Eine verbotene Liebe – Prinzessin Elisa Radziwiłł und Wilhelm von Preußen

Julius Ludwig Sebbers (1804–1843): Prinzessin Elisa Radziwiłł, 1835. Lithographie nach einem Aquarell.
Julius Ludwig Sebbers (1804–1843): Prinzessin Elisa Radziwiłł, 1835. Lithographie nach einem Aquarell.

Zur Wintersaison war die Familie Radziwiłł wieder in Berlin. Der Salon der Fürstin, also die regelmäßigen kulturell-gesellschaftlichen Zusammenkünfte, gehörte zu den angesehensten und war wohl einer der ersten gemischt aristokratisch-bürgerlichen Salons in Berlin. Hier tauschte sich nicht nur der Adel untereinander aus, sondern Gelehrte, Dichter, Schriftsteller und Musiker trugen eigene Arbeiten und Stücke vor. Die Fürstin legte Wert darauf, dass die Kinder am Leben der Erwachsenen teilnahmen. Fürst Anton Radziwiłł  galt als talentierter Gastgeber und Grandseigneur, der laut dem Bericht der Gräfin Elise von Bernstorff über die Zeit von 1789 bis 1835 „deutsche Treuherzigkeit und polnische Grazie“ in sich vereinte, der originelle Persönlichkeiten, aber auch polnische Verwandte und Freunde einlud, und der selbst hervorragend komponierte. Anlässlich eines Besuchs von Goethes Sohn August, so Dagmar von Gersdorff, wurden Szenen aus Goethes „Faust“ aufgeführt, zu denen Fürst Radziwiłł Kompositionen für Solisten, Chor und Orchester lieferte. Die Dekorationen gestaltete der Architekt Karl Friedrich Schinkel. Zur Aufführung erschien die gesamte königliche Familie einschließlich Prinz Wilhelm. Unter den Zuhörern waren der Freiherr vom und zum Stein, General Gneisenau, Opernintendant Graf Brühl, Bettina Brentano und viele andere.

Im Januar und Februar 1820 häuften sich Wilhelms Besuche im Hause Radziwiłł. Im März wurde Elisa zusammen mit ihrer Kusine Blanche von Wildenbruch in der Kapelle des königlichen Schlosses, die der König zur Verfügung gestellt hatte, durch den Hof- und Domprediger konfirmiert. Die Gräfin Bernstorff vermutete, der König wolle die junge Dame, die durch die Firmung heiratsfähig geworden war, dadurch zur Schwiegertochter erheben. Möglicherweise war auch Wilhelm dieser Ansicht, was ihn dazu beflügelte, Elisa im Juni 1820 auf Schloss Freienwalde seine Liebe zu gestehen. Von den Gutachten und Dossiers, die gegen eine eheliche Verbindung mit den Radziwiłłs erstellt wurden, erfuhr Wilhelm zunächst nichts. Jedoch wurde weiterhin im Hintergrund gegen ihn gearbeitet. Schwester Charlotte riet unerwartet zu einer Heirat mit Prinzessin Marie von Hessen. Sein Adjutant Oldwig von Natzmer redete ihm ins Gewissen, woraufhin er sich schließlich eingestehen musste, dass ohne eine Zustimmung des Königs keine weitere Verbindung mit Elisa möglich sein würde. Als er Elisa während ihrer Ferien auf Schloss Fürstenstein in Schlesien sah, gab er sich daher unzugänglich und frostig. Beim Abschied in Bad Landeck brach er jedoch vor der Fürstin Radziwiłł in Tränen aus.

Im Januar 1821 fand zu Ehren von Prinzessin Charlotte, inzwischen verheiratete Großfürstin Alexandra Feodorowna, wieder eine Theateraufführung statt, bei der Elisa vor dreitausend Gästen im Weißen Saal des königlichen Schlosses die Göttin Peri in dem orientalischen Stück „Lalla Rookh“ von Thomas Moore zu sehen war. Der Maler Wilhelm Hensel lieferte nicht nur die Bühnenbilder und Kostüme, er malte Elisa auch in ihrer Rolle (Abb. 6). Schinkel, Graf Brühl und Operndirektor Gaspare Spontini als Komponist waren ebenfalls beteiligt, und auch Wilhelm, Kronprinz Friedrich Wilhelm sowie die Prinzen Wladislaw und Boguslaw Radziwiłł hatten Rollen in dem Stück übernommen. Elisa traf mit ihrer Verkörperung der „Himmelssehnsucht“ die romantischen Erwartungen des Publikums und Wilhelm notierte in seinem Kalender: „Zauberisch, idealisch, ätherischer Hauch über dem Ganzen. Unvergesslich!!! – E! – semper!“, was „Elisa! Für immer!“ heißen sollte. Spätestens bei der zweiten Aufführung im Februar sah Fürst Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, ehemaliger Polizeiminister und für die Verfolgung nationaler und liberaler Bewegungen in Preußen zuständig, in der himmlischen eine irdische Romanze und verlangte Aufklärung über die polnische Familie Radziwiłł. Raumer erstellte ein zweites Dossier, in dem er die Fürstenfamilie zum niederen polnischen Adel herabstufte. Gleichzeitig wurden Elisa und Wilhelm gemeinsam auf der Silberhochzeit des Ehepaars Radziwiłł gesehen.

