Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern Piasten: 1002 Regelinda/Reglindis von Polen

Naumburger Meister: Stifterfiguren Markgraf Hermann von Meißen und Reglindis, um 1250. Sandstein, Dom St. Peter und Paul, Naumburg (Saale)
Naumburger Meister: Stifterfiguren Markgraf Hermann von Meißen und Reglindis, um 1250. Sandstein, Dom St. Peter und Paul, Naumburg (Saale)

1002 Regelinda/Reglindis (um 989-1016), Tochter von Bolesław I. Chrobry (967-1025), König von Polen, heiratet Hermann I. (um 980-1038), später Markgraf von Meißen

Bereits der Vater von Bolesław I., Mieszko I. (um 930/45-992), erster Herzog aus der Dynastie der Piasten, knüpft Verbindungen zu den sächsischen Markgrafen, um sich dem Römisch-Deutschen Reich anzunähern und zu verpflichten. Seit 977/78 mit der brandenburgischen Markgrafentocher Oda verheiratet, gibt er deshalb 984 seinen Sohn Bolesław einer Tochter des Markgrafen Rikdag II. von Meißen zur Frau. Weil noch im selben Jahr der Herzog von Böhmen die Burg Meißen besetzt, hat die Ehe keinen Bestand. Als nach Rikdags Tod im Jahr 985 Ekkehard I. (um 960-1002) als Markgraf von Meißen eingesetzt wird, schließen Mieszko und Bolesław auch mit ihm und seinem Bruder Gunzelin ein dauerhaftes Bündnis. Nach dem Tod des Vaters 992 wird Bolesław Herzog von Polen. Kaiser Otto III. verleiht ihm im Frühjahr des Jahres 1000 beim Akt von Gnesen/Zjazd gnieźnieński königliche Würden. Auch wenn wegen des Fehlens einer kirchlichen Weihe keine reguläre Königskrönung stattgefunden hat, so gilt Bolesław I. Chrobry, „der Tapfere“, den Chronisten dennoch als König von Polen.

Zwei Jahre später, 1002, erneuert Bolesław das Bündnis mit Meißen, indem er seine Tochter Reglindis mit Hermann, dem ältesten Sohn des Meißener Markgrafen Ekkehard I., verheiratet. Reglindis stammt aus Bolesławs dritter Ehe mit Emnilda (um 973-um 1017), der Tochter des sorbischen Fürsten Dobromir. Da Gunzelin ebenfalls mit einer Tochter von Dobromir verheiratet ist, gelten Bolesław, Ekkehard und Gunzelin als „verschwägert“. Als Ekkehard, der sich nach dem Tod Ottos III. auf den Königsthron bewirbt, noch im selben Jahr ermordet wird, fällt die Herrschaft über Meißen zunächst an Gunzelin; Bolesław erhält das östliche Vorland.[1] Währenddessen befindet sich Bolesław in einem anhaltenden Konflikt mit Ottos Nachfolger, König Heinrich II., und findet dabei Unterstützung bei den sächsischen Adligen. Als er in einem Nachfolgestreit die Herrschaft über Böhmen erlangt, weigert er sich, die Herzogswürde von Heinrich als Lehen anzunehmen. Erst nach einem Feldzug von Heinrich gegen die Festung Posen und einem 1005 geschlossenen Frieden kann die Fehde beigelegt werden. 1007 zieht Bolesław erneut gegen Heinrich in den Krieg, fällt in die Lausitz ein und besetzt die Festung Bautzen, auf der zuvor Gunzelin residiert hat.

