Dorota Danielewicz – Kulturmanagerin, Slawistin, Schriftstellerin und Journalistin

Dorota Danielewicz, Porträt um 1998, im Łazienki-Park, Warschau, Copyright: Renate von Mangold
Dorota Danielewicz, Porträt um 1998, im Łazienki-Park, Warschau

Dorota Danielewicz [veröffentlichte auch als Dorota Kerski und Dorota Danielewicz-Kerski] wurde am 30. Oktober1964 in Poznań (Posen) als erstes Kind von Marian Danielewicz – einem diplomierten Physiker, Erfinder und einem der ersten Spezialisten für Computerprogrammierung in Polen – und Małgorzata Danielewicz, einer Absolventin der Biowissenschaften, geboren. Ihre Schwester Emanuela wurde im Jahr 1971 geboren. 

Die Familie lebte im Stadtteil Jeżyce in Poznań; den Großteil ihrer frühen Kindheit verbrachte Dorota bei ihren Großeltern in Rawicz und Nowy Tomyśl.

Bereits im Alter von neun Jahren entdeckte sie ihre Liebe für Fremdsprachen. Über ihren Onkel, der an der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań Professor für Klassische Philologie war, kam sie in eine von Pädagog:innen der Universität gegründete Experimentalgruppe. Ein großer Anreiz fürs Lernen war für sie die Aussicht auf eine Reise zu ihrer Verwandtschaft in England. Ihre erste Auslandsreise im Alter von 10 Jahren – eine Exkursion mit der Universität für Biowissenschaften – führte sie jedoch nach Rügen in die DDR. Dank Ihrer Kontaktfreudigkeit, die ihr auch als Erwachsene erhalten bleibt, schloss sie Freundschaft mit den gleichaltrigen Zwillingen Diggi und Daggi, deren Vater an der Landwirtschaftlichen Fakultät in Halle arbeitete. Die Mädchen standen mehrere Jahre lang in Kontakt miteinander.

Als Kind liebte Dorota das Lesen. Auch zeichnete sie viel. Sie schrieb schon immer, auch Gedichte. Sie spielte gerne Szenen mit selbstgenähten Puppen nach. „Ich hatte viele Freiheiten“, sagt sie im Gespräch mit „Porta Polonica“. „Ich habe viel Zeit mit Gleichaltrigen im Freien verbracht. Wir spielten an der Teppichstange, im Hof, machten Abzählreime“, erzählt sie.

Für die Sekundarstufe wählte sie das Jan-Paderewski-Gymnasium in Poznań mit Schwerpunkt auf Mathematik, Physik und Englisch. Sie war eine gute Schülerin, die viel schrieb und an Rezitationswettbewerben teilnahm. So wurde sie auch für die Teilnahme an einem Fernsehprogramm für Jugendliche ausgewählt, das im Herbst 1981 beginnen sollte.

 

Dauerhafter Umzug nach Deutschland
 

Im Alter von 16 Jahren wanderte Dorota Danielewicz mit ihren Eltern und ihrer Schwester nach Westdeutschland aus. Die Zugfahrt in ein neues Leben von Poznań nach Berlin fand am 3. Juli 1981 statt.

Einige Monate zuvor hatte Dorotas Vater an seinem Arbeitsplatz in Poznań eine Zweigstelle der unabhängigen, freien Gewerkschaft „Solidarność“ gegründet. Er hatte sich zuvor bereits mit den Behörden der Volksrepublik Polen angelegt, die ihn zu überwachen versuchten. Als Ingenieur arbeitete er im Auftrag seiner Firma mit dem renommierten Göttinger Unternehmen „Sartorius“ zusammen. Er reiste einmal im Jahr zur beruflichen Weiterbildung nach Westdeutschland. Deutsche Kolleg:innen, die seine Kompetenz zu schätzen wussten, boten ihm einen Arbeitsplatz an, sofern er sich zum Auswandern entschließen würde. Als bekannt wurde, dass Marian Danielewicz von einer Internierung bedroht war, beschlossen Dorotas Eltern zu emigrieren. Der Vater ging wie üblich im Frühsommer zur Weiterbildung mit einem Arbeitsvisum nach Deutschland. Nach drei Wochen kamen seine Frau und seine beiden Töchter nach. Sie bekamen einen Pass, um ihre ehemaligen Nachbarn zu besuchen, die einige Wochen zuvor nach Berlin gegangen waren. Dorota und ihre Schwester dachten, dass sie für ein paar Wochen in den Urlaub nach Berlin fahren würden. Sie war sehr überrascht, als sich herausstellte, dass sie vom Bahnhof in Berlin zum Durchgangslager in der Marienfelder Allee fuhren! Dort wartete ihr Vater auf sie, der bald eine Stelle bei „Sartorius“ antreten würde. Er sollte dort bis zu seiner Pensionierung beschäftigt sein.

Dorota war damals vor Ort entsetzt. Sie fand sich in einem Lager wieder – in einem heruntergekommenen Gebäude voller Zimmer mit Etagenbetten. „Ich war im Jahr zuvor in England. Ich hatte keinen Bezug zu Deutschland“, sagt sie im Gespräch mit „Porta Polonica“. „Ich fühlte mich wie auf einem fremden Planeten, als wäre ich entführt worden. Ich war wahrscheinlich depressiv. Meine Eltern haben die Entscheidung selbst getroffen, keine Erklärungen abgegeben. Sie wiederholten nur immer: ‚Hier bist du besser aufgehoben‘, fertig“, erzählt sie.

Der Anfang in Deutschland war für die 16-Jährige geprägt von einer großen Sehnsucht nach Freund:innen aus Poznań, aber auch nach ihrem ersten Freund. Die Familie verbrachte zwei Monate in dem Lager an der Marienfelder Allee. Von hier aus zog Familie Danielewicz in eine Unterkunft für Umsiedler:innen und fand noch im Herbst 1981 eine Wohnung im Bezirk Schöneberg.