Als sich Kronprinz Friedrich Wilhelm in eine katholische Prinzessin von Bayern verliebte, die dieser wegen der falschen Religionszugehörigkeit niemals hätte heiraten sollen, beschloss der König, auch Wilhelms Eheabsicht aufs Neue untersuchen zu lassen. Raumer erstellte zwei weitere Gutachten, die die Ehe mit Elisa als vollkommen unmöglich hinstellten. Der als Kopf der Demagogenverfolgung agierende Polizeipräsident Karl Albert von Kamptz verfasste ein weiteres Dossier mit dem Titel „Promemoria über die Standeswidrigkeit der Ehe eines königlichen Prinzen von Preußen mit der Prinzessin Radziwill“, aufgrund dessen bereits Luise von Preußen, verheiratete Fürstin Radziwiłł, bei ihrer Eheschließung auf die Thronfolge und auf Erbansprüche ihrer Nachkommen, also auch Elisas, hatte verzichten müssen. Als Wilhelms militärischer Mentor, Johann Georg von Brause, dem Prinzen Raumers Gutachten vorlegte, fiel dieser aus allen Wolken. Dass die Radziwiłłs nicht standesgemäß sein sollten, hatte Wilhelm niemals für möglich gehalten. Als Grund für die Ablehnung des Königs hatte er die illoyale Haltung einzelner Mitglieder der Familie Radziwiłł gegenüber Preußen vermutet. Unter anderem hatte Michael Radziwiłł, der Bruder von Elisas Vater, beim polnischen Aufstand unter Poniatowski und Kościuszko gekämpft und war später in die Armee Napoleons eingetreten.

Falls Wilhelm seine Absichten nicht ändern sollte, so wurde ihm mitgeteilt, würde der König ein Kommitee mit der Angelegenheit betrauen, das dann auch die Ehe des Fürstenpaars erneut unter die Lupe nehmen würde. Insgeheim unterstellte man der Fürstin Radziwiłł, aus Elisa durch die Heirat mit Wilhelm wieder eine preußische Prinzessin machen zu wollen. Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz wurde bemüht, um Wilhelm ins Gewissen zu reden, denn, sollte sein Bruder Kronprinz Friedrich Wilhelm ohne Nachkommen sterben, so würde er auf den Thron folgen und schon deshalb müsste er aus Gründen der Staatsräson auf die Heirat mit der polnischen Prinzessin verzichten. Im Februar 1822 wurde Wilhelm vom König persönlich darüber belehrt, dass seine privaten Neigungen gegenüber dem Hausgesetz der Hohenzollern zurückzutreten hätten, und Wilhelm gab sofort jeden Widerstand auf. „Es ist aus!! Das teure, liebe, engelsgute Wesen ist für mich verloren!“ notierte er. Auf Bällen und bei geheimen Verabredungen sahen sich Wilhelm und Elisa dennoch wieder und schworen sich, für immer Freunde zu bleiben. 

Mediathek
  • Abb. 1: Wilhelm

    Prinz Wilhelm von Preußen. Stich nach einem Gemälde von Carl von Steuben, 1814.
  • Abb. 2: Wilhelms Vater

    König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. Gemälde von Ernst Gebauer, 1831.
  • Abb. 3: Wilhelms Mutter

    Königin Luise von Preußen. Gemälde von Josef Grassi, 1802.
  • Abb. 4: Elisas Mutter

    Fürstin Luise Radziwiłł. Gemälde von Élisabeth Vigée-Lebrun, 1801.
  • Abb. 5: Elisas Vater

    Fürst Anton Radziwiłł. Lithographie von Karol Antoni Simon, 1824/30.
  • Abb. 6: Elisa als Peri

    Gemälde von Wilhelm Hensel, 1821.
  • Abb. 7: Wilhelm und Augusta von Preußen

    Wilhelm von Preußen und Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach, 1854.
  • Abb. 8: Elisa auf dem Totenbett

    Marmorbüste von Christian Daniel Rauch, 1834.
  • Abb. 9: Kaiser Wilhelm I.

    An seinem Schreibtisch im Alten Palais, Berlin, 1880.
  • "Die verbotene Liebe", 2016

    Ein Film von Schülerinnen und Schülern der Robert-Jungk-Oberschule in Berlin.
  • Eine verbotene Liebe - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.