Die Pro-Solidarność-Bewegung in Deutschland

Solidarität mit Polen. Die Pro-Solidarność-Bewegung in Deutschland, Berlin 2012 r.
Solidarität mit Polen. Die Pro-Solidarność-Bewegung in Deutschland, Berlin 2012 r.

Das am 13. Dezember 1981 vom kommunistischen Regime Polens verhängte Kriegsrecht löste weltweit eine starke bürgerschaftliche Bewegung aus, die sich in vielen Unterstützergruppen für die im Untergrund arbeitende Solidarność manifestierte. Deren erstes Koordinierungstreffen fand unter Teilnahme der sich in der Bundesrepublik aufhaltenden Vertreter der Solidarność am 13. und 14. März 1982 in Düsseldorf statt. Dabei beschlossen die Arbeitsgruppen „Solidarność“ (kurz AGS), in Bremen ein Informations- und Koordinationsbüro der Solidarność einzurichten, das die Aktivitäten der Pro-Solidarność-Bewegung in der Bundesrepublik und in West-Berlin koordinieren und über sie informieren sollte. Das Büro beteiligte sich an allen Aktionen der Exil-Solidarność und pflegte Kontakte zu den Gewerkschaften des DGB sowie zu den Parteien SPD und CDU/CSU. Ab 1983 gab das Büro ein regelmäßig erscheinendes Bulletin in deutscher Sprache heraus. Als die Vorstände Marek Mikołajczyk, Henryk Jagielski, Adam Dembowski und Bogdan Felski dann jedoch am 21. und 22. September 1983 in der polnischen Botschaft in Köln aus freien Stücken ihre Demission erklärten, stellte der DGB seine finanziellen Zuwendungen ein, woraufhin der Bremer Bürgermeister die Büroräume kündigte.

Anschließend übernahm das Hilfskomitee „Solidarność“ Mainz e. V., das 1982 von den Eheleuten Jolanta und Andrzej Wirga gegründet worden war, um die Registrierung verfolgter Aktivisten der Solidarność zu betreiben, die Aufgaben der Zentralstelle in Bremen, vor allem die Koordination der Maßnahmen der Unterstützerorganisationen der Solidarność in der Bundesrepublik und in West-Berlin. 1983 enthielt die Kartei bereits über 8.000 Namen verfolgter, verhafteter und aus der Arbeit entlassener Personen, von denen über 1.400 im Rahmen einer „Patronatsaktion“ unterstützt wurden. Das Komitee gab auch die deutschsprachige Version des in Paris publizierten „Informations-Bulletins der Gewerkschaft NSZZ Solidarność“ heraus. Später verbreite es dann auch ein eigenes Bulletin, in dem unter anderem Nachdrucke von Beiträgen aus der polnischen Untergrundpresse zu lesen waren. Adressaten dieser Mitteilungsschrift waren die die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, die Fraktionen im Parlament und die deutschen Spitzenpolitiker. Andrzej Wirga vertrat die Solidarność Walcząca (Kämpfende Solidarität) in der Bundesrepublik, wobei er in der Conference of Solidarity Suport Organisations, kurz CSSO (internationaler Zusammenschluss der Organisationen zur Unterstützung der Gewerkschaft „Solidarność“), der sein Hilfswerk angehörte, verantwortlich dafür war, technisches Gerät für die im Untergrund agierende Gewerkschaft nach Polen zu bringen. Ansonsten beteiligte er sich an der Organisation von Demonstrationen und Protestaktionen. Außerdem gab er der der Presse, den Rundfunksendern und deutschen TV-Anstalten im Rahmen der breit angelegten Kommunikationskampagne des Komitees viele Interviews und er versorgte den polnischen Dienst des Senders Radio Freies Europa mit Informationen. Darüber hinaus arrangierte er Treffen mit deutschen Politikern und Gewerkschaftern. 1985 fand am Sitz des DGB in Frankfurt am Main eine von ihm kuratierte Fotoausstellung statt. Anlässlich des fünften Jahrestags der Solidarność Walcząca wurden im Bonner Konrad-Adenauer-Haus Bilder der unabhängigen Fotoagentur „DEMENTI“ gezeigt. Die Ausstellung wurde vom damaligen Arbeitsminister Norbert Blüm eröffnet.