 

In den Labyrinthen der schulischen Integration
 

In Berlin wird Dorota in einen Sprachkurs für geflüchtete Kinder von 13–18 Jahren aufgenommen. Da sie schnell lernt, kommt sie nach drei Monaten in eine Gruppe mit Kindern, die in Polen Deutsch gelernt hatten. Ein halbes Jahr später wird sie in die Deutschklasse versetzt, in die 10. Klasse. Nach dem Ende des Schuljahres will Dorota eine neue Schule suchen. Sie findet ein Gymnasium, zu dem sie eine Stunde lang durch Berlin fährt, aber bald merkt sie, dass es in der Schule eine strikte Trennung zwischen polnischen und deutschen Kindern gibt. Und sie möchte sich sehr gerne integrieren. Sie fühlt sich dort nicht wohl. So sucht sie wieder nach einer neuen Schule und entscheidet sich für eine private Schule, in der 300 Mark pro Monat zu zahlen sind. Doch auch hier fühlt sie sich unwohl. Die anderen Jugendlichen sind allesamt wohlhabend und interessieren sich kaum für Schule und Lernen. Sie aber möchte lernen, ist ehrgeizig. Eines Tages soll sie einen Aufsatz über einen Text von Kurt Tucholsky schreiben. Sie kann ihre Gedanken nicht formulieren, gleichzeitig merkt sie aber, dass sie das Werk perfekt verstanden hat. Enttäuscht verlässt sie auch diese Schule und arbeitet als Eisverkäuferin. Ein weiterer Schulwechsel wird zum Rettungsanker. Sie kommt auf die Anna-Freud-Oberschule in Berlin, wo Jugendliche der 11. bis 13. Klasse auf die Abiturprüfung vorbereitet werden. Dorota wählt dort Psychologie als Vertiefungsfach. Unterrichtet wird sie zusammen mit einer Gruppe unangepasster Jugendlicher aus guten Gymnasien. Es sind Individualist:innen, die wie viele ihrer Lehrer:innen linke Ansichten vertreten. In Erinnerung sind ihr der Deutschlehrer und eine Psychologin geblieben. Beide waren Pädagog:innen, die eine kritische Haltung gegenüber der Welt vermittelt haben. Damit war das Schreiben eigenständiger Aufsätze kein Problem mehr. Bald fühlt sie sich zu Hause – in Berlin und in der Schule. Sie schöpft viel aus der Beziehung zu ihrem deutschen Freund. Im Wohnzimmer seines Hauses finden Kammerkonzerte statt, die Eltern nehmen sie zu kulturellen Veranstaltungen mit und empfehlen ihnen Lektüren. Dorota genießt auch das normale jugendliche Leben. Im Jahr 1985 macht sie ihren Schulabschluss. Die herausfordernde Zeit des Hineinwachsens in eine neue Stadt und eine neue Umgebung beschreibt Danielewicz Jahre später im Buch „Auf der Suche nach der Seele Berlins“[1].

 

[1]   „Sommer in der Stadt“, in: Dorota Danielewicz: Berlin. Auf der Suche nach der Seele Berlins, Warschau 2013, S. 22 ff.

Alma Mater und der Strudel des Multikulturalismus
 

Im Jahr 1986 schreibt sich Dorota Danielewicz an der Freien Universität in Berlin ein, um Slawistik, Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Anthropologie und Ethnologie zu studieren. Sie nimmt an Proseminaren teil. In der Ethnologie beschäftigt sie sich mit den Erkenntnissen von Bronisław Malinowski. In dieser Zeit führt Dorota als Studentin ein völlig unabhängiges Leben. Sie hat eine Wohnung gemietet, lebt vom Kindergeld, putzt abends eine Boutique am Kurfürstendamm und gibt Nachhilfe in Mathematik. Noch vor dem Abitur ist sie von zu Hause ausgezogen und in einer linken, für Berlin typischen Kommune gelandet. Das Leben stellt Herausforderungen und Dorota nimmt sie intuitiv und mutig an.

 

New York
 

1988 geht sie mit einer Freundin nach New York. Ein geplanter mehrwöchiger Aufenthalt in der pulsierenden Metropole soll letztendlich ein halbes Jahr dauern. Dorota arbeitet nebenbei in einem koscheren Restaurant am Broadway und besucht einen Kurs für Reiseführer:innen im UNO-Hauptquartier. Bald darauf tritt sie ihre mit Spannung erwartete Stelle bei der UNO im Department of Public Information an, dabei begleitet sie Besuchergruppen aus Deutschland und Polen. Sie hat täglich Briefings, bei denen sie auch in politischen Fragen geschult wird. Noch heute erinnert sie sich an viele Ereignisse, wie die Messe mit dem charismatischen Desmond Tutu, der aus Südafrika zu Besuch kam, oder Ausschnitte aus dem Musical „Hair“, die im Hauptsaal der UNO aufgeführt wurden. Dorota lebt zu dieser Zeit mit zwei gleichaltrigen Frauen in einem schicken Haus am Upper Broadway in der Upper West Side.

Bei einer Vernissage im Museum of Modern Art lernt sie einen freiberuflichen amerikanischen Journalisten kennen, der in ihr offenbar bereits eine zukünftige Berufskollegin sieht. Er informiert sie regelmäßig über interessante Veranstaltungen und nimmt sie als Begleitung zu Events mit, z. B. zu Filmvorpremieren, unter anderem zur Premiere der Komödie „Big“ mit Tom Hanks.

Zu ihren neuen Freunden in New York zählt ein junger Buchhändler, Cliff Simms, mit dem sie Deutsch übt. Als Gegenleistung darf sich Dorota Bücher aussuchen, was sie eifrig in Anspruch nimmt. Jahre später stellt sich heraus, dass ihr damaliger Gesprächspartner Dorothea von Moltke, die Enkelin von Freya und Helmuth von Moltke, geheiratet hatte. Das erfährt sie von einem befreundeten Pfarrer und Nachbarn am Markusplatz in Berlin, der sich in der Stiftung „Kreisau“ (Fundacja „Krzyżowa“) engagiert. Die Wege von Dorota und den alten und neuen Freunden werden sich wieder kreuzen und zeigen, dass es im Leben keine Zufälle gibt. Vielmehr ist es ein Netzwerk, das Dorota ihr Leben lang systematisch aufgebaut hat. Bereits in den 1980er Jahren wurde New York zu einer teuren Stadt und auch die Universitätsausbildung war in den USA besonders teuer. Dorota war klar, dass sie sich außerordentlich anstrengen musste, um ihr Studium dort fortzusetzen. Schließlich kehrt sie nach einem Jahr an die Universität in Berlin zurück.

