Bronisław Huberman: Vom Wunderkind zum Kämpfer gegen den Nationalsozialismus

Bronisław Huberman, um 1928. Unbekannter Fotograf, Library of Congress, George Grantham Bain Collection, Washington, DC
Bronisław Huberman, um 1928. Unbekannter Fotograf, Library of Congress, George Grantham Bain Collection, Washington, DC

Die endgültige Aufstellung änderte sich jedoch ständig, da Huberman die verschiedenen Orchesterpositionen im Hinblick auf künftige Dirigenten mehrfach besetzte, einige Musiker wegen des Klimas und der problematischen Wohnverhältnisse in Palästina wieder zurück nach Europa gingen oder auf andere Kontinente, beispielsweise nach Nord- und Südamerika, weiterzogen. Mitunter änderte sich auch die Lebensplanung der Musiker.[49] Huberman selbst gab im Spätsommer 1936 seinen Wohnsitz in Wien vermutlich wegen der dortigen politischen Entwicklung und des bedrohlicher werdenden Antisemitismus auf, ging zunächst nach Italien und ließ sich 1938 in der Schweiz nieder. Der für den Herbst 1936 geplante Beginn der Konzertsaison in Palästina verzögerte sich wegen des arabischen Aufstands. Erst im November trafen die vorerst letzten Musiker und ihre Familien einzeln oder in Gruppen in Palästina ein. Die Proben übernahm Steinberg, der die Arbeit daran zuvor in Italien mit Toscanini abgesprochen hatte. Toscanini, der bei den Orchestermusikern als der am meisten gefürchtete Dirigent seiner Zeit galt, traf am 20. Dezember 1936 nach einer Bahn- und Flugreise von Mailand über Brindisi, Athen und Alexandria in Tel Aviv ein. Er war im Wesentlichen mit der Probenarbeit zufrieden, kritisierte jedoch die typisch „deutsche“ Spielweise: „Spielen Sie mir ja keine preußischen Märsche. […] Spielen Sie leicht, wie die Franzosen oder die Italiener“, forderte er das Orchester auf (Abb. 10).[50]

Das Eröffnungskonzert am 26. Dezember 1936 war mit über zweitausendfünfhundert Besuchern völlig überfüllt. Auf dem Programm standen eine Ouvertüre von Rossini, die 2. Sinfonie von Brahms, Schuberts „Unvollendete“, Nocturne und Scherzo aus Mendelssohns „Sommernachtstraum“ sowie die Ouvertüre zum „Oberon“ von Carl Maria von Weber. Das Konzert wurde mehrfach in Tel Aviv, Haifa und Jerusalem wiederholt und vom Jerusalemer Rundfunk über Kairo und London bis in die USA übertragen. Bis zum 5. Januar hörten fünfzehntausend Besucher die zehn Konzerte, Arbeiter-Aufführungen und öffentlichen Proben. Vom 7. bis 12. Januar 1937 gingen Toscanini und das Orchester auf eine Tournee nach Kairo und Alexandria. Huberman hatte sich absichtlich an diesen Konzerten nicht beteiligt um das Orchester im Vordergrund stehen zu lassen.[51]

 

[49] Vergleiche hierzu auf diesem Portal (https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/broches-raphael) die Biografie des polnisch-jüdischen Violinisten Raphael Broches (1906-1941?), der im Dezember 1936 aus Hamburg nach Palästina kam, um seine Orchesterstelle anzutreten, jedoch im Januar nach Deutschland zurückging, um seine musikwissenschaftliche Promotion abzuschließen. Broches wurde vermutlich 1941 aus dem Warschauer Getto in das KZ Treblinka deportiert und dort ermordet.

[50] Erinnerungen von Heinrich Schiefer, in: 40 Years. The Israel Philharmonic Orchestra, Tel Aviv 1976

[51] Zu den Toscanini-Konzerten und der ersten Konzertsaison vergleiche von der Lühe 1993 (siehe Literatur), Seite 1046, und von der Lühe 1998 (siehe Literatur), Seite 156-160

Mediathek
  • Abb. 1: Das Wunderkind, 1889

    Bronisław Huberman als Siebenjähriger, 1889
  • Abb. 2: Als Jugendlicher, um 1895

    Bronisław Huberman in jungen Jahren, um 1895. Unbekannter Fotograf, Albuminabzug, 14,7 x 10,1 cm, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie, Inv. Nr. DI 103634 MNW
  • Abb. 3: Als Vierzehnjähriger, 1896

    Bronisław Huberman als Vierzehnjähriger, 1896. Fotografie von R. Wilhelm, New York, Philip Hale Photograph Collection, Boston Public Library
  • Abb. 4: Bronislaw Huberman, 1900

    Bronisław Huberman als Achtzehnjähriger, 1900
  • Zdj. nr 5: Emil Orlik, Huberman, ok. 1915 r.

    Emil Orlik, Portret Bronisława Hubermana ze skrzypcami, ok. 1915 r., akwaforta, 24,5 x 29,3 cm.
  • Abb. 6: Lesser Ury: Huberman, um 1916

    Lesser Ury: Porträt Bronisław Huberman, um 1916. Pastell auf Karton, 97,2 x 70,7 cm, Jüdisches Museum Berlin, Inv. Nr. GHZ 78/1/0
  • Abb. 7: „Vaterland Europa“, 1932

    Bronislaw Huberman: Vaterland Europa, Berlin 1932
  • Abb. 8: Offener Brief an Furtwängler, 1933

    Offener Brief von Bronisław Huberman an Wilhelm Furtwängler, Prager Tagblatt vom 13.9.1933, Österreichische Nationalbibliothek
  • Abb. 9: Einstein trifft Huberman, 1936

    Der Physiker Albert Einstein trifft Bronisław Huberman 1936 in seinem Haus in Princeton, New Jersey
  • Abb. 10: Toscanini probt mit dem Palestine Orchestra, 1936

    Das Palestine Orchestra während einer Probe unter der Leitung von Arturo Toscanini, vermutlich im Dezember 1936