Johann Ernst Gotzkowsky (1710-1775)

Frederik Christian Carstens: Porträt von Johann Ernst Gotzkowsky, 1761, Kupferstich
Frederik Christian Carstens: Porträt von Johann Ernst Gotzkowsky, 1761, Kupferstich

Der Name Gotzkowsky kommt in Berlin mehrfach im öffentlichen Raum vor. In Moabit tragen ihn eine Brücke, eine Apotheke und eine Straße. Auch eine Grundschule wurde seinerzeit so benannt. Doch trotz seiner unbestrittenen Verdienste für die Stadt ist der tüchtige Kaufmann nur wenig und seine polnische Herkunft noch weniger bekannt.

Johann Ernst Gotzkowsky kam am 21. November 1710 in Konitz im damaligen Königlich-Preußen (heute Chojnice, Woiwodschaft Pommern) als zweiter Sohn von Adam und Anna Magdalena, geborene Abelin, zur Welt. Die Familie entstammte dem polnischen Kleinadel und lebte seit mehreren Generationen in dieser Gegend. Noch bevor Johann geboren wurde, büßten seine Eltern im Großen Nordischen Krieg (1700-1721) fast ihr gesamtes Vermögen ein als die schwedischen Soldaten ihr ganzes Hab und Gut konfiszierten. 1711 verlor der kaum ein Jahr alte Johann seinen Vater. Wenige Jahre später starb auch seine Mutter wie er an der Pest. An seine frühe Kindheit erinnert sich Johann Ernst Gotzkowsky in den erhaltenen Aufzeichnungen wie folgt:

„Mein Vater war ein Polnischer von Adel, und durchgehends als ein ehrlicher Mann bekannt. Die schrecklichen Kriege, die zu der Zeit ganz Norden entflammet, und Polen zum Tummelplatz gemacht hatten, schlugen meine Eltern gänzlich darnieder, und brachten sie um alle das Ihrige. Ich mochte kaum 5 Jahre alt seyn, als ich meine beyderseitigen Eltern in der damals grassierenden Pest verlor, und also sehr frühzeitig zur Waise ward.“[1]

Da es vor Ort niemanden gab, der den Jungen hätte versorgen können, und sein älterer Bruder Christian Ludwig schon vor dem Tod der Eltern nach Berlin gegangen war, kam Johann Ernst bei Verwandten in Dresden unter, wo er laut seiner Erinnerungen bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr lebte, ohne Lesen und Schreiben zu lernen.[2] 1724 nahm sein Bruder Johanns Ausbildung in die Hand, holte ihn nach Berlin und schickte ihn auf die Kaufmannsschule. Gotzkowsky erlernte daraufhin sechs Jahre lang in der Sprögelschen Materialhandlung den Kaufmannsberuf, während er sich im Lesen, Schreiben und Rechnen vervollkommnete. Unterdessen steigerte Christian Ludwig sein Ansehen in der Berliner Kaufmannsgilde und brachte es nach der Eheschließung mit der Tochter des vermögenden, einflussreichen Kaufmanns Georg Weißling so weit, dass er Geschäfte mit dem Königshof machte. Nach dem Brand des Ausbildungsbetriebs von Johann Ernst Gotzkowsky, nahm ihn sein Bruder in seiner Firma auf, die luxuriöse Accessoires vertrieb. Zu den Abnehmern zählten Mitglieder der königlichen Familie, darunter auch die Königin von Preußen, Sophie Dorothea von Hannover.

 

[1]     Schepkowski, Nina Simone: Johann Ernst Gotzkowsky. Kunstagent und Gemäldesammler im friderizianischen Berlin, Akademie Verlag, Berlin 2009, s. 11, URL: https://books.google.de/booksid=ckXnBQAAQBAJ&lpg=PP1&hl=de&pg=PP1#v=onepage&q&f=false (zuletzt aufgerufen am 11.01.2022).

[2]     Schepkowski, Nina Simone: Johann Ernst Gotzkowsky. Kunstagent und Gemäldesammler im friderizianischen Berlin, Akademie Verlag, Berlin 2009.