 

Berlin und München
 

Dort stürzt sich Dorota Danielewicz mit geballter Energie in das universitäre und kulturelle Leben. Mit der Erfahrung aus New York fällt es ihr noch leichter, Kontakte zu knüpfen. Besonders angetan haben es ihr literarische Veranstaltungen. Im Jahr 1989 unterstützt sie die Jüdischen Kulturtage in Berlin. Gemeinsam mit den Kurator:innen reist sie zu organisatorischen Zwecken nach Israel. Dabei helfen ihr die Kenntnisse der polnischen Sprache. 

Ihre Bekanntschaft mit dem jungen deutschen Schriftsteller, Dramatiker und Regisseur Werner Fritsch entwickelt sich in der Zwischenzeit zu einer Beziehung. Sie lernten sich 1985 kennen, als Dorota kurz nach dem Abitur mit ihren Freund:innen und ihrer Schwester nach Prag reiste. Der Zufall wollte es, dass sich während dieses Aufenthalts die Wege dieser zwei Menschen aus Deutschland mehrmals in Museen und dann in einem Café kreuzten. Sie lernen sich genauer kennen. Im Jahr 1990 ändert sich die Art ihrer Beziehung und Dorota zieht nach München. Sie lebt mit ihrem Freund im Stadtteil Schwabing. Werner Fritsch veröffentlicht in dieser Zeit seinen ersten Roman „Cherubim“ im „Suhrkamp Verlag“. Auf einigen Seiten des Buches verewigt er Dorota. In München faszinieren sie die Universität und die hervorragenden Professor:innen. Sie finanziert ihr Studium durch die Arbeit in einer Buchhandlung, wird vom kulturellen Leben Münchens angezogen und mit dem Großbürgertum der bayerischen Hauptstadt konfrontiert. Diese Stadt ist ganz anders als Berlin oder das faszinierende New York. „Die Münchner:innen waren freundlicher als die Berliner:innen. Die Stadt war ausgesprochen wohlhabend, ganz im Gegensatz zur alternativen Kultur Berlins. Diese materielle Einstellung passte nicht zu meiner freien Seele“, erzählt sie. Nach einem Jahr kehrt Dorota im Jahr 1991 nach Berlin zurück.

 

Literarische Brücken zwischen Deutschland und Polen 
 

Nach ihrer Rückkehr nach Berlin beginnt Dorota Danielewicz ihre Arbeit beim Literarischen Colloquium Berlin (LCB). Ihre ersten Schritte im LCB machte sie damals noch mit Werner Fritsch. In Berlin wird Dorota zu einer Ein-Frau-Institution. In dieser Zeit, in der es noch kein Internet gab, konnte sie zahlreiche der brillantesten polnischen Autor:innen ins LCB bringen. Nachdem sie sich zuvor deren aktuelle Bücher besorgt hat, stellt sie diese selbstbewusst den Kolleg:innen vor, die kein Polnisch sprechen. Das Buch-Institut (Instytut Książki) in Polen, das heute Partner vieler deutscher Literaturinstitutionen ist, gab es damals noch nicht. Obwohl die Literaturstipendien des DAAD seit jeher auch an polnische Autor:innen in Berlin vergeben wurden, gab es lange Zeit keine entsprechendes Äquivalent in Polen. Diese Lücke füllt Dorota Danielewicz auf ihre Weise. In den 1990er Jahren will sie eine Brücke zwischen der polnischen und der deutschen Literatur schlagen. Die von Danielewicz organisierten Veranstaltungen sind sehr erfolgreich und gelten in Berlin noch immer als „legendär“. Kurz nach dem Fall der Mauer im Jahr 1989 organisiert sie die „Polnische Literaturwoche“ (Tydzień literatury polskiej) im LCB. So besuchen Agnieszka Osiecka, Ryszard Krynicki, Hanna Krall, Paweł Huelle, Tadeusz Konwicki, Tadeusz Nowakowski, Janusz Głowacki und Janusz Anderman Berlin. Nach den Lesungen finden noch abendfüllende, lebhafte Diskussionen in einem engen Kreis statt. Dorota Danielewicz wird oft von ihrem Partner und späteren Ehemann, dem Politikwissenschaftler Basil Kerski, begleitet. Das Paar lernte sich bei einem slawistischen Seminar in Berlin über polnische Lyrik des Jahres 1968 kennen und sollte später viele der dort besprochenen Autor:innen persönlich treffen. Im Jahr 1989 findet parallel zum Polnischen Literaturfestival im Gebäude des LCB eine Ausstellung von Büchern statt, die in Polen im sogenannten „Zweiten Umlauf“ (drugi obieg) veröffentlicht wurden. Danielewicz erarbeitete sie gemeinsam mit Leszek Szaruga, einem damals in Berlin lebenden Dichter und Schriftsteller, der seine umfangreiche Sammlung von Untergrundpublikationen aus der kommunistischen Zeit zur Verfügung stellte. 

Ihre Aktivitäten verbindet Danielewicz mit ihrem Familienleben und Studium. 1992 heiratet sie Basil Kerski. 1993 wird ihr erster Sohn Jan geboren, vier Jahre später kommt Alexander zur Welt. In den Jahren 1992/93 schreibt Dorota Danielewicz ihre Magisterarbeit bei Prof. Witold Kośny über die Übersetzung eigener Texte als dritte literarische Form auf der Grundlage der Werke von Stanisław Przybyszewski und Tadeusz Rittner.

 

Literarische Diamanten
 

Zu Beginn der 1990er Jahre debütieren in Polen zahlreiche Schriftstellerinnen, was Danielewicz aufmerksam beobachtet. Auf ihre Initiative hin kommt im Jahr 1995 die spätere Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk mit ihrem Romandebüt „Die Reise der Buchmenschen“ (Podróż ludzi księgi) erstmals nach Berlin. Magdalena Tulli, Natasza Goerke, Anna Bolecka, Inga Iwasiów, Hanna Kowalewska und die Dichterin Mira Kuś stellen zu dieser Zeit ihre Bücher vor. In Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste und dem Berliner Künstlerprogramm des DAAD lädt Dorota Danielewicz im Jahr 1996 die klassischen Autoren der polnischen Literatur ein: den emigrierten Gustaw Herling-Grudziński, Sławomir Mrożek und Adam Zagajewski. Im LCB organisiert Danielewicz auch die Reihe „Zweite Generation nach dem Holocaust“ mit Ruth Klüger, Imre Kertész und Leo de Winter sowie die Reihe „Literatur von Sinti und Roma“ mit dem Schriftsteller Matéo Maximoff. Dr. Ulrich Janetzki vom LCB engagiert Dorota Danielewicz gerne als Assistentin bei Reisen deutscher Schriftsteller:innen ins Ausland. Mit Katja Lange-Müller, Klaus Schlesinger, Andreas Neumeister und Edgar Hilsenrath reist sie nach Polen zu Lesungen an den Goethe-Instituten. Nach Rumänien und Moldawien reist sie mit Brigitta Burmeister, Marion Tietze, Martin Ahrends, Wolfgang Hilbig, Andreas Neumeister, Jan Koneffke.