Die Arbeitsgruppe „Solidarność“ West-Berlin entstand im Dezember 1981. Zu ihren Schlüsselfiguren zählten Krzysztof Wcisło, Krzysztof Kasprzyk, Barbara Nowakowska-Drozdek und Wojciech Drozdek. Die Vereinigung gab ihre eigene Monatszeitschrift „Przekazy“ („Mitteilungen“) heraus, deren Redaktion zunächst von Krzysztof Kasprzyk geleitet wurde, bis Wojtek Drozdek auf ihn folgte. 1984 wurde die Zeitschrift dann zum Organ der Arbeitsgruppen „Solidarność“ in West-Berlin, Köln, Eschweiler – Aachen und des Hilfskomitees „Solidarność“ in Mainz erklärt. Das Berliner Büro wurde offiziell im August 1982 mit einer Ausstellung zum zweijährigen Bestehen der Gewerkschaft „Solidarność“ eröffnet, wobei solche Veranstaltungen typische Formate waren. Sie zeigte unter anderem Arbeiten von Andrzej Krauz und sie bot Künstlern aus der DDR einen Raum, und zwar denen, die in die Bundesrepublik ausgesiedelt waren, als auch jenen, die hinter dem „Eisernen Vorhang“ verharrten. Zu dieser Ausstellung erschien ein Sonderheft der Zeitschrift „Przekazy“, das der Opposition in Ostdeutschland gewidmet war. 1984 stellte die AGS West-Berlin die Arbeit ein.

Die Towarzystwo „Solidarność“ – Gesellschaft „Solidarność“ ging 1983 in West-Berlin aus dem informellen Komitee zur Verteidigung der [Gewerkschaft] „Solidarność“ (Komitet Obrony Solidarności, kurz KOS) hervor. Mitbegründer und Vorsitzender dieser Organisation, die wie das KOS hauptsächlich dazu da war, im Kriegsrecht verfolgten Solidarność-Aktivisten beizustehen, war Edward Klimczak. Weitere Aufgaben bestanden darin, der deutschen Gesellschaft und im Westen lebenden Polen Informationen über die Lage im Land zu vermitteln. Die Menschen im polnischen Untergrund wurden mit geschmuggelten Druckmaschinen, Druckzubehör, Abhörgeräten, Radios und Fernsehern unterstützt. Dabei wurden auch Bücher und eigene Drucksachen in kleinsten Auflagen sowie Literatur in russischer und ukrainischer Sprache über die Grenze geschafft. Die Transporte für die Solidarność Walcząca im Osten des Landes organisierte Kazimierz Michalczyk, während Leszek Kaleta die Breslauer Dependance belieferte. Die Gesellschaft „Solidarność“ richtete auch als Arm des CSSO in West-Berlin das Jahrestreffen 1989 aus. Das KOS gab anfangs alle zwei Wochen ein „Biuletyn Informacyjny“ („Informations-Bulletin“) heraus, auf das später die Zeitschrift „Pogląd“ („Meinung“) folgte, die seit 1983 alle drei Monate auf Deutsch erschien. Seit 1985 wurde „Pogląd“ auch in einem Kleinformat nach Polen versandt.