Die in dieser Zeit gewonnenen Kontakte werden dem jüngeren Gotzkowsky-Bruder später helfen, seine ehrgeizigen Pläne zu verwirklichen. Vor allem seine Bekanntschaft mit Friedrich II., den der Kaufmann mehrfach in Rheinsberg besuchte, wird sich als besonders nützlich erweisen. Der künftige Herrscher Preußens verbrachte dort seine Jugendjahre, während Gotzkowsky ihn mit Galanteriewaren versorgte, die er direkt von der berühmten Leipziger Messe bezog. Die Jahre in Rheinsberg gelten als die Vorbereitungszeit Friedrichs des Großen auf seine Regentschaft in Preußen. Als Friedrich II. nach dem Tod seines Vaters Friedrich Wilhelm I. 1740 mit gerade mal 28 Jahren den Thron bestieg, befand sich das Königsreich in bester Verfassung. Die staatliche Verwaltung funktionierte tadellos und die königliche Schatzkammer war prall gefüllt. Was jedoch ökonomisch dringend angegangen werden musste, war die Entwicklung von Produktionsstätten. Der König erörterte sein Vorhaben mit seinen engsten Vertrauten, zu denen auch Johann Ernst Gotzkowsky gehörte. Kurz nach seiner Thronbesteigung beauftragte ihn Friedrich II. daraufhin mit der Suche nach Künstlern und Unternehmern, die sich in Preußen niederlassen wollten und die vor allem die Herstellung von Seide beherrschten.

1744 erhielt Gotzkowsky die Berliner Stadtbürgerschaft, die ihn dazu berechtigte zu heiraten. Kaum ein Jahr später ehelichte er Anna Luise Blume, eine Tochter des reichen Kaufmanns und Hoflieferanten Christian Friedrich Blume, der seine Manufaktur auf Anregung seines Schwiegersohns erweiterte, um sich mit der Anfertigung von Samt und Seide zu befassen; zwei Stoffe, die damals sehr begehrt waren, auch vom König selbst. Der frühe Tod des Schwiegervaters trug Johann Ernst Gotzkowsky 1746 dessen gesamtes Vermögen ein, was ihm dazu verhalf, zu einem der größten Seidenfabrikanten aufzusteigen. Dank seiner Bekanntschaft mit dem König, der ihm Betriebsmittelkredite gewährte, unter anderem um modernste Webstühle zu erwerben, konnte Gotzkowsky seine Produktion beträchtlich steigern. 1754 beschäftigte er 1.500 Menschen, was damals eine enorm hohe Belegschaft war, so dass er der maßgebliche Berliner Vertreter seiner Branche wurde.[3]

So rasch wie sich die Firma entwickelte, wuchs auch das Vermögen von Johann Ernst Gotzkowsky an. Dies erlaubte es dem Unternehmer, seine Sammlung von Werken namhafter Maler auszubauen. Da seine einschlägigen Kenntnisse und seine weitreichenden Kontakte zu Künstlern auch die Wertschätzung des Königs fanden, beauftragte Friedrich der Große Gotzkowsky 1755, Bilder für die neue Galerie im Potsdamer Schloss Sanssouci zu erwerben, unter anderem von Rubens, van Dyck und Tintoretto. Als dann jedoch 1756 der Siebenjährige Krieg ausbrach, kaufte der Herrscher Gotzkowsky nur noch einen Teil der bestellten Kunstwerke ab, da der dafür vorgesehene Etat in die Kriegskosten Preußens floss. Gotzkowskys Sammlung umfasste in dieser Zeit über 700 Werke der berühmtesten europäischen Maler.[4]

Mit derselben Begeisterung wie für die Kunst steckte der Unternehmer sein Geld auch in Immobilien. Er besaß Häuser an den repräsentativen Standorten Berlins, darunter in der Nähe des Schlossplatzes und des Potsdamer Platzes. An der Leipziger Straße 3 hatte Gotzkowsky vorübergehend ein Palais (1899 abgerissen), an dessen Stelle Anfang des 20. Jahrhunderts der Neubau des Preußischen Herrenhauses entstand, heute der Sitz des Bundesrats, der zweiten Kammer des deutschen Parlaments.

 

[3]     Gotzkowsky, Johann Ernst, in: Die Geschichte Berlins. Verein für die Geschichte Berlins e.V., gegr. 1865, URL: https://www.diegeschichteberlins.de/geschichteberlins/persoenlichkeiten/persoenlichkeiteag/459-gotzkowsky.html (zuletzt aufgerufen am 12.01.2022)

[4]     Luh, Jürgen: Nina Simone Schepkowski: Johann Ernst Gotzkowsky, in: sehepunkte. Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften, Ausgabe 11, 2011, Nr. 1, URL: http://www.sehepunkte.de/2011/01/17262.html (zuletzt aufgerufen am 12.01.2022)

 