Besonders gern erinnert sich Dorota Danielewicz an zwei Reisen durch Deutschland mit Hanna Krall in den Jahren 1996 und 1997. Damals moderierte und übersetzte sie Lesungen mit der Schriftstellerin in Nordrhein-Westfalen und Frankfurt am Main. Jahre später, als Hanna Krall im Jahr 2000 zusammen mit Marcel Reich-Ranicki den Samuel-Bogumil-Linde-Preis in Göttingen erhielt, wurde Danielewicz erneut als Begleitperson für die Preisträgerin angefragt. Damals interviewt sie den Verfasser der Laudatio für Hanna Krall, Ryszard Kapuściński. Auch die Lesungen von Ryszard Kapuściński selbst, bei denen sie übersetzte, zum Beispiel im Haus der Kulturen der Welt in Berlin, haben bleibende Erinnerungen hinterlassen.

Im Jahr 2000 organisiert Dorota Danielewicz im LCB eine Reihe von literarischen Veranstaltungen mit dem Titel „Kosmopolen 2000“. Um den Begriff „Emigration“ zu vermeiden, der ihrer Meinung nach für die im Ausland lebenden polnischen Schriftsteller:innen nicht mehr zutreffend ist, wählt sie den eingängigen Namen „Kosmopolen“, den Andrzej Bobkowski in einem seiner Essays geprägt hat. Czesław Miłosz, Krzysztof Rutkowski aus Paris, Bronisław Świderski aus Kopenhagen, Henryk Grynberg aus New York, der in Deutschland lebende Nachwuchsautor Krzysztof Niewrzęda, Janusz Rudnicki und Dariusz Muszer stellen zu dieser Zeit in Berlin ihre Werke vor. Die Autorenlesungen haben wie immer im LCB einen perfekten Rahmen – sie werden von einem hervorragenden Team von Übersetzer:innen begleitet, Redakteur:innen von Zeitungen und Radiosendern sind eingeladen. „Es geht mir wirklich um die Literatur, nicht um mich“, sagt Danielewicz im Gespräch mit „Porta Polonica“. „Es war mir sehr wichtig, dass die Inhalte der polnischen Literatur in die Welt hinausgehen.“

Deshalb schreibt Dorota Danielewicz Rezensionen für deutsche Verlage und empfiehlt polnische Autor:innen – Paweł Huelle, Martyna Bunda, Dorota Masłowska, Michał Witkowski, Jerzy Pilch, Wojciech Kuczok, Janusz Anderman. Gemeinsam mit Katharina Raabe vom „Suhrkamp Verlag“ arbeitet sie an der Herausgabe eines zweisprachigen Bandes mit dem Titel „Der Augenblick. Chwila“ von Wisława Szymborska[2]. Lebhaft erinnert sie sich an die Sendung „Gespannt auf...“, die im Jahr 1992 vom WDR Fernsehen in Bonn aufgezeichnet wurde. Die Diskussion über die Bücher von Andrzej Szczypiorski wurde von Iris Radisch geleitet. Dorota Danielewicz trat in der Sendung neben Verena Auffermann und Henryk M. Broder auf.

Obwohl Danielewicz in den 1990er Jahren beruflich durchstartet, kann sie keinen Vollzeitjob annehmen. In den späten 1990er Jahren ist sie privat durch die fortschreitende, unerklärliche Krankheit ihres älteren Sohnes, der in seiner Entwicklung zurückgeblieben ist, extrem belastet. Sie wird einige Jahre auf die Diagnose der sehr seltenen und unheilbaren GM1-Gangliosidose warten. Jahre später beschreibt sie die bewegende Geschichte des Kampfes ihres Sohnes mit der Krankheit und der Beeinträchtigung in einem berührenden Buch mit dem Titel „Jans Weg“[3]. Dorota Danielewicz setzt ihre berufliche Tätigkeit in dieser schwierigen Zeit nach ihren Möglichkeiten fort.

Nach dem Jahr 2000 organisiert sie weiterhin Lesungen – nun im Literaturforum im Brecht-Haus, wohin sie Olga Tokarczuk, Adam Zagajewski und Inga Iwasiów einlädt. Man kann unmöglich alle deutsch-polnischen Literaturveranstaltungen aufzählen, die in Berlin dank ihres Engagements stattgefunden haben. Zu den größten in jüngster Zeit zählt das Festival „Unrast“, das Danielewicz im Herbst 2022 gemeinsam mit der renommierten, in Berlin lebenden polnischen Journalistin Ewa Wanat in Kooperation mit dem Verein „Berliner Literarischen Aktion“ organisierte. Daran nahmen 50 Schriftsteller:innen, Übersetzer:innen und Moderator:innen aus Polen und Deutschland teil.

Im Herbst 2023 moderierte Danielewicz für die Berliner Öffentlichkeit und die Deutsch-Polnische Gesellschaft in Berlin sieben Veranstaltungen unter dem Titel „Lesen, was die Nachbarn schreiben“, bei denen lokale polnische sowie Schriftsteller:innen aus Polen ihre Werke präsentierten.

 

[2]   Wisława Szymborska: Der Augenblick. Chwila. Suhrkamp Verlag, Berlin 2005.

[3]   Dorota Danielewicz: Jans Weg. Europa Verlag, München 2022 (aus dem Polnischen von Antje Ritter-Miller); Original: Droga Jana. Wydawnictwo Literackie, Krakau 2020.

Journalismus auf Polnisch und Deutsch
 

Dem Schriftsteller Leszek Szaruga verdankt sie den Kontakt zur Pariser Zeitschrift „Kultura“. Unmittelbar nach einer Reihe von Lesungen in Berlin im Jahr 1995 debütiert Dorota Danielewicz auf seine Empfehlung hin in der Monatszeitschrift von Jerzy Giedroyc und berichtet über das Ereignis[4]. Wenige Monate später, im Frühjahr 1996, schreibt sie für die „Kultura“ über die Präsentation der polnischen Literatur auf der Leipziger Buchmesse[5].

