Louis Lewandowski

Louis Lewandowski
Louis Lewandowski, ca. 1880

Genau dieser Ansatz war es, der diese Sammlung zu enormer Popularität verhalf. In den meisten Reformgemeinden Deutschlands und später auch weltweit wurde „Kol Rinnah“ zum Standartrepertoire. Lewandowskis zweite berühmte Sammlung „Todah W’simrah“ (Lob und Sang) für vierstimmigen Chor, Kantorsolo und Gemeindegesang, die in zwei Bänden 1876 (Sabbat) und 1882 (Festgesänge) erschien, manifestierte endgültig seinen Ruhm als Komponist synagogaler Musik. Die Chöre dieser Sammlung verfasste er überwiegend bereits während seiner Tätigkeit in der Heidereutergasse und unterlegte sie für die Publikation mit einer Orgelbegleitung. Neben seinen liturgischen Werken komponierte er recht unterschiedliche Genres: deutsche Liederbücher für allgemeine und jüdische Schulen, deutschnationale Lieder, auf Synagogenmelodien fußende Instrumentalbearbeitungen für Hausmusik, Sinfonien und Kantaten. Die von ihm vertonten 18 Psalmen mit deutschem Text erfreuten sich auch in vielen Kirchenchören großer Beliebtheit.

Lewandowskis Leistung besteht nicht primär in der Originalität seiner Kompositionen, die an Virtuosität von denen Sulzers deutlich übertroffen werden, sondern in der Bewahrung der bisher mündlich überlieferten Gesänge der osteuropäisch-jüdischen Tradition (Minhag Polin). Anders als Sulzer, sah er in den tradierten Melodien ein „heiliges Erbe“ und übernahm daher auch die typische melismatische Gesangsornamentik der kantoralen Rezitative und versah sie mit Stilmitteln der europäischen Romantik. Seine Werke können als „komponierte Interkulturalität“ begriffen werden, sie sind Sinnbild des schwer errungenen Gleichgewichts zwischen jüdischer Assimilation und Tradition. Lewandowski wird oft als der „Mendelssohn der Synagogenmusik“ bezeichnet, da stilistische Anklänge an Mendelssohns Kompositionen, etwa in der Harmonik und Satztechnik, zu erkennen sind. Neben diesen Einflüssen seines Jugendidols sind, besonders in seinen Chorsätzen, auch typische melodische Formen der zeitgenössischen deutschen Chormusik zu finden.

In den 1880 Jahren galt Lewandowski als der Genius der Synagogenmusik und seine Werke verdrängten zunehmend Sulzers Kompositionen. Die Kantorenvereinigung ernannte ihn zum Ehrenpräsidenten und alle Chöre der Berliner Synagogen, in denen ohnehin nur noch seine Musik zu hören war, unterstanden seiner musikalischen Leitung. Er wurde von zahlreichen jüdischen Gemeinden geehrt und selbst von der deutschen Regierung mit Titeln und Orden bedacht. Im Dezember 1890 fand anlässlich seines 50-jährigen Dienstjubiläums bei der jüdischen Gemeinde eine große Jubelfeier statt, der auch in der Presse ein großes Echo zuteil wurde. Die Akademie der Künste verlieh dem einstigen Studienabbrecher den Titel eines Professors der]  Musik. Scharen angehender Kantoren pilgerten nach Berlin, um an seinem Unterricht teilzunehmen. Am 3. Februar 1894 starb Louis Lewandowski im Alter von 72 Jahren. Er wurde auf dem Friedhof der jüdischen Gemeinde von Weißensee, heute ein Stadtteil Berlins, beigesetzt

 

Mediathek
  • Louis Lewandowski 1850

    Porträt Louis Lewandowskis in der ständigen Ausstellung des Jüdischen Museums in Berlin, Anonymus, Öl auf Leinwand 1850
  • Sonderbriefmarke der DDR-Post

    Sonderbriefmarke der DDR-Post vom 18.09.1990
  • Kol Rinnah u-T'fillah

    Titelblatt „Kol Rinnah u-T'fillah“, Berlin 1882.
  • Gedenktafel in Września

    Die Gedenktafel für Louis Lewandowski in seiner polnischen Heimatstadt Września.
  • Das Grab von Louis und Helene Lewandowski

    Das Grab von Louis und Helene Lewandowski in der Ehrenreihe des jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee.
  • Louis Lewandowski - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.