Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern Piasten: 1088 Władysław I. Herman

Emmeram-Evangliar/Ewangeliarz Emmeramski, Ende 11. Jahrhundert, Skriptorium des Klosters St. Emmeram in Regensburg im Auftrag von König Heinrich IV., möglicherweise Mitgift zur Hochzeit von Judith von Schwaben mit Władysław I. Herman, Inv. Nr. KP 208, fol. 2v, Bibliothek des Domkapitels zu Krakau/Biblioteka Krakowskiej Kapituły Katedralnej
Emmeram-Evangliar/Ewangeliarz Emmeramski, Ende 11. Jahrhundert, Skriptorium des Klosters St. Emmeram in Regensburg im Auftrag von König Heinrich IV., möglicherweise Mitgift zur Hochzeit von Judith von Schwaben mit Władysław I. Herman

Ähnlich wie in Ungarn wird Judith offenbar auch in Polen politisch aktiv. Sie unterhält ein enges, vermutlich sogar intimes Verhältnis zu Sieciech, dem Władysław Herman schon bald nach seiner Amtsübernahme 1080 die Regierungsgeschäfte übertragen hat, und mischt sich in die Thronfolge zwischen den Brüdern Zbigniew und Bolesław III. Schiefmund/Bolesław III Krzywousty (1086-1138), dem Sohn aus Władysław Hermans Ehe mit Judith von Böhmen, ein. Möglicherweise auf ihr Betreiben hin wird Zbigniew 1089 in das von Adelheid von Schwaben, einer Schwester von Judith von Schwaben und Heinrich IV., geleitete Damenstift nach Quedlinburg gebracht.[8] Ihr und Sieciech wird auch der Tod von Mieszko Bolesławowic, dem Neffen von Władysław Herman zugeschrieben, der 1086 aus dem ungarischen Exil seines inzwischen verstorbenen Vaters Bolesław II. nach Polen zurückgekehrt ist, eine Gefahr für die Thronfolge darstellt und 1089 vergiftet wird. Eine zwischen Zbigniew und Bolesław ausgelöste Bruderfehde endet erst 1100/01 mit der Vertreibung von Sieciech und mündet schließlich beim Tod von Władysław I. Herman 1102 in einer Teilung Polens, bei der Zbigniew Großpolen, Kujawien und Masowien erhält und Bolesław III. künftig über Schlesien und Kleinpolen herrscht.

1105 soll Judith die Benediktinerabtei Tyniec bei Krakau durch Schenkung zweier Dörfer unterstützt haben. Ihren Lebensabend verbringt sie möglicherweise bei ihrer aus der Ehe mit Władysław Herman stammenden Tochter Adelajda/Adelheid in Cham, die vor 1118 Diepold III. von Vohburg (1075-1146), den Markgrafen auf dem Nordgau, geheiratet hat. Eine weitere Tochter heiratet vor 1108 den Fürsten der Wladimirer Rus, Jaroslaw I. Die dritte Tochter, Agnes (um 1090-1125), wird 1110/11 Äbtissin in den hochadligen Damenstiften Gandersheim und Quedlinburg. Judith wird nach übereinstimmenden Angaben in hohem Alter im Benediktinerstift Admont in der österreichischen Steiermark beigesetzt.

Axel Feuß, Juli 2021

 

Literatur:

Norbert Kersken / Przemysław Wiszewski: Neue Nachbarn in der Mitte Europas: Polen und das Reich im Mittelalter (WBG Deutsch-polnische Geschichte, 1: Mittelalter), Darmstadt 2020

Fernhändler, Dynasten, Kleriker. Die piastische Herrschaft in kontinentalen Beziehungsgeflechten vom 10. bis zum frühen 13. Jahrhundert, herausgegeben von Dariusz Adamczyk und Norbert Kersken, Wiesbaden 2015 (darin: Norbert Kersken: Heiratsbeziehungen der Piasten zum römisch-deutschen Reich, Seite 82 f., 90-92, 101 f.; Joanna Sobiesiak: Mulier suadens und andere Damen. Dynastische Heiraten in der Geschichte der polnisch-böhmischen Beziehungen des 10.-12. Jahrhunderts, Seite 112-115; Dániel Bagi: Genealogische Beziehungen zwischen Piasten und Árpáden im 11. und frühen 12. Jahrhundert, Seite 140 f., 153)

Eduard Mühle: Die Piasten. Polen im Mittelalter, München 2011, Seite 34-38

Karol Maleczyński: Bolesław III Krzywousty (1975), Krakau 2010

Hedwig Röckelein: Heiraten, ein Instrument hochmittelalterlicher Politik, in: Der Hoftag in Quedlinburg 973. Von den historischen Wurzeln zum Neuen Europa, herausgegeben von Andreas Ranft, Berlin 2006, Seite 99-136

Owald Balzer: Genealogia Piastów, 2. Auflage, Krakau 2005

Kazimierz Jasiński: Rodowód pierwszych Piastów, 2. Auflage, Poznań 2004, Seite 158-175, 199-203

Bernd Schneidmüller: Otto I., heilig, Bischof von Bamberg, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 669 f. [Online-Version], https://www.deutsche-biographie.de/sfz74092.html#ndbcontent

Judyta Maria Salicka, in: Polski Słownik Biograficzny, Band 11, 1964/65, Seite 316

(alle Links wurden zuletzt im Juni 2021 aufgerufen)

 

[8] Maleczyński 2010 (siehe Literatur), Seite 22 f., 30. Vergleiche auch Roman Grodecki / Stanisław Zachorowski: Dzieje Polski średniowiecznej (1926), Band 1, Krakau 1995, Seite 129; Andrzej Garlicki: Poczet królów i ksia̜ża̜t polskich, 3. Auflage, Warschau 1984

 

Vollständige Abbildungsbeschreibung:

Emmeram-Evangliar/Ewangeliarz Emmeramski, Ende 11. Jahrhundert, Skriptorium des Klosters St. Emmeram in Regensburg im Auftrag von König Heinrich IV., möglicherweise Mitgift zur Hochzeit von Judith von Schwaben mit Władysław I. Herman, Inv. Nr. KP 208, fol. 2v, Bibliothek des Domkapitels zu Krakau/Biblioteka Krakowskiej Kapituły Katedralnej