Danielewicz hatte zwei Jahre zuvor ihr Debüt in deutscher Sprache gegeben und zusammen mit Basil Kerski 1993 in der „Berliner Zeitung“[6] und 1995 im „Tagesspiegel“[7] zwei Serien mit Reportagen über polnische Gebiete nahe der deutschen Grenze veröffentlicht. Mit der Zeit wird Danielewicz zunehmend von polnischen und deutschen Redakteur:innen angesprochen, und mit Artikeln beauftragt, die ihrem Profil entsprechen. Kurz nach der Verleihung des Nobelpreises an Wisława Szymborska wird sie für die „Berliner Zeitung“ ein Porträt über sie schreiben[8]. In ähnlicher Weise stellt sie Olga Tokarczuk in der „taz“ vor[9]. Für die polnische „Newsweek“ wird sie Herta Müller[10] interviewen, und Olga Tokarczuk für die deutsche Wochenzeitung „Der Freitag“[11]. Für Nobelpreisträger:innen hat sie ein Händchen. „Polityka“ gibt bei ihr einen langen Text über die moderne Metropole Berlin[12] in Auftrag. Sie veröffentlicht weiterhin regelmäßig in der zweisprachigen deutsch-polnischen Zeitschrift „Dialog“. Außerdem hat sie u. a. im „Tygodnik Powszechny“ und in der „Gazeta Wyborcza“ geschrieben.

Jahre später, als ihre eigenen Bücher bekannt werden, kehren sich die Rollen um. Zeitungen und Radiosender aus Warschau und Berlin werden nun sie interviewen und umfangreiche Porträts über sie veröffentlichen[13]. Dorota Danielewicz wird auch eingeladen, als Zeitzeugin und Publizistin an Dokumentarfilmen über Berlin mitzuwirken.[14] Zusammen mit ihrem Sohn Jan erscheint Dorota Danielewicz im Februar 2020 auf dem Cover von „Wysokie Obcasy“, dem Magazin der auflagenstarken „Gazeta Wyborcza“[15]. Durch diese Zeitschrift wird sie auch als eine von 12 Kandidatinnen für die Wahl zur „Superheldin des Jahres“ (Superbohaterka roku) im Jahr 2020 nominiert, und zwar wegen der in ihrem Buch „Jans Weg“ enthaltenen Lektionen in Sachen Empathie und ihres politischen Engagements während des „Frauenstreiks“ in Polen.

 

Radio
 

Im Jahr 1996 begann Danielewicz mit dem Radio zusammenzuarbeiten. Ihr ehemaliger Kommilitone und Mitbegründer des „Polnischen Radiomagazins“ (Polski Magazyn Radiowy) bei „Radio Multikulti“ im RBB und später im WDR, Jacek Tyblewski, bot ihr eine Mitwirkung in der Sendung an. Er schlug die Aufnahme von Interviews mit Schriftsteller:innen vor, die sie in Berlin empfing. Schnell wird klar, dass Dorota Danielewicz sowohl eine Radiostimme als auch ein Talent dafür hat. Tyblewski brachte ihr bei, wie man Aufnahmen auf Tonbänder schneidet, die dann auf Platten gewickelt wurden. Ihr intensives Radioabenteuer sollte bis 2012 andauern. Bei „Radio Multikulti“ produzierte sie ihre eigenen Sendungen, arbeitete aber auch als Sprecherin und Redakteurin. Dazu präsentierte sie einmal im Monat ihr „Literaturmagazin“ (Magazyn Literacki), in dem sie insgesamt fast 200 Gespräche mit polnischen Schriftsteller:innen veröffentlicht.

Darüber hinaus führte sie über 10 Jahre lang bis zur Schließung des französischen Senders in Paris (2010) die Telefonkorrespondenz für die polnische Abteilung von „Radio France International“ (RFI). Sie berichtete ein- bis zweimal pro Woche über wichtige internationale Ereignisse in der deutschen Hauptstadt. Obwohl die Arbeit beim Radio ihre Leidenschaft war, beendet Dorota Danielewicz im Jahr 2012 aus persönlichen Gründen ihre Zusammenarbeit mit dem RBB / Funkhaus Europa, dem früheren „Radio Multikulti“.

Im Jahr 2023 ist das Radio für Dorota Danielewicz in einem neuen Format zurückgekehrt. Seit 2023 widmet sie sich in Audiokolumnen für „Deutschlandfunk Kultur“ den deutsch-polnischen Beziehungen.

 

Editionen
 

Nach der Aufgabe ihrer Tätigkeit beim „Magazyn Literacki“ befasst sich Dorota Danielewicz mit der Literatur nicht mehr im Rahmen von Sendungen oder Veranstaltungen, sondern in erster Linie für ihre eigene Arbeit. Nachdem der behinderte Sohn Jan 18 Jahre alt geworden ist und fortan rund um die Uhr in einem Fachzentrum betreut wird, ihr Ehemann aus beruflichen Gründen nach Polen zieht und der zweite Sohn, der ebenfalls studiert, das Elternhaus verlässt, kann sich Dorota Danielewicz ganz dem Schreiben widmen.

Sie hatte sich bereits einen Namen als Herausgeberin und Redakteurin von Büchern gemacht. 1998 veröffentlichte sie beim „Kirsten Gutke Verlag“ in Köln eine zweisprachige Anthologie polnischer Lyrik mit dem Titel „Kochać to, co niewidzialne. Das Unsichtbare lieben“[16]. Danielewicz betont im Nachwort, dass der Verlag „kein Buch mit Lyrik der ersten Feuilletonseiten, sondern Namen präsentieren [möchte], die in Deutschland noch weitgehend unbekannt sind, Lyrik, die noch zu entdecken ist.“[17] Für eine vertiefende Lektüre kann man aus Gedichten von Bohdan Zadura, Maciej Cisło, Krystyna Lars, Aleksander Jurewicz, Kazimierz Brakoniecki, Bronisław Maj, Anna Janko, Paweł Huelle, Zbigniew Machej, Hanna Kowalewska, Andrzej Stasiuk, Jakub Ekier, Marcin Świetlicki, Ewa Sonnenberg, Andrzej Sosnowski, dem in Paris lebenden Maciej Niemiec und der in Vilnius lebenden Alicja Rybałko wählen.[18] Die Dichter:innen Piotr Sommer, Tomasz Jastrun und Marzanna Kielar werden in den folgenden Jahren mit eigenen Gedichtbänden in Deutschland vertreten sein. Zahlreiche in Deutschland bislang eher unbekannte Autor:innen aus der Anthologie „Das Unsichtbare lieben“ werden später tatsächlich in deutschsprachigen Literaturzeitschriften und im Kulturteil von Zeitungen erscheinen.