Die Arbeitsgruppe „Solidarność“ Köln entstand 1982. Da sich die Botschaft der Volksrepublik Polen in Köln befand, spielte diese Vereinigung eine wichtige Rolle, um die Formalitäten im Hinblick auf die häufigen Protestaktionen und Demonstrationen zu bewerkstelligen, die zusammen mit anderen Organisationen zur Unterstützung der Gewerkschaft „Solidarność“ veranstaltet wurden. Zu diesen Anlässen in den Händen der AGS Köln zählten Märsche durch die Stadt (13. Dezember 1983), Kundgebungen vor Einrichtungen der Volksrepublik Polen (13. Mai 1988), Hungerstreiks (24. Dezember 1981 und 6. Mai 1985), Feierlichkeiten zu Gedenktagen (1. Oktober 1984), Spendenaktionen, Informationsstände und Unterschriftenkampagnen (1. Mai 1982). Eine spektakuläre Aktion, die sich in der Wochen vom 6. bis zum 13. Mai 1985 ereignete, bestand in einem Hungerstreik für die Freilassung der zu langen Freiheitsstrafen verurteilten Solidarność-Mitglieder Andrzej Gwiazda, Władysław Frasyniuk, Bogdan Lis und Adam Michnik, für die Anführer der Konföderation eines unabhängigen Polens (Konfederacja Polski Niepodległej, kurz KPN) mit Leszek Moczulski an der Spitze sowie gegen die Verfolgung der katholischen Kirche und ihrer Priester. Ähnliche Aktionen gab es auch in Brüssel, Paris, London, Wien, Manchester, Oslo und Chicago. Die Köpfe der Kölner Gruppe waren Jerzy Lisiecki, Stanisław Wolnik, Krzysztof Chorosiński, Marek Poliwski, Stanisław Cegliński und Dorota Leszczyńska.

Die Arbeitsgruppe „Solidarność“ Eschweiler – Aachen e. V. trat im August 1982 durch Kontaktaufnahme mit dem Bremer Solidarność-Büro und der AGS West-Berlin in Erscheinung. Sie kümmerte sich vor allem um die Beschaffung und den Transport von Medikamenten sowie um humanitäre Hilfen. Als die Gruppe mit der Zeit immer mehr Sympathisanten in Aachen gewann, trat sie unter dem Namen Eschweiler – Aachen auf. Mitte der 1980er Jahre zählte sie mit Nebenstellen in Düren, Monheim und Bonn über 150 Mitglieder.

Auch diese Vereinigung versorgte Deutsche und Polen mit Informationen, und sie organisierte drei der Solidarność gewidmete Ausstellungen. Die erste fand im Rathaus von Eschweiler statt, die zweite in der Stadtbibliothek Aachen und die dritte, anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Solidarność, im Aachener Kulturhaus Barockfabrik. Außerdem gab die Gruppe Flugblätter heraus, sie war an der Redaktion der in West-Berlin erscheinenden Monatszeitschrift „Przekazy“ beteiligt, sie verbreitete das „Informations-Bulletin“ und Untergrundpresse aus Polen, und sie richtete Informationsstände ein. Außerdem war sie seit 1983 fast immer an der Organisation von Demonstrationen vor der polnischen Botschaft in Köln beteiligt und sie nahm auch an Protestaktionen anderer Unabhängigkeitsorganisationen teil, etwa des Christlichen Dienstes für die Befreiung der Völker (Chrześcijańska Służba Wyzwolenia Narodów, kurz ChSWN), des Verbands Polnischer Flüchtlinge (Zjednoczenie Polskich Uchodźców, kurz ZPU) oder des Vereins „POMOST“ (Die Brücke). Außerdem kooperierte die AGS Eschweiler – Aachen mit anderen Unterstützergruppen der Solidarność in Westdeutschland wie dem Hilfskomitee „Solidarność in Mainz, den AGS in Köln, München und West-Berlin sowie mit der Gesellschaft „Solidarność“ Berlin. 1986 näherte sich die Gruppe den CSSO-Organisationen an. Ihre Aufnahme fand 1987 anlässlich der Zusammenkunft in London statt. Im Rahmen des CSSO übernahm die Gruppe unter anderem die Schirmherrschaft für „Betriebs“-Publikationen in Polen. Zudem richtete sie 1988 und 1990 auch Treffen des CSSO aus, zuletzt anlässlich des zehnten Jahrestags der August-Proteste in Polen. Die Hilfemaßnahmen für die demokratische Opposition und die Untergrund-Solidarność in Polen wurden regional von Ryszard Wyżga für Westpommern, von Jerzy Szczepański für Mittel- und Ost-Polen und von Wojciech Gawron für die Vorbeskiden koordiniert. Aleksander Zając orchestrierte die Hilfe für die Solidarność Walcząca. Für Schlesien waren Bogusław Teodorowski und Mieczysław Zarzyczny zuständig. Den Unabhängigen Studentenverband (Niezależne Zrzeszenie Studentów, kurz NZS) haben Wojciech Gawron und Aleksander Zając als Vertreter des Akademischen Informationszentrums (Centrum Informacji Akademickiej, kurz CIA) des NZS im Westen unterstützt. Technische Geräte wurden von Andrzej Wirga vom Hilfskomitee „Solidarność“ in Mainz und von Józef Lebenbaum von der IPA (Independent Polish Agency) im schwedischen Lund nach Polen eingeschleust. Die AGS Eschweiler – Aachen e. V. unterstützte die Verlage im Untergrund, die in Mittel- und Ost-Polen, in Westpommern und in den Vorbeskiden tätig waren, ebenso Verlage des Studentenverbandes NSZ in Kraków (Krakau) und Warszawa (Warschau). Darüber hinaus erhielten streikende Mitglieder der Solidarność finanzielle Hilfen. Mit dem Akademischen Informationszentrum in Warszawa und der Solidarność Walcząca bestanden Kooperationen. Gefördert wurden diese Presseorgane: „CIA – Serwis Informacyjny NZS“ (Informationsbulletin des Studentenverbands), „Solidarność Podbeskidzia“ (Vorbeskiden), „Z Dnia Na Dzień“ (Niederschlesien), „Solidarność Walcząca“, „INDEKS“ (Kraków), „BIULETYN“ (Studentenverband der Wirtschaftsakademie Kraków), „Na Bieżąco” in Opole (Oppeln), „Jedność” (Westpommern), „Obraz” in Szczecin (Stettin), Tygodnik Wojenny sowie die Bürger-Komitees in Tychy (Tichau) und in Bielsko-Biała (Bielitz-Biala).