Die Söhne von Ekkehard I., Hermann und Ekkehard II., die beim Tod ihres Vaters leer ausgegangen sind, haben erst 1009 mit ihrer jahrelangen Fehde gegen Gunzelin Erfolg. Auf dem Fürstentag in Merseburg wird Gunzelin auf Geheiß des Königs abgesetzt und Hermann zum Markgrafen von Meißen ernannt. Seitdem übernehmen er und seine Frau Reglindis als Markgraf und Markgräfin die Herrschaft über Meißen. Die Ernennung zum Markgrafen ist, so der Mittelalterhistoriker Knut Görich (*1959), das deutlichste Zeichen für eine Annäherung zwischen Heinrich II. und Hermann, der sich auch künftig als Unterstützer des Königs erweisen wird.[2] Hermann wird sein Leben lang damit beschäftigt sein, die Angriffe seines Schwiegervaters Bolesław I. und von dessen Sohn, Mieszko II. Lambert, auf die Marken Meißen und Lausitz politisch und militärisch abzuwehren. Mehrfach muss er in Kriegen zwischen Heinrich II., der 1014 zum Kaiser gekrönt wird, und Polen vermitteln.

Im Frieden von Bautzen 1018, durch den Bolesław die Mark Lausitz und das Milzener Land auf dem Gebiet der heutigen Oberlausitz erhält, fungiert Hermann als Unterhändler des Kaisers. Wesentlicher Bestandteil dieses Friedens ist die vierte Ehe von Bolesław mit Hermanns Schwester Oda im selben Jahr, nachdem Emnilda zuvor gestorben ist. Die neuerliche Ehe bindet die Piasten-Dynastie wieder an Meißen, denn auch Reglindis ist zwei Jahre zuvor gestorben.[3] 1024 lässt sich Bolesław I. Chrobry wenige Monate vor seinem Tod von einem Gesandten des Heiligen Stuhls zum König krönen. Im selben Jahr stirbt Heinrich II. Dessen Nachfolger auf dem Königsthron, Konrad II. (um 990-939), führt den Zwist mit den Piasten fort, indem er die Krönung von Mieszko II. Lambert 1025 zum König von Polen nicht anerkennt. Dieser fällt ab 1028 in Sachsen und Thüringen ein. Konrad, der 1027 zum Kaiser gekrönt worden ist, reagiert mit Feldzügen gegen die Polen und kann mit Hermanns Unterstützung 1030/31 die zuvor verlorenen Gebiete in der Lausitz für das Römisch Deutsche Reich zurückgewinnen.

 

[1] Görich 2000 (siehe Literatur), Seite 131

[2] Ebenda, Seite 131 f.

[3] Ebenda, Seite 133 f.

 

Hermann und Reglindis sowie Ekkehard II. und dessen Frau Uta von Ballenstedt werden als Stifter der ersten, frühromanischen Domkirche in Naumburg und durch die ihnen gewidmeten Stifterfiguren im heute existierenden Nachfolgebau aus der Mitte des 13. Jahrhunderts weltbekannt (Titelbild). Das Bildnis der Reglindis wird im Volksmund als die „lächelnde Polin“ bezeichnet (Detailabbildung unten). Von zwölf lebensgroßen Sandsteinfiguren eines namentlich nicht bekannten Bildhauers, des sogenannten Naumburger Meisters, zeigt das Skulpturenpaar an der Nordseite des Westchors Ekkehard II., kenntlich durch die Inschrift ECHARDUS MARCHIO, und dessen Gemahlin Uta. Aufgrund des Zusammenhangs wird das Figurenpaar auf der Südseite als dessen älterer Bruder Hermann mit seiner Frau Reglindis identifiziert. Ein weiterer Beleg dafür ist ein Spendenaufruf von 1249, in dem Bischof Dietrich zur Unterstützung für den Domneubau aufruft und die ersten Stifter der Kirche, nämlich Hermann, Reglindis, Ekkehard und Uta, namentlich nennt. Dieser 1892 von dem deutschen Kunsthistoriker August Schmarsow gefundene Zusammenhang hat im Wesentlichen bis heute Bestand. „Regelindis scheint vergnüglich zu lächeln, ja zu grinsen, und hat so zu dem alten Küstermärchen von der lachenden Braut Veranlassung gegeben“, schreibt Schmarsow. Dabei handele es sich nicht um einen „Anflug von Frivolität im Gotteshause […], sondern um den Ausdruck inniger Teilnahme, verbunden mit freundlicher, gutherziger Sinnesart.“[4] Kommentare zum „Lächeln der Reglindis“ lassen sich bis 1815 zurückverfolgen. Fast jeden Interpreten bis in die Neuzeit hat dieses Lächeln „zu einem Deutungsversuch, zu Kritik oder Zustimmung veranlasst.“[5]