Im Jahr 2008 veröffentlicht Danielewicz zusammen mit Maciej Górny die Anthologie „Berlin. Polnische Perspektiven. 19.–21. Jahrhundert“[19]. Das Buch erschien im Rahmen der Ausstellung „My, berlińczycy. Wir Berliner“, die das Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften (CBH PAN) in Berlin präsentierte. Zwei Jahre lang sammelten Danielewicz und Górny in den Archiven polnischsprachige Texte und Zeugenaussagen von Menschen, die einst in Berlin gelebt hatten oder dort vorübergehend gewesen waren. Neben Texten von Schriftsteller:innen wie Witold Gombrowicz oder bedeutenden Musiker:innen wie Artur Rubinstein oder jahrzehntealten Berichten von Journalist:innen beinhaltet die Anthologie auch Erinnerungen „normaler“ Bürger:innen.

Diese „nicht offensichtlichen“ Texte über Berlin waren der Ausgangspunkt für Dorota Danielewicz und Ewa Wanat, im Jahr 2023 unter der Schirmherrschaft der Deutsch-Polnischen Gesellschaft den zweisprachigen Audioguide „Berlinski Tour“ über die Stadt in Form einer App zu produzieren[20]. Es handelt sich um einen Guide zu den oft wenig bekannten polnischen Spuren in der deutschen Hauptstadt. In Zusammenarbeit mit dem geplanten Deutsch-Polnischen Haus in Berlin ist eine Ausweitung der App geplant. 

 

[4]   Dorota Danielewicz: Granice poznania. Cykl spotkań autorskich w ramach „grenzenlos Warschau-Berlin“ (jesień 1995), in: „Kultura“ 1995/12/579, S. 83–89 – https://kulturaparyska.com/pl/search/searched-attachment/1964/2/dorota danielewicz-kerski#page=2&search=dorota danielewicz-kerski (Zugriff: 23.02.2023).

[5]   Dorota Danielewicz: Polska książka w Lipsku. Impresje z wiosennych Targów Książki 28.–31.03.1996, in: „Kultura“ 1996/12/591, S. 100–103 – https://kulturaparyska.com/pl/search/searched-attachment/1980/52/dorota danielewicz - page=52&search=dorota danielewicz (Zugriff: 23.02.2023).

[6]   Die Reportagereihe von Dorota und Basil Kerski in der „Berliner Zeitung“ im Jahr 1993 trug den Titel „Entdeckungen östlich der Oder“ und bestand aus acht Texten. Beispieltexte: Dorota und Basil Kerski: Der Kronprinz und die schöne Eleonore. Küstrin, in: „Berliner Zeitung“ 21/25 vom 5.07.1993; Dorota und Basil Kerski: Berliner Altar mitten im Naturreservat, in: „Berliner Zeitung“ vom 31.08.1992.

[7]   Eine Reportagereihe von Dorota und Basil Kerski, die 1995 im „Tagesspiegel“ erschien, trug den Titel „Jenseits der Oder“. Beispieltexte: Dorota und Basil Kerski: Zielona Góra. Ein Weinberg als Andenken, in: „Tagesspiegel“ Nr. 15398 vom 24.09.1995; Dorota und Basil Kerski: Chojna. Kirchenglöckchen der Versöhnung, in: „Tagesspiegel“ Nr. 15411 vom 08.10.1995.

[8]   Dorota Kerski: „Kein Blatt fällt ohne meinen Willen“. Wisława Szymborska, die Grande Dame der polnischen Dichtung erhält den Literatur-Nobelpreis, in: „Berliner Zeitung“ vom 4.10.1996.

[9]   Dorota Danielewicz: Die Wahrheit steckt in der Bewegung. Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk, in: „taz“, 10.12.2019. – https://taz.de/Nobelpreistraegerin-Olga-Tokarczuk/!5647913/(Zugriff: 23.02.2023).

[10]   Herta Müller in einem Interview mit der „Newsweek“. Interviewt von Dorota Danielewicz, in: „Newsweek“ (Warschau), 15.04.2013.

[11]   Dorota Kerski: „Landkarte realer und erträumter Welten“. Gespräch mit Olga Tokarczuk, in: „Der Freitag“ vom 12.10.2001.

[12]   Dorota Danielewicz: Światowa stolica Niemiec, in: „Polityka“ (Sonderausgabe: Niezbędnik inteligenta, 10/2014) vom 3.11.2014. – https://www.polityka.pl/niezbednik/1597637,1,swiatowa-stolica-niemiec.read (Zugriff: 23.02.2023).

[13]  Lena Ackermann: Dorota Danielewicz. Wie ein polnisches Mädchen in Berlin ihr Zuhause fand, in: „Berliner Morgenpost“ vom 28.10.2014. – https://www.morgenpost.de/kultur/berlin-kultur/article133725685/Wie-ein-polnisches-Maedchen-in-Berlin-ihr-Zuhause-fand.html (Zugriff: 23.02.2023); Nicole Henneberg: Himmel über dem Markusplatz, in: „Tagesspiegel" 21.10.2014. – https://www.tagesspiegel.de/kultur/himmel-uber-dem-markusplatz-3595009.html (Zugriff: 23.02.2023); Katarzyna Kubisiowska: „Odszkodowanie od losu“. Rozmowa z Dorotą Danielewicz, in: „Tygodnik Powszechny“ 7/2020, S. 29 vom 16.02.2020.

[14]  Berlin – Schicksalsjahre einer Stadt, Folge über 1981, Regie. Anna Bilger, RBB 2019, https://www.rbb-online.de/berlin-schicksalsjahre/schicksalsjahre-1980-90/das-jahr-1981.html (Zugriff: 23.02.2023); Nieudacznicy, 2017, Regie. Jacek Papis, https://www.youtube.com/watch?v=sGVScJBZ7zA (Zugriff: 23.02.2023).