Der 1983 gegründete Verein Solidarität der freien Polen in Bayern e. V. (Solidarność Wolnych Polaków w Bawarii, kurz SWPwB) verdankte sich einer Initiative der Mitarbeiter des Münchner Senders Radio Freies Europa. Erster Geschäftsführer des Vereins war Janusz Urbanowicz, der zuvor schon in der Bewegung zur Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte (Ruch Obrony Praw Człowieka i Obywatela, kurz ROPCiO) mitgewirkt hat. Er wurde von Wojciech Stockinger abgelöst, auf den schließlich Nina Kozłowska folgte. Der Verein gab ebenfalls ein „Biuletyn Informacyjny“ (Informations-Bulletin) heraus, aus dem die Zeitschrift „Polonik Monachijski“ (Münchner Polonicus) entstand, die unter anderem von Mirra Filipowicz, Jerzy Sonnewend und Bogdan Żurek geleitet wurde. Auch dieser Verein gehörte dem CSSO an. Die Organisationen, die in Bayern unzählige Aktionen und Veranstaltungen für Polen durchgeführt haben, wurden von Schauspielern und Künstlern sowie von Mitarbeitern des Rundfunksenders Radio Freies Europa tatkräftig unterstützt. An dieser Stelle sind zu erwähnen: Jacek Kaczmarski, mit dem auch der Liedermacher des „Prager Frühlings“, Karel Kryl, aufgetreten ist, Wojciech Stockinger, Santos Liszko, Marcin Idziński und der prominente Jazzmusiker Leszek Żądło. Dank ihrer vielen Kontakte in deutsche Kreise spielte auch die Schauspielerin Barbara Kwiatkowska-Lass eine bedeutende Rolle, da sie im Kriegsrecht Hilfeaktionen für Polen auf den Weg brachte, politische Flüchtlinge und ihre Familien betreute und Wohltätigkeitsaktionen ins Leben rief. Der Verein konzipierte auch die Ausstellung „Das Recht auf freies Wort“, die auf Initiative von Nina Kozłowska, Anatol Kobyliński und Dr. Witold Pronobis unter anderem in der Universitätsbibliothek [der katholischen Hochschule – Anm. d. Übers.] in Eichstätt zu sehen war.

 

Die Arbeitsgruppe „Solidarność“ München wurde 1982 Jerzy Jankowski gegründet, der Anfang der 1990er Jahre durch einen Autounfall verstarb. Sonst ist nur bekannt, dass Wiesława Wołek die Zeitschrift „Słowo Solidarności“ (sinngemäß „Die Stimme der Solidarność“) herausgegeben hat. Andere Unterlagen über die Aktivitäten der Gruppe haben sich nicht erhalten.

