Der Autor und Filmemacher Konrad Bogusław Bach – Zwischen Polen und Deutschland

Konrad Bogusław Bach, Foto: Alessandro Sgarito, 2023
Konrad Bogusław Bach

An der Grundschule im Hannoveraner Stadtteil Döhren-Wülfel ging es weniger besinnlich zu als in den sonntäglichen Gottesdiensten. Konrad Bach erinnert sich daran, dass viel geprügelt wurde. „Nicht gemobbt, aber geprügelt“, sagt er, und fügt hinzu: „Es gab an der Schule viele Kinder aus Polen, wobei die schlesische Community sich noch mal abgesondert hat. Mit denen hatten mein Bruder und ich mehr Ärger als mit den Kasachstandeutschen oder den Kindern aus dem ehemaligen Jugoslawien.“ Laut Konrad Bach waren Schlägereien und derbe Schimpfwörter an seiner Schule ganz normal. Heute denkt Bach, dass die ständigen Raufereien auch etwas damit zu tun gehabt haben könnten, dass die Aussiedler von der Mehrheitsgesellschaft tendenziell als „niedrigere Kaste“ angesehen wurden und gerade die Jungs versuchten, sowohl ihrem Frust Luft zu machen als auch in Wettkämpfen ihren Wert unter Beweis zu stellen. Bach sagt über sich selbst: „Ich war schon früh kompetitiv orientiert und habe das einfach für meinen Charakter gehalten. Vielleicht hat es aber doch auch was mit meiner Position als Einwanderer zu tun.“ Ganz sicher ist sich Konrad Bach, dass er sich in seiner Jugend oft isoliert fühlte. Für seine polnischen Wurzeln interessierten sich die Deutschen nicht. Sie kannten oft nicht einmal die Namen von mehr als zwei Städten in Polen, wussten nichts über polnische Kultur und Lebensart. Als Deutscher wurde er aber auch nicht gesehen. Und in Polen wiederum sprach man ihm immer mehr ab, ein „echter Pole“ zu sein. So fühlte er sich fremd und nirgendwo richtig zu Hause. Eine Ersatzheimat fand er in der Literatur. Die Initialzündung kam mit Jack Londons Klassiker „Wolfsblut“, den ihm ein Freund in der fünften Klasse schenkte. Die Abenteuergeschichte im hohen Norden war ganz nach seinem Geschmack. Es folgten andere Abenteuerromane wie „Der letzte Mohikaner“ oder „Die drei Musketiere“. Dann Thomas Mann, dessen Werke er für ihre Sprache liebte und die Erkenntnis, dass man das eigene Verhalten reflektieren kann. Bei Dostojewski beeindruckte ihn die gegenteilige Einsicht: Der Mensch bleibt sich letztlich selbst ein Rätsel. Von einer älteren Cousine bekam Konrad Bach eine Leseliste mit „guter Literatur“, die er leidenschaftlich abarbeitete. Dabei entdeckte er neben dem polnischen Science-Fiction-Giganten Stanisław Lem, Homer oder Kurt Vonnegut bald auch eigene Vorlieben wie Wolf von Niebelschütz.

Die Literatur war für Bach wie ein Gegenmittel zu den prügelnden Selbstbehauptungsversuchen auf dem Schulhof. Er kultivierte eine pazifistische Haltung und verweigerte den Wehrdienst. Als „Zivi“ ging er von Hannover nach Freiburg und arbeitete dort in einem Krankenhaus. Zum einen plante er, in der badischen Stadt später Theologie und Philosophie zu studieren, zum anderen gab es pro Kilometer Entfernung von zu Hause eine Zulage.

„Das war eine tolle Zeit“, erinnert sich Bach. „Ich tat etwas Sinnvolles, hatte aus meiner Sicht sehr viel Geld und lernte einen ganz anderen Teil Deutschlands kennen.“ Sein Studium trat Bach dann aber in Berlin an der FU an, da er sich gegen Philosophie und für Theaterwissenschaften und Theologie entschieden hatte. Schließlich schrieb er selbst schon lange und hatte fürs Abitur ein selbst verfasstes Theaterstück namens „Gilgamesch und Ischtar“ inszeniert. Das Studium brachte ihn mit sehr unterschiedlichen Studierendentypen in Kontakt. Hier die etwas biederen, ernsthaften Theolog:innen, dort die extrovertierten, partyfreudigen Theaterwissenschaftler:innen. Bach schwankte. Mal gefiel ihm das eine Studium samt Studierendenschaft besser, mal das andere. Schließlich traten aber die Fragen nach der Existenz Gottes und dem Sinn des Lebens in den Hintergrund, während die Freude am Theater zentraler wurde. Die Berliner Theaterlandschaft stellte das von Hause aus konservative Theaterverständnis des Studenten auf eine harte Probe. Mit der Zeit aber öffnete er sich den neuen Formen und wurde ein begeisterter Anhänger des postdramatischen Theaters. Seine Magisterarbeit, aus der im Anschluss eine Dissertation wurde, schrieb Bach über „Das Lachen in der Aufführung“. Dazu erklärt er: „In den Theaterwissenschaften geht es oft um die Frage, wie das Publikum auf Aufführungen reagiert. Da geht es dann um Anrührung, Aktivierung oder Verblüffung. Das Lachen war in meinen Augen aber bisher zu kurz gekommen.“ 

Konrad Bach lacht selbst gerne, und bringt gern andere zum Lachen. Literatur, Theater, Oper sind für ihn immer auch Unterhaltung. Die Arbeit an seiner Dissertation, gefördert durch ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft, beschreibt Bach als „goldene Zeit“. Alle zwei Wochen zum Kolloquium, ansonsten viel Freiraum für Forschung und Lektüre, für wissenschaftliches Arbeiten, aber auch für mehrere Hospitanzen am Theater und das Drehen von Kurzfilmen. In denen geht es – oft humoristisch – vor allem um intime Beziehungen. Bachs Kurzfilm „Magdalenas Akte“ allerdings handelt von einer Frau, die in einem Archiv ihre persönliche Lebensakte findet und ändern kann. Dieser Film wurde in einer fünf Minuten langen Fassung auf etlichen Festivals gezeigt und gewann einige Preise. 

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  • Konrad Bogusław Bach: Der Wisent, München 2022

    Buchumschlag