Tadeusz Borowski

Tadeusz Borowski, Warschau 1942. In: Tadeusz Drewnowski, "Ucieczka z kamiennego świata", Warschau 1992.
Tadeusz Borowski, Warschau 1942. In: Tadeusz Drewnowski, "Ucieczka z kamiennego świata", Warschau 1992.

Befreit, aber nicht gerettet

Die Poesie und die Prosa Borowskis, die während seines knapp zweijährigen Aufenthaltes in Deutschland entstanden sind, lassen sich in drei thematische Blöcke unterteilen. Der erste ist gerade benannt worden: die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, mit Deutschland und dem Deutschtum. Der zweite handelt von der Abrechnung mit Polen und dem Polentum. Im Zentrum steht dabei Die Schlacht von Grunwald (die Erzählung war Grundlage für Andrzej Wajdas großartigen Film Landschaft nach der Schlacht). Vorlage für Die Schlacht von Grunwald waren das Tagebuch aus Freimann und die dichterische Reportage Kriegsende.

Kriegsende ist das erste Werk, das Borowski nach der Befreiung verfasst. So wie später in Die Schlacht von Grunwald finden wir in Kriegsende das Bild einer in pseudoreligiöse Bräuche entrückten, in Konflikte verstrickten, im Denken des 19. Jahrhunderts und in der Hoffnung auf die Wiedergeburt eines großen Polens verhafteten nationalen Gemeinschaft. Es ist das Milieu ehemaliger Soldaten und Kriegsveteranen. Der Autor von Abschied von Maria hat andere Erfahrungen gemacht – das erniedrigende, die Menschlichkeit raubende Lager. „[In seiner Poesie und in der Schlacht von Grundwald initiiert] Borowski diese bittere Abrechnung mit den entstehenden polnischen Emigrationskreisen, mit denen er sich nicht identifizieren will und kann, von denen er sich in aller Konsequenz und bewusst distanziert.“[7] Der Schriftsteller lehnt Pathos ab. Patriotischer Überschwang ist ihm fremd. So beginnt der Lyriker ein Gedicht mit dem Incipit *** [Sie missbrauchen das Vaterland zu ihren Zwecken]. Sowohl dieser als auch manch anderer der oben genannten Texte ist eine scharfe Satire auf Kreise der Displaced Persons. Es ist eine Abrechnung mit der Ideologie der Kriegsveteranen, mit denen, die das Leiden des Individuums im Namen hehrer staatlicher und nationaler Losungen, im Namen abstrakter Ideen vergessen.

Das dritte Hauptthema Borowskis aus seiner Münchener Zeit ist das Weltbild nach dem Krieg (dieses Problem wird bereits in der Schlacht von Grunwald thematisiert). Wir finden bei ihm nicht den Enthusiasmus vor, der damals ganz Europa im Wissen um das Ende des blutigsten aller Konflikte ergriffen hatte. In Borowskis Poesie und Prosa ist der Krieg nicht vorbei. Es sterben weiterhin Menschen (wie Nina aus der Schlacht von Grunwald, die aus Versehen von einem amerikanischen Soldaten erschossen wird). Der Krieg dauert auch in der menschlichen Psyche weiter an. Die Opfer schaffen es nicht, sich davon zu befreien. Die Erinnerung an die abscheulichen Verbrechen erlaubt es dem Überlebenden nicht, ins Leben zurückzukehren. Zwar hat er seinen Körper vor dem Tod bewahrt, den Glauben an das Gute im Menschen konnte er jedoch nicht retten. Die Opfer, die als Überlebensstrategie die Handlungsweise ihrer Peiniger nachahmten, tragen nun Schuldgefühle in sich. Das Lager hat sie innerlich gebrochen. Die Prinzipien des Lebens, nach denen sie in den nationalsozialistischen Lagern handelten, rufen in ihnen in einer freien Welt nun Gewissensbisse hervor. In einem Brief an Maria schreibt Borowski: „Wir sind kranke Leute, Du und ich. Wir leiden an einer unbestimmbaren Nostalgie und sind müde von der Welt. Aber das Böse steckt nicht in der Welt, es steckt in uns.“[8] Dennoch findet sich in der Prosa Borowskis keine Anklage gegen den Menschen. Es ist das System, welches ihn der Menschlichkeit beraubt, und dem die Anschuldigung in erster Linie gilt.

[7] J. Szczęsna, Spotkanie pierwsze. Tadeusz Borowski [Erstes Treffen. Tadeusz Borowski], in: Dies., Poetyckie światy wojny. Studia o poezji polskiej po roku 1939 [Poetische Kriegswelten. Studien zur polnischen Poesie nach 1939], Poznań 2015, S. 118.

[8] T. Borowski, Niedyskrecje pocztowe, S. 123.

Mediathek
  • Tadeusz Borowski, Schytomyr, 1928

    In: Tadeusz Drewnowski, "Ucieczka z kamiennego świata", Warschau 1992.
  • Tadeusz Borowski vor Repatriierung nach Polen, Juli 1928

    In: Tadeusz Drewnowski, "Ucieczka z kamiennego świata", Warschau 1992.
  • In Quedlinburg 1949

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  • Familie Borowski 1938

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  • Tadeusz Borowski in Warschau am 12. Juni 1939

    In: Tadeusz Drewnowski, "Ucieczka z kamiennego świata", Warschau 1992.
  • Tadeusz Borowski, Ende 1939

    In: Tadeusz Drewnowski, "Ucieczka z kamiennego świata", Warschau 1992.
  • Warschau 1941

    In: Tadeusz Drewnowski, "Ucieczka z kamiennego świata", Warschau 1992.
  • Tadeusz Borowski, Warschau 1942

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  • Reise nach Murnau 1945

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  • Mit Ewa Fiszer auf der Marszałkowska-Straße in Warschau 1946

    In: Tadeusz Drewnowski, "Ucieczka z kamiennego świata", Warschau 1992.
  • Mit Mutter und Bruder Juliusz in Olsztyn, Juni 1946

    In: Tadeusz Drewnowski, "Ucieczka z kamiennego świata", Warschau 1992.
  • Portrait mit Unterschriften von u.a. Bertolt Brecht, Anna Seghers und Arnold Zweig, 1950

    In: "Niedyskrecje pocztowe", bearbeitet von Tadeusz Drewnowski, Warschau 2001.
  • Kongress der jungen Schriftsteller in Nieborów, Anfang April 1951

    In: Tadeusz Drewnowski, "Ucieczka z kamiennego świata", Warschau 1992.
  • Tadeusz Borowski - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku"

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.