[15]  Violetta Szostak: Dorota Danielewicz: Dorota Danielewicz: Był czas, kiedy wyobrażałam sobie Jana wbiegającego po schodach i wołającego: „Mamo, jestem!” [Es gab eine Zeit, in der ich mir vorstellte, wie Jan die Treppe hinauflief und rief: „Mama, ich bin da!“], in: „Gazeta Wyborcza“ („Wysokie Obcasy“), 15.02.2020.

[16]  Kochać to, co niewidzialne. Nowa poezja polska. Das Unsichtbare lieben. Neue polnische Lyrik. Anthologie. Auswahl und Nachwort: Dorota Danielewicz-Kerski. Vorwort: Adam Zagajewski. Übersetzung aus dem Deutschen: Henryk Bereska, Renate Schmidgall, Roswitha Matwin-Buschmann und Joanna Manc. Kirsten Gutke Verlag, Köln 1998.

[17]  Ibidem, S. 261.

[18]  Leszek Szaruga: Świadectwo liryki, in: „Kultura“ 1999/01/616-02/617, S. 210–213 – https://kulturaparyska.com/pl/search/searched-attachment/2088/107/dorota danielewicz#page=107&search=dorota danielewicz (Zugriff: 23.02.2023).

[19]  Berlin. Polnische Perspektiven. 19.–21. Jahrhundert, hrsg. von Dorota Danielewicz-Kerski / Maciej Górny. Berlin Story Verlag, Berlin 2008.

[20]  https://berlinski-tour.de/ (Zugriff: 23.02.2023).

Die eigene Stimme beim Schreiben
 

Dorota Danielewicz hat dem Thema Berlin auch ihr Buch „Auf der Suche nach der Seele Berlins“ (Berlin. Przewodnik po duszy miasta) gewidmet, das im Jahr 2013 erschienen ist[21]. „Ich hatte das dringende Bedürfnis, mich mit meiner eigenen Stimme zu äußern. In gewisser Weise ist das auch eine Zusammenfassung meiner Emigration. Deshalb habe ich das Buch symbolisch meinen Eltern gewidmet“, erklärt die Autorin im Gespräch mit „Porta Polonica“. „Es ist eine wunderbare, einfühlsam geschriebene Erzählung über Berlin, seine Straßen, Plätze und Parks“, so empfiehlt Olga Tokarczuk das Buch im Klappentext der polnischen Ausgabe. „Bei einem gemütlichen Spaziergang lernt man aber vor allem die Berliner:innen kennen, dieses eigentümliche, multiethnische Volk, das Berlin zum Mitteleuropa im Kleinformat macht, mit seiner schwierigen, komplizierten Geschichte und seinem enormen, ungebremsten schöpferischen Potenzial“, unterstreicht die spätere Nobelpreisträgerin. In Polen wird Berlin. Przewodnik po duszy miasta in zwei Ausgaben erscheinen. Der zweite Band in der renommierten Reihe „Poruszyć świat” des Verlags WAB erscheint im Jahr 2015. Das Buch wird sehr gut aufgenommen. Szymon Hołownia (Sejm-Marschall der Republik Polen für die Legislaturperiode 2023–25), von der Monatszeitschrift „Pani“ nach den wichtigsten Lektüren des Jahres 2013 gefragt, nennt damals „Auf der Suche nach der Seele Berlins“ als das beste Buch, das er damals gelesen hat. Das Buch findet bald einen deutschen Verlag, den Europa Verlag, der auch alle weiteren literarischen Veröffentlichungen von Dorota Danielewicz bis heute herausgibt. „Christian Strasser vom Europa Verlag ist ein Verleger, der sich engagiert und Risiken eingeht. Dafür bin ich ihm sehr dankbar“, unterstreicht die Autorin. Die deutsche Ausgabe ist übersetzt von Arkadiusz Szczepański[22]. Es ist mit Blick auf die deutsche Leserschaft entwickelt und redigiert worden und enthält daher alternativ völlig neue Texte, die von Dorota auf Deutsch verfasst sind. Das erste Kapitel ist anders, es gibt zusätzliche Kapitel im Text über die Gegenwart, Anekdoten aus der Umgebung um den Markusplatz, wo die Autorin seit fast 30 Jahren mit ihrer Familie lebt.

Die Bücher von Dorota Danielewicz sind emotional sehr aufgeladen und enthalten oft autobiografische Elemente[23]. Besonders deutlich wird dies im Buch „Jans Weg“. Den Anstoß zum Schreiben gab ein Streik von Müttern behinderter Kinder im Parlament (Sejm) in Warschau im Jahr 2018. Als Mutter eines unheilbar kranken Kindes mit progressiver Gangliosidose, die das Gehirn zerstört und die motorischen Fähigkeiten beeinträchtigt, beschloss Danielewicz, ihre Stimme zu erheben. „Jans Weg“ ist eine ergreifende Geschichte über die Gefühle einer Mutter, die wie in einem Atemzug niedergeschrieben wirkt. Es ist auch eine Geschichte von Verlust und Leid. Aber auch ein Buch, das Hoffnung macht. Es zeigt auf, wie man mit einer solchen Belastung wie der schweren Beeinträchtigung eines Kindes umgeht und wie man einen Weg zum Durchhalten findet[24]. Die Autorin ruft zu einer Revolution der Empathie auf. Sowohl die zuerst erschienende polnische als auch die deutsche Ausgabe von „Jans Weg“ haben großes Interesse geweckt. Das Buch wurde in Polen unter anderem im Sommer 2020 in Kazimierz Dolny an der Weichsel im Rahmen des Festivals „Dwa Brzegi“ (Zwei Ufer) bei einer Veranstaltung mit dem damaligen Beauftragten für Bürgerrechte, Prof. Adam Bodnar, heute Justizminister der Republik Polen, vorgestellt.

In dem 2022 erschienenen Buch „Der weisse Gesang. Die mutigen Frauen der belarussischen Revolution“ zeichnet Dorota Danielewicz ergreifende Porträts von belarussischen politischen Emigrantinnen[25]. Von Frauen, die sich aktiv an den Protesten in Belarus nach den fragwürdigen Wahlen im August 2020 beteiligt haben. Viele von ihnen kamen ins Gefängnis. Die Heldinnen von „Der weisse Gesang“ mussten vor den Repressionen nach Polen oder Litauen fliehen. Das Buch wurde in deutscher Sprache verfasst und veröffentlicht.

