Roma Ligocka: Das Mädchen im roten Mantel in „Schindlers Liste“

Roma Ligocka auf der Buchmesse in Krakau, 2004.
Roma Ligocka auf der Buchmesse in Krakau, 2004.

Sie verliebt sich in Jan Biczycki, der als Regisseur am Juliusz-Słowacki-Theater in Krakau landesweite Popularität erlangt. Während ihrer Hochzeitsreise nach Österreich 1965 entschließt sich das junge Paar nicht nach Polen zurückzukehren. Das Ehepaar zieht jahrelang durch Westeuropa, inszeniert mehrere Theaterstücke – auch nach der Geburt des Sohnes Jakob. Roma arbeitet als Kostümbildnerin und Szenografin an Theatern, Opern sowie in Film und Fernsehen, findet sich mit Ehemann Jan in der internationalen Theaterszene wieder. Stationen dieser Wanderjahre sind Graz, Wien, Köln und Frankfurt am Main und Kopenhagen. Als der gemeinsame Sohn schließlich fünf Jahre alt ist, lässt sich die Familie in Ottobrunn bei München nieder. Trotz des privaten und beruflichen Erfolgs erfährt Roma immer wieder herbe psychische Rückschläge, da sie ihr Kindheitstrauma nicht verarbeiten kann. Es kommt zum Bruch ihrer Ehe woraufhin sie Ottobrunn verlässt und mit dem Sohn nach Stuttgart zieht. Immer weiter durchziehen schwere Depressionen und Angstanfälle ihr Leben.

Nach Jahren der Verdrängung gibt Roma schließlich ein Film den Anstoß sich ganz bewusst mit ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen: Am 2. März 1994 ist die Premiere von Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ in Krakau, zu der neben Persönlichkeiten aus Politik und Kultur auch Holocaust-Überlebende und ihre Familien eingeladen sind. Nach anfänglichen Widerstrebungen der Premiere beizuwohnen, findet sich Roma gemeinsam mit ihrem Sohn doch im Kinosaal wieder – und sieht sich auf der Leinwand mit ihrer eigenen Geschichte konfrontiert: 

„Im Ghetto. Dunkle Wohnungen. Enge. Flucht, Koffer. Schreie. Tränen. Stiefel. (…) Das kleine Mädchen in dem roten Mantel.

Ein Wendepunkt im Leben der 55-Jährigen, die sich endlich inspiriert und stark genug fühlt das Erlebte zu erzählen. 

Im Jahr 2000 erscheint schließlich ihr Bestseller-Roman „Das Mädchen im roten Mantel“, der in 25 Sprachen übersetzt wird. Dabei entsteht mit dem autobiographischen Roman nicht nur das Bild einer Kindheit während des Zweiten Weltkriegs. Die Autorin erzählt auch die Geschichte einer jungen Frau, die nach den erschütternden Kriegserfahrungen vergeblich auf der Suche ist nach einem Platz in der polnischen, später in der deutschen Gesellschaft – und schafft damit einen wertvollen Zeitzeugenbericht.

Heute lebt Roma Ligocka in München und Krakau.

 

Katarzyna Salski, Mai 2018

 

Roma Ligocka (mit Iris von Finckenstein): „Das Mädchen im roten Mantel“. Droemer, München 2000.

Die Szene mit dem Mädchen in dem roten Mantel aus „Schindlers Liste“: https://www.youtube.com/watch?v=tvALjQ_QuI0