Ab Mitte der 1980er Jahre entstanden in Deutschland weitere Initiativen zur Unterstützung der Solidarność. Hier sind in Nürnberg das Teatr Bezdomny „Solidarność“ (Obdachloses Theater „Solidarność“) unter der Leitung von Paweł Ciesielski zu nennen und in St. Ingbert der Klub „Wolni i Solidarni“ (Club „Die Freien und die Solidarischen“), den Józef Piotrowski prägte.

Zu den Organisationen, die in der Pro-Solidarność-Bewegung in Deutschland zusammengearbeitet haben, gehörten: der christliche Dienst ChSWN, der Verband ZPU, die Polnische Sozialistische Partei (Polska Partia Socjalistyczna, kurz PPS), die gesellschaftspolitische Verein „POMOST“, der Polnische Klub (Klub Polski) in Hamburg, der Polnische Informationsclub (Polski Klub Informacyjny) in Hannover, der Münchner Juliusz Mieroszewski-Club für freies politisches Denken (Klub Niezależnej Myśli Politycznej im. Juliana Mieroszewskiego), die Redaktion des vom Düsseldorfer Komitee „Solidarität mit Solidarność“ herausgegebenen Bulletins „Nie Cenzurowano“ („Unzensiert“), die Hamburger Redaktion des „Biuletyn Informacyjny“, die Bonner Gesellschaft „KONTYNENT“ (der Kontinent), der polnische Dienst des Senders Radio Freies Europa sowie der Kongress für ein freies Polen in Europa (Kongres Wolnej Polski w Europie).

Die Gründungen der ersten Komitees und Arbeitsgruppen zur Unterstützung der Solidarność leiteten eine konzertierte Hilfsaktion für die Gewerkschaft und die demokratische Opposition in Polen ein, die den Internierten und ihren Familien zugutekam und ansonsten der Beschaffung und dem Transport von Medikamenten, der Organisation von Protestaktionen und der Übernahme von Patenschaften für die Angehörigen der Verfolgten gewidmet war. So beteiligte sich die AGS West-Berlin 1982 finanziell an der Behandlung eines Kindes von Grzegorz Palka, einem Funktionär der Solidarność in Łódź, in einem Berliner Krankenhaus. Außerdem organisierte die Gruppe Demonstrationen, Kundgebungen und Manifestationen gegen die Diktatur in Polen. In diesem Sinne veranstaltete sie zusammen mit dem KOS schon im Januar 1982 ein politisches Event unter dem Motto „Solidarność lebt“. Demonstrationen am zweiten Jahrestag der Ausrufung des Kriegsrechts in Polen fanden in München und Köln statt. An der Kundgebung vor der polnischen Botschaft in Köln nahmen außer Mitgliedern der Unterstützerorganisationen auch Vertreter des Polnischen Informationsklubs aus Hannover und Betreiber der Düsseldorfer Zeitschrift „Nie Cenzurowano“ teil. Flankiert wurde diese Aktion von einer Pressekonferenz der Kölner AGS und des Hilfskomitees „Solidarność“ Mainz. Am 21. Mai 1984 versammelten sich die Unterstützerorganisationen auf Initiative der Gesellschaft „KONTYNENT“ vor der sowjetischen Botschaft in Bonn, um für Andrej Sacharow zu demonstrierten. Vom 13. bis zum 20. Juli 1984 fanden vor den polnischen Einrichtungen in Köln Kundgebungen statt, die von der AGS Köln, der PPS-Partei und dem Verein „POMOST“ vorbereitet wurden. Am 21. Juli 1984 gab es vor der Kölner Botschaft der Volksrepublik Polen eine Abschlussdemonstration, die von den Vertretern des christlichen Dienstes ChSWN, des Verbandes ZPU und von Mitgliedern der Unterstützerorganisationen getragen wurde. Diese Demonstration fand anlässlich des vierzigsten Jahrestages der Machtübernahme durch die Kommunisten statt und sollte die deutsche Gesellschaft zum einen auf die Gerichtsprozesse aufmerksam machen, die am 13. Juli 1984 gegen die vier Anführer des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (Komitet Obrony Robotników, kurz KOR) begonnen hatte, zum anderen richtete sich der Protest gegen die virulenten Menschenrechts- und Bürgerrechtsverletzungen in Polen. Am 1. November 1984 versammelten sich Mitglieder der AGS West-Berlin, Köln und Eschweiler – Aachen sowie des Hilfskomitees „Solidarność“ vor der Botschaft in Köln, um gegen das kommunistische Regime in Polen zu agitieren und ihre Empörung über die Ermordung von Pfarrer Jerzy Popiełuszko zum Ausdruck zu bringen. Der Vorsitzende des christlichen Dienstes ChSWN, Pfarrer Franciszek Blachnicki, trug damals das „geistige Testament” des Ermordeten vor. Die Demonstration endete mit einem Gedenken der 73 Opfer des Kriegsrechts.

