (Schriftwechsel, Landesarchiv Berlin). Die Genehmigung ist auf das Spielen im Café Wittelsbach begrenzt. Als sie im Frühjahr 1937 erlischt, emigriert W. fluchtartig über Russland nach Harbin im von den Japanern in der Mandschurei errichteten „Kaiserreich Mandschuko“. 1938-43 tritt er dort im Hotel Modern als Musiker auf. Anschließend spielt er vermutlich als Cellist im dortigen Sinfonieorchester und einem Jachtklub. 1949 übersiedelt er nach Israel. 1954/55 arbeitet er in Jerusalem im Hotel King David als Cellist, wird arbeitslos, verarmt und strengt von Israel aus ein Entschädigungsverfahren in Deutschland an. Im November 1958 kehrt er nach Berlin zurück. Nach langjährigem Rechtsstreit erhält er eine Kapitalentschädigung und monatliche Rentenzahlungen.

Antisemitische Publikationen:

Brückner-Rock. Judentum und Musik mit dem ABC jüdischer und nichtarischer Musikbeflissener, begründet von H. Brückner und C.M. Rock, bearbeitet und erweitert von Hans Brückner, 3. Auflage, München 1938, Seite 295 (Wiesenberg, Majer)

Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke. Zusammengestellt im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP auf Grund behördlicher, parteiamtlich geprüfter Unterlagen, bearbeitet von Theo Stengel und Herbert Gerigk = Veröffentlichungen des Instituts der NSDAP zur Erforschung der Judenfrage, Band 2, Berlin 1940, Spalte 292 (Wiesenberg, Majer)

Literatur:

Tobias Knickmann: Sondergenehmigungen der Reichskulturkammer für Musiker in Berlin 1935-1945, Masterarbeit Universität Hamburg, 2015

Online:

Tobias Knickmann: Meir Wizenberg, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, herausgegeben von Claudia Maurer Zenck, Peter Petersen und Sophie Fetthauer, Universität Hamburg 2015, https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00002487

(der Link wurde zuletzt im November 2019 aufgerufen)

 

Axel Feuß, November 2019

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