 

Audioguides und gesellschaftliches Engagement
 

In den letzten Jahren engagierte sich Danielewicz verstärkt gesellschaftlich. Die Publizistin und Schriftstellerin unterstützt besonders die Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin, in der sie seit November 2021 förderndes Mitglied für Fragen der zeitgenössischen polnischen Literatur ist. Seit 2010 ist Danielewicz Juryvorsitzende des deutsch-polnischen Lyrikwettbewerbs für Jugendliche „Młodzież pisze wiersze. Jugend schreibt Gedichte“, der von der Vereinigung „POLin Polnische Frauen in Wirtschaft und Kultur e.V.“ in Berlin organisiert wird. 2018 wurde Dorota Danielewicz auch Jurymitglied der neunten Ausgabe des renommierten internationalen Ryszard-Kapuściński-Preises, der er in Warschau für das beste literarische Reportagebuch verliehen wird. Sie brachte in die Jury eine Perspektive von außen ein. Von 2010 bis 2016 war Danielewicz Mitglied einer vom Staatssekretär für Kultur des Berliner Senats berufenen Jury zur „Förderung interkultureller Projektarbeit“.

Während der Regierungszeit der PiS-Partei in Polen von 2015 bis 2023 beteiligte sich Dorota Danielewicz aktiv an Protesten in Berlin zur Verteidigung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie der Frauenrechte in Polen.

Seit 2024 engagiert sich Danielewicz in der Arbeitsgruppe Kulturwandel der Berliner Genossenschaft Cooperative Mensch für die Umsetzung der UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und Inklusion vom Jahr 2011.

Das Ende von Dorota Danielewiczs Arbeit beim RBB / Funkhaus Europa überschnitt sich mit dem Beginn ihrer Zusammenarbeit mit einem Audioguide-Unternehmen. Danielewicz ist hier an Übersetzungen und Textproduktionen beteiligt. Im Schloss Wawel, in Wieliczka, im Königlichen Łazienki-Park, im Schloss Charlottenburg, im Schloss Sanssouci in Potsdam, im Berliner Dom, im Schloss Meißen oder im Humboldt Forum in Berlin – überall dort ist ihre Stimme zu hören. Diese kommerziellen Aufträge ergänzen Danielewiczs Tätigkeitsspektrum perfekt. Und auch hier ist sie eine Vermittlerin, vor allem zwischen Polen und Deutschland. Durch die Vermittlung von Wissen trägt sie zum gegenseitigen Verständnis bei.

 

Joanna de Vincenz, Februar 2024

 

[21]   Dorota Danielewicz: Berlin. Przewodnik po duszy miasta. Grupa Wydawnicza Foksal, Warszawa 2013.

[22]   Dorota Danielewicz: Auf der Suche nach der Seele Berlins. Aus dem Polnischen von Arkadiusz Szczepański. Europa Verlag, Berlin 2014.

[23]   Cornelia Geißler: Dorota Danielewicz: „Diese Themen werden in der Männerwelt nicht gesehen“. Die Frauen von Belarus oder das Leben mit einem behinderten Kind: Es gehe ihr um Sorge und um Menschlichkeit, sagt die Berliner Autorin. Eine Begegnung, in: „Berliner Zeitung“ vom 5.11.2022. – https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/literatur/dorota-danielewicz-ich-habe-verstanden-dass-ich-nicht-nur-fuer-mich-schreibe-li.283056 (Zugriff: 23.02.2023).

[24]   Joanna de Vincenz: Empatia to droga życia. Rozmowa z Dorotą Danielewicz [Empathie ist eine Lebenseinstellung. Gespräch mit Dorota Danielewicz], in: „Deutsche Welle“ (Presseservice), 3.05.2020. – https://www.dw.com/pl/empatia-to-droga-życia-rozmowa-z-dorotą-danielewicz/a-53303665(Zugriff: 23.02.2023).

[25]   Dorota Danielewicz: Der weisse Gesang. Die mutigen Frauen der belarussischen Revolution. Europa Verlag, München 2022; Joanna de Vincenz: Dorota Danielewicz: białoruskie kobiety i ich biały śpiew [Dorota Danielewicz: Belarussische Frauen und ihr weißer Gesang], in: Deutsche Welle (Pressedienst), 19.06.2022. – https://www.dw.com/pl/dorota-danielewicz-białoruskie-kobiety-i-ich-biały-śpiew/a-62174833 (Zugriff: 23.02.2023).

Mediathek
  • Dorota Danielewicz-Kerski

    2022
  • Im Sitzungssaal der UN-Vollversammlung

    Hinterm Rednerpult, New York 1988
  • Ausstellung „Decolonization“ im UNO-Hauptquartier

    New York, 1988
  • Zu Hause, 1988

    Broadway / Ecke 97th Street, New York
  • Bei Jerzy Giedroyc

    Maisons-Laffitte bei Paris, 1991
  • Evangelische Akademie zu Berlin, 5.10.1995

    Dorota Danielewicz-Kerski, Leszek Szaruga, Lidia Herling-Croce, Gustaw Herling-Grudziński, Ludwig Mehlhorn (Direktor der Akademie), Agnieszka Grzybkowska und Basil Kerski
  • Mit Hanna Krall

    In NRW, 1996/1997
  • Dorota Danielewicz im Studio von Funkhaus Europa

    RBB Berlin, 1999
  • DAAD Berliner Künstlerprogramm

    Denis Scheck, Ryszard Kapuściński, Dorota (Danielewicz-)Kerski im Haus der Kulturen der Welt, Berlin 1999
  • Mit Czesław Miłosz

    Dorota Danielewicz-Kerski, Czesław Miłosz, N.N., Michael Krüger / LCB (Literarisches Colloquium Berlin), Mai 2000
  • In der DAAD Galerie über dem Café Einstein, Berlin 2002

    Henryk Bereska, N.N., Dorota Danielewicz-Kerski, N.N., Olga Tokarczuk, Lila Karbowska, N.N.
  • Mit dem Sohn auf dem Cover

    „Wysokie Obcasy” (Beilage zur „Gazeta Wyborcza”), Nr. 7 (1073) vom 15.02.2020
  • Mit Brygida Helbig

    Reihe „Lesen, was die Nachbarn schreiben” („Czytać, co piszą sąsiedzi”) in der Humboldt Bibliothek, Berlin-Tegel 2023