Am 3. November 1984 zog ein Trauermarsch für den ermordeten Pfarrer Jerzy Popiełuszko durch die Straßen Berlins, den die Gesellschaft „Solidarność“, die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), die Junge Union [der CDU – Anm. d. Übers.] und die beim Berliner Mauermuseum angesiedelte „Arbeitsgruppe 13. August“ angemeldet hatten. Am 13. Dezember 1984 organisierten die AGS Köln und die AGS Eschweiler – Aachen gemeinsam mit der Gesellschaft „Solidarność“ aus Berlin, dem Hilfskomitee „Solidarność“ aus Mainz und dem christlichen Dienst ChSWN aus Köln eine Demonstration für die Wiederaufnahme der NSZZ „Solidarność“ in Polen.

Vom 6. bis zum 13. Mai 1985 traten 26 Menschen vor der polnischen Botschaft in Köln in den Hungerstreik, um gegen die Verhaftung von Władysław Frasyniuk, Bogdan Lis und Adam Michnik und die Eröffnung der gegen sie eingeleiteten Gerichtsverfahren zu protestieren. Mitverantwortlich für diese Aktion waren neben der AGS Köln die PPS-Partei, der ChSWN und der Dortmunder Kreis des ZPU. Ähnliche Aktionen fanden in London, Brüssel, Paris, Oslo, Wien und Chicago statt.

 

 

Am 3. Juni 1985 ging die Gesellschaft „Solidarność“ in Berlin mit einer Unterschriftensammlung für eine Petition an den deutschen Bundeskanzler an die Öffentlichkeit, um laufende Kreditgespräche mit dem Regime der Volksrepublik Polen zu stoppen. Am 24. Mai 1986 fand eine Demonstration vor der sowjetischen Botschaft in Bonn statt, die sich gegen die Politik der UdSSR und die Folgen des Reaktorunfalls von Tschernobyl wandte. Die Initiative zu dieser Aktion ging von der AGS Köln aus, die sie neben dem ChSWN, dem ZPU und der Gesellschaft „KONTYNENT“ auch wesentlich mitgestaltet hat. Zu einer Demonstration der AGS Eschweiler – Aachen vor der polnischen Botschaft in Köln kam es auch am 30. August 1987, deren Forderungen die Wiederaufnahme der Gewerkschaft NSZZ „Solidarność“ und die Erlangung gewerkschaftlichen Freiheiten in Polen betrafen. Weitere Protestaktionen der AGS Eschwelier – Aachen vor der Botschaft der Volksrepublik fanden am 13. Mai und am 31. August 1988 statt. Auch bei diesen Kundgebungen wurden die Einräumung gewerkschaftlicher Freiheiten in Polen und die Wiederaufnahme der NSZZ „Solidarność“ verlangt.

