Remigration oder Rückkehr? Als Ruhrpole zurück in die alte Heimat

Die Familien Tomczak, Galewsky, Jankowiak und Kobuczyński vor dem Haus der Familie Tomasz/Galewsky in der Ziegelstraße, Osterfeld 1929
Die Familien Tomczak, Galewsky, Jankowiak und Kobuczyński vor dem Haus der Familie Tomasz/Galewsky in der Ziegelstraße, Osterfeld 1929

Der Entschluss

Ich bin nun Ruhrpole in dritter Generation, meine Kindheit und Jugend habe ich in Osterfeld-Oberhausen verbracht und wohne hier bis heute. Aufgewachsen bin ich in dem Bewusstsein, polnischer Abstammung zu sein, denn es wurde von Generation zu Generation kommuniziert. Bereits mit 15 Jahren habe ich mich für meine Wurzeln interessiert und mit der Ahnenforschung begonnen, alle Informationen gesammelt und die Geschichte Polens und Litauens studiert. Während meiner Studienzeit Mitte der 1990er Jahre führten mich bereits mehrere Reisen nach Polen. So lernte ich Land und Leute kennen und lieben. Je älter ich wurde, desto größer wurde mein Interesse und meine Bindung zu dem Land meiner Vorfahren. Aus diesem historischen Interesse heraus, lernte ich vor einigen Jahren meine heutige Ehefrau Joanna kennen. Joanna ist in Olsztyn geboren und hat die meiste Zeit ihres Lebens in Polen verbracht. Erst aufgrund unserer Ehe hat sie ihre Heimat Polen verlassen. Mit der Heirat einer gebürtigen Polin, habe ich als Ruhrpole den Kreis wieder geschlossen und die Familientradition neu aufleben lassen. Wir haben mittlerweile zwei Töchter im Alter von drei Jahren und sieben Monaten.
Meine Frau und ich haben schon vor unserer Heirat beschlossen, dass wir nach Polen zurückkehren werden. Für meine Frau war es eine Selbstverständlichkeit, ist sie doch hier in Deutschland nie wirklich angekommen. Für mich bedeutet der Entschluss einen echten Wendepunkt in meinem Leben. Nach über 100 Jahren Ruhrgebiet soll es nun zurück in das Land meiner Vorfahren gehen. In meine neue und alte polnische Heimat. Freunde, Bekannte und Verwandte fragen mich: Warum? Hierfür gibt es mehrere Gründe.

Ich möchte meinem Leben einen neuen Charakter verleihen, ich will mein Leben „entschleunigen“. Wenn wir in Polen sind, merke ich wie ich zur Ruhe komme, wie mein Körper und mein Geist neue Kraft tankt und regeneriert. In mir kommt ein ganz neues Gefühl von Heimat auf. Das bedeutet für mich Lebensqualität. Das Heimatgefühl im Ruhrgebiet, hier in Oberhausen, habe ich schon seit vielen Jahren gänzlich verloren. Es existiert nur noch als Erinnerungsemotion meiner Kindheit und Jugend.

Mit dem Strukturwandel der Montanindustrie und dem damit verbundenen Lebensgefühl im Ruhrgebiet, hin zu einer angedachten Dienstleistungsregion, ist das heimische Empfinden Stück für Stück verloren gegangen. Als Kind und junger Mensch habe ich die letzten Jahre der Kohle- und Stahlindustrie noch erlebt. Genau das hat dieser Region seine Besonderheit verliehen. Der Strukturwandel hat nicht funktioniert. War das Ruhrgebiet einst das industrielle Herz Deutschlands, ist es heute das Armenhaus der Nation. Innenstädte und Stadtteilzentren stehen kurz vor dem Exitus, die Straßen sind marode, ebenso Kindergärten, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen. Mit dieser Veränderung hat auch ein enormer soziokultureller Wandel stattgefunden. Nein, meine Heimat existiert hier nicht mehr.

Der wichtigste Grund sind jedoch unsere Kinder. Als Eltern haben wir ausführlich überlegt, wo unsere Töchter die besten Chancen für eine gute Zukunft haben. Wir kamen sehr schnell überein, dass das nur in Polen sein kann. Polen ist ein wunderbares Land, mit so viel Potenzial und einer Vielzahl von Möglichkeiten. Ein Land im Aufbruch. In Polen finden unsere Kinder ein gut funktionierendes Schulsystem vor, eine homogene Gesellschaft mit Wertevorstellungen, die wir teilen und eine Sicherheit für die Bevölkerung, wie in keinem anderen europäischen Land.

Unser Fahrplan steht. Spätestens in zwei Jahren, möchten wir unseren Lebensmittelpunkt nach Olsztyn verlegt haben. Olsztyn bietet uns mit seiner guten Infrastruktur alles, was wir erwarten. Durch den Kauf eines Baugrundstücks haben wir 2016 bereits den ersten Schritt vollzogen. Unsere Kinder wachsen zweisprachig auf, sodass Polnisch für sie keine Fremdsprache ist, und auch ich lerne fleißig Polnisch. Leider fällt es mir als Erwachsenem schwerer als den Kindern. Über einen sog. Headhunter, habe ich bereits Stellenangebote erhalten. Jedoch haben wir auch einige Geschäftsideen im Gepäck.