Axel Feuß, Juli 2021

 

Literatur:

Norbert Kersken / Przemysław Wiszewski: Neue Nachbarn in der Mitte Europas: Polen und das Reich im Mittelalter (WBG Deutsch-polnische Geschichte, 1: Mittelalter), Darmstadt 2020

Robert F. Barkowski: Die Piasten und die Anfänge des polnischen Staates, Berlin 2018

Norbert Kersken: Heiratsbeziehungen der Piasten zum römisch-deutschen Reich, in: Fernhändler, Dynasten, Kleriker. Die piastische Herrschaft in kontinentalen Beziehungsgeflechten vom 10. bis zum frühen 13. Jahrhundert, herausgegeben von Dariusz Adamczyk und Norbert Kersken, Wiesbaden 2015, Seite 82, 97, 102 f.

Eduard Mühle: Die Piasten. Polen im Mittelalter, München 2011, Seite 20-30

Gerd Althoff: Otto III., Darmstadt 2005

Hedwig Röckelein: Heiraten, ein Instrument hochmittelalterlicher Politik, in: Der Hoftag in Quedlinburg 973. Von den historischen Wurzeln zum Neuen Europa, herausgegeben von Andreas Ranft, Berlin 2006, Seite 99-136

Owald Balzer: Genealogia Piastów, 2. Auflage, Krakau 2005

Kazimierz Jasiński: Rodowód pierwszych Piastów, 2. Auflage, Poznań 2004, Seite 109-113

Christian Lübke: Zwischen Polen und dem Reich. Elbslawen und Gentilreligion, in: Polen und Deutschland vor 1000 Jahren. Die Berliner Tagung über den „Akt von Gnesen“, herausgegeben von Michael Borgolte, Berlin 2002, Seite 91-110

Johannes Fried: Otto III. und Boleslaw Chrobry. Das Widmungsbild des Aachener Evangeliars, der „Akt von Gnesen“ und das frühe polnische und ungarische Königtum, 2. Auflage, Stuttgart 2001

Knut Görich: Eine Wende im Osten: Heinrich II. und Boleslaw Chrobry, in: Otto III. – Heinrich II.: eine Wende?, herausgegeben von Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter, 2. Auflage, Stuttgart 2000, Seite 95-167

Kazimierz Jasiński: Powiązania genealogiczne Piastów (małżenstwa piastowskie), in: Piastowie w dziejach Polski, herausgegeben von Roman Heck, Wrocław 1975, Seite 135-148

Herbert Ludat: An Elbe und Oder. Skizzen zur Politik des Ottonenreiches und der slavischen Mächte in Mitteleuropa, Köln 1971

[4] August Schmarsow: Die Bildwerke des Naumburger Doms, Magdeburg 1892, Seite 19 f.

[5] Gerhard Straehle: Der Naumburger Meister in der deutschen Kunstgeschichte. Einhundert Jahre deutsche Kunstgeschichtsschreibung 1886-1989, Dissertation Ludwig-Maximilians-Universität München, 2009, Seite 142, Anmerkung 325

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Piasten

Um 978 Mieszko I.

984 Bolesław I. Chrobry

1013 Mieszko II. Lambert

1018 Bolesław I. Chrobry

1088 Władysław I. Herman

1115 Bolesław III. Schiefmund/Bolesław III Krzywousty

vor 1118 Adelajda/Adelheid

um 1142 Dobroniega Ludgarda/Luitgard, Lukardis

1148 Judith/Judyta Bolesławówna

 

 

 

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