Indessen wurde die deutsche Öffentlichkeit laufend über die Situation in Polen, über die Repressionen und den Widerstand der Bevölkerung unterrichtet. In diesem Zusammenhang veranstaltete der christliche Dienst ChSWN von 1983 bis 1988 auch sechs Friedensmärsche zur Befreiung der Völker zwischen Carlsberg und dem Hambacher Schloss, einem symbolträchtigen Ort für den Kampf um demokratische und nationale Rechte. Jeder Marsch wurde von einem Symposium begleitet, das die Zustände in Polen behandelte. Darüber hinaus wurden in West-Berlin, München, Frankfurt am Main Köln, Bonn, und Aachen zahlreiche Informationstische aufgeboten, um Materialien über die Gewerkschaft „Solidarność“ zu verbreiten. Beiträge zur Lage in Polen waren aber auch in deutschsprachigen Publikationen nachzulesen, darunter in dem Informationsmagazin der PPS „Die Wende“, in der Zeitschrift „Meinung“ der Gesellschaft „Solidarność“ in West-Berlin und im „Informations-Bulletin“ des Hilfskomitees „Solidarność“ in Mainz.

Eine wichtige Rolle für die Kommunikation mit der deutschen Öffentlichkeit spielte der 1985 in München gegründete Juliusz Mieroszewski-Club für freies politisches Denken, der viele Mitarbeiter des polnischen Dienstes des Senders Radio Freies Europa in seinen Reihen hatte, sodass er über viel Insiderwissen verfügte. Der Club führte zahlreiche Aktionen durch, hielt Treffen ab, richtete Ausstellungen und Vorträge aus, und er bereitet Presseschauen zur aktuellen Situation in der Volksrepublik Polen auf. Geleitet wurde er von dem bekannten Schriftsteller Włodzimierz Odojewski mit den Stellvertretern Adam Rosenbusch, Bogdan Żurek und Franciszek Kotliński sowie Alina Grabowska als Sekretärin. Auch die Schauspielerin Barbara Kwiatkowska-Lass war in diesem Club aktiv. 2002 wurde die Arbeit dann eingestellt.

1983 schlossen sich 45 der weltweit auf vier Kontinenten spontan entstandenen Unterstützerorganisationen dem in­ter­na­tionaler Zu­sam­men­schluss der Organisationen zur Unterstützung der Gewerkschaft „Solidarność“ (CSSO) an. Unter den diversen Maßnahmen, die von dieser Dachvereinigung getroffen wurden, ragen zwei heraus. Zum einen die legendäre Spende von einer Million Dollar, die vom Kongress der USA „erzwungen“ wurde, zum anderen die Schaffung eines Hilfsprogramms für die einzelnen Betriebskomitees der Solidarność.

Die Kooperation der ausländischen Unterstützerorganisationen der Solidarność im CSSO war für die Wirksamkeit der Polenhilfe von großer Bedeutung, wobei Gelder nach Polen zu transferieren zu den leichtesten Aufgaben gehörte. Deutlich schwieriger gestaltete sich die Einfuhr von Druckerzeugnissen, die unter den Kommunisten verbotenen waren. Eine ganz spezielle Logistik war wiederum zur Vorbereitung und Abwicklung von Transporten technischer Güter gefragt. Zu den Personen, die sich diesbezüglich besonders hervorgetan haben, gehörten Mirosław Chojecki in Frankreich, Józef Lebenbaum und Marian Kaleta in Schweden, Andrzej Świętek in Dänemark sowie Andrzej Chilecki und Andrzej Wirga in Deutschland. Ihre Dienste wurden immer dann in Anspruch genommen, wenn Druckmaschinen und Offsetmaschinen bzw. Vervielfältigungsgeräte, Geräte zum Abhören des Funkverkehrs der Miliz (Milicja Obywatelska, kurz MO) und der Sicherheitsdienste, Radios und Spezialgeräte zur Lauschabwehr verbracht werden sollten. Dabei unterhielt jede Unterstützungsgruppe eigene Kontakte nach Polen. Zu den Empfängern der Lieferungen gehörten: das Auslandsbüro der GewerkschaftSolidarność“ in Brüssel, die NSZZ „Solidarność“, die Vorläufige Koordinierungskommission der Gewerkschaft „Solidarność“ (Tymczasowa Komisja Koordynacyjna NSZZ Solidarność), die regionalen Sektionen der Solidarność in Łódź, Mittel- und Ostpolen, in den Vorbeskiden, Westpommern, der Danziger Werft und Schlesien-Dąbrowa, das Akademische Informationszentrum des Unabhängigen Studentenverbandes (Centrum Informacji Akademickiej NZS), Nebenstellen der Solidarność Walcząca in Wrocław, Katowice, Poznań, die Solidarność Walcząca, die Konföderation eines unabhängigen Polens (KPN), die Gruppen „Niepodległość“ (Unabhängigkeit) und „Wola“ (der Wille), der Parteiflügel der PPS von Józef Pinior, die Polnische Unabhängigkeitspartei (Polska Partia Niepodległościowa), die Bürgerkomitees in Tychy und Bielsko-Biała, das Bürgerkomitee des Gewerkschaftvorsitzenden Lech Wałęsa, die Funktionäre Andrzej Słowik, Zbigniew Romaszewski, Romuald Szeremietiew, Marian Jurczyk, Leszek Moczulski, Stefan Bratkowski und Kornel Morawiecki sowie Redaktionen von Periodika und Informationsschriften, darunter das „CIA – Centrum Informacji Akademickiej“, außerdem Redaktionen von Zeitungen und Zeitschriften wie „Solidarność Podbeskidzia“ (Vorbeskiden), „Z Dnia Na Dzień“ (Niederschlesien), „Solidarność Walcząca“, „INDEKS” (Kraków), „BIULETYN“ (Wirtschaftsakademie Kraków), „Na Bieżąco“ (Opole), „Jedność“ (Westpommern), „Obraz“ (Szczecin), „Tygodnik Wojenny“ sowie die Nachrichtenrundschau „PWA – Przegląd Wiadomości Agencyjnych“.