Mediathek
  • Geburtsurkunde von Józef Tomczak

    Geburtsurkunde von Józef Tomczak
  • Im Haus der Familie Tomczak/Galewsky, 1920er Jahre

    Die Familien Galewsky, Kobuczyński, Jankowiak, Vinc und Tomczak im Haus der Familie Tomczak/Galewsky in der Ziegelstr. 63b, Osterfeld 1920er Jahre
  • Maria Galewska, 1920er Jahre

    Maria Galewska, 1920er Jahre
  • Stanisław Tomczak (Bruder von Józef Tomczak), 1925

    Stanisław Tomczak (Bruder von Józef Tomczak), 1925
  • Jan Józef Tomczak (Sohn von Józef Tomczak), 1926

    Jan Józef Tomczak (Sohn von Józef Tomczak), 1926
  • Vor dem Haus der Familie Tomasz/Galewsky, Osterfeld 1929

    Hochzeit von Helena Galewski: Die Familien Tomczak, Galewsky, Jankowiak und Kobuczyński vor dem Haus der Familie Tomasz/Galewsky, Ziegelstr. 63b, Osterfeld 1929
  • Hochzeitsgesellschaft im Hof der Familie Tomczak/Galewsky, Osterfeld 1929

    Hochzeit von Helena Galewsky: Die Familien Tomczak, Galewsky, Jankowiak und Kobuczyński vor dem Haus der Familie Tomasz/Galewsky, Ziegelstr. 63b, Osterfeld 1929
  • Familienfoto, Osterfeld 1930

    Die Familien Galewsky, Vince, Tomczak, Jankowiak, Kobuczyński und Biały im Haus der Familie Tomczak/Galewsky in der Ziegelstr. 63b, Osterfeld 1930
  • Henriette Tomczak (Tochter von Józef Tomczak), 1930er Jahre

    Henriette Tomczak (Tochter von Józef Tomczak), Osterfeld 1930er Jahre
  • Henriette Tomczak, 1930er Jahre

    Henriette Tomczak, 1930er Jahre
  • Henriette Tomczak auf dem Motorrad von Antoni Jankowiak

    Henriette Tomczak auf dem Motorrad von Antoni Jankowiak in der Mellinghofer Str. Oberhausen, 1940er Jahre
  • Józef Tomczak in seinem Wohnzimmer, 1940er Jahre

    Józef Tomczak in seinem Wohnzimmer, 1940er Jahre
  • Hochzeit von Henriette Tomczak und Heinz Mlinski, 1945

    Hochzeitsfoto von Henriette Tomczak und Heinz Mlinski im Haus der Familie Mlinski in der Kapitän-Lehmann-Str. 13, Bottrop 31.12.1945.
  • Józef Tomczak mit Urenkel Patrick Barteit, Osterfeld 1975

    Józef Tomczak mit Urenkel Patrick Barteit in seinem Garten in der Osterfelder Str. 147, Osterfeld 1975
  • Hinterhof Siedlung Stemmersberg in der Ziegelstraße, Osterfeld 2018

    Hinterhof Siedlung Stemmersberg in der Ziegelstraße, Osterfeld 2018
  • Patrick Barteit vor dem Stammhaus Tomczak/Galewsky, Osterfeld 2018

    Patrick Barteit vor dem Stammhaus der Familie Tomczak/Galewsky in der Ziegelstr. 63b, Osterfeld 2018
  • Patrick Barteit vor dem Stammhaus Tomczak/Galewsky, Osterfeld 2018

    Patrick Barteit vor dem Stammhaus der Familie Tomczak/Galewsky in der Ziegelstr. 63b, Osterfeld 2018
  • Patrick Barteit vor der ehemaligen Zeche Osterfeld, Osterfeld 2018

    Patrick Barteit vor dem Eingangstor der ehemaligen Zeche Osterfeld, Osterfeld 2018
  • Auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Osterfeld, Osterfeld 2018

    Patrick Barteit auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Osterfeld, Osterfeld 2018
  • Geburtshaus von Józef Tomczak

    Geburtshaus von Józef Tomczak in Orkowo (2019)
  • Geburtshaus/Hof der Ur-Ur-Großmutter von Patrick Barteit Stanisława Tomczak

    Geburtshaus/Hof der Ur-Ur-Großmutter von Patrick Barteit Stanisława Tomczak (z.d. Bratkowska) in Binkowo (Śrem); v.r. Patrick Barteit und sein Cousin Krzysztof Budzyn, 2018
  • Alte Scheune der Familie Tomczak/Pawlisiak in Orkowo, Bj. 1907.

    V.l. Patrick Barteit mit Tochter Lili-Marleen, Onkel Edward Pawlisiak, Cousin Krzysztof Budzyn mit Dominika. 
  • Patrick Barteit am Ortseingang Orkowo

    Patrick Barteit am Ortseingang Orkowo, 2019