1990 fand anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Gewerkschaft „Solidarność“ ein CSSO-Kongress in Aachen statt, bei dem die Vertreter der Pro-Solidarność-Bewegung mit den Vertretern der Nationalen Kommission der Gewerkschaft „Solidarność“ (Komisja Krajowa NSZZ Solidarność) und den Abgeordneten des Parlamentarischen Bürgerclubs (Obywatelski Klub Parlamentarny) zusammenkamen. Im selben Jahr überreichte der letzte Exilpräsident Ryszard Kaczorowski dem neuen, demokratisch gewählten Präsidenten der Dritten Republik, Lech Wałęsa, die Insignien des Präsidenten der Zweiten Polnischen Republik. Mit dieser Geste ging die Mission der Solidarność-Unterstützerorganisationen im Ausland zu Ende.

 

Alexander Zając, Juni 2022

 

Zusätzliche Informationen:

Der Polnische Club (Klub Polski) in Hamburg koordinierte die Hilfemaßnahmen vor Ort, wobei auch andere Organisationen im Dienst der Unabhängigkeit aktiv in seine Arbeit eingebunden waren. Zu ihnen gehörten die Vereinigung Polnischer Kombattanten (Stowarzyszenie Polskich Kombatantów, kurz SPK), der Hamburger Parteikreis der PPS, die KPN und der von der Gewerkschaft abgespaltene Flügel „Solidarność 80“. Der Club organisierte Treffen mit Oppositionellen wie Marian Jurczyk und Romuald Szeremietiew sowie Demonstrationen und Protestaktionen. Eine der bekanntesten Aktivitäten war eine Demonstration vor dem Konsulat der Sowjetunion, die mit Booten durchgeführt wurde, da die Organisatoren keine Genehmigung erhalten hatten, sich dem Konsulatsgebäude von der Straßenseite aus zu nähern. Der Club wurde lange von Maksymilian Pelc geleitet. Sein Nachfolger war Arkadiusz Kulaszewski.

 

Informationen im Netz über:

1.  die Conference of Solidarity Support Organizations (CSSO)

     http://en.wikipedia.org/wiki/Conference_of_Solidarity_Support_Organizations

2.  die Arbeitsgruppe „Solidarność“ Eschweiler – Aachen e.V.

     http://pl.wikipedia.org/wiki/Arbeitsgruppe_%22Solidarno%C5%9B%C4%87%22_Eschweiler-Aachen_e.V. und http://www.dw.de/dw/article/0,,15584318,00.html

3.  den polnischen Dienst des Senders Radio Freies Europa

     http://pl.wikipedia.org/wiki/Radio_Wolna_Europa

 

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