In den späten 1750er und den frühen 1760er Jahren war Gotzkowsky zweifelsohne einer der reichsten Stadtbürger Berlins. Seine enormen finanziellen Ressourcen veranlassten Johann Ernst Gotzkowsky dann 1761 vermutlich auf Zureden des Königs dazu, eine Manufaktur für Porzellan, das damals so geschätzte „weiße Gold“, zu gründen. Die Branche war dem Kaufmann nicht ganz fremd, da er schon 1741, kurz nach der Thronbesteigung Friedrichs II., zusammen mit seinem Bruder nach Meißen gereist war, um die dortige Porzellanmanufaktur mit der Anfertigung eines prunkvollen Tafelservices für den königlichen Hof zu betrauen, wobei die Identität des eigentlichen Auftraggebers strenger Geheimhaltung unterlag. Der Herrscher von Preußen wollte ungenannt bleiben. Sein Rivale im damaligen ersten Schlesischen Krieg (1740-1742), Friedrich August II. Kurfürst von Sachsen aus dem Hause Wettin, sollte nicht erfahren, für wen das edle Geschirr gedacht gewesen war. Daher wurden die Gotzkowsky-Brüder in Meißen vorgeschickt. Das scheinbar für sie entworfene Modell erhielt den Namen „Gotzkowsky erhabene Blumen“ und wird bis heute im Produktportfolio geführt. 2015 wurde das Tafelgeschirr in der Edition „Limitierte Meisterwerke“ neu aufgelegt.

Vor der Gründung von Gotzkowskys Porzellanmanufaktur gab es in Berlin nur einen kleinen Betrieb zu diesem Zweck, der aber weder qualitativ noch in den Dekoren mit Meißen mithalten konnte. Hinzu kam, dass Meißen im Siebenjährigen Krieg einschließlich der Porzellanfabrik und ihrer Lager von preußischen Truppen belagert und eingenommen wurde, so dass die reich verzierten Geschirre von dort aus direkt auf die königlichen Tafeln gelangten. Johann Ernst Gotzkowsky war jedenfalls der erste, der in Berlin eine echte Porzellanmanufaktur ins Leben gerufen hat. Da er hohe Löhne versprach, gelang es ihm bald, die angesehensten Fachleute aus Meißen abzuwerben. Zudem verschaffte er sich auch die streng gehütete Rezeptur zur Herstellung hochwertigen Porzellans. Doch nachdem die neue Manufaktur ihre Arbeit aufgenommen hatte, verschlechterte sich die finanzielle Lage ihres Besitzers dramatisch. Der König, dessen Kriegsausgaben längst alle Limits überschritten hatten, konnte sich keine teuren Ankäufe mehr leisten. Zudem waren Gotzkowskys Finanzen schon vor der Inbetriebnahme der Manufaktur stark strapaziert, da er während der russischen Belagerung Berlins 1760 aus seiner Privatschatulle für die Verpflegung der preußischen Garnison und des Hilfskorps aufgekommen war. Als dann die Kapitulation der Stadt und ihre Besatzung durch Russen und Österreicher nicht mehr abzuwenden waren, setzte er mit seinem Verhandlungsgeschick durch, dass der Tribut von 4 Millionen Talern, den die Stadt zahlen sollte, auf 1,5 Millionen ermäßigt wurde. Am Ende waren es sogar nur 500.000 Taler, von denen Gotzkowsky aber immer noch 50.000 selbst beigesteuert hat.[5] Dank dieser persönlichen Opferbereitschaft stieg er zu einem prominenten Bürger der Stadt auf und wurde als „patriotischer Kaufmann“ gefeiert.

Diese gesellschaftliche Reputation bewahrte Gotzkowsky, der sein Vermögen überwiegend auf hoch riskante Geschäfte aufgebaut hatte, allerdings nicht vor dem Bankrott. Am Ende des Siebenjährigen Kriegs nahm er Investments in russisches Getreide vor. Der Konkurs der Amsterdamer Bank „Gebroeders de Neufville“, die den Kauf der Speicher mitfinanzieren sollte, sowie der Rückzug von Geschäftspartnern aus seiner Firma stürzten Gotzkowsky in die Verschuldung und zwangen ihn dazu, seine Besitztümer zu veräußern. 1763 wurde die Porzellanmanufaktur für 225.000 Taler von Friedrich II. dem Großen höchstpersönlich zurückgekauft. Der König übernahm alle 146 Angestellten und gab der Fertigungsstätte als Königliche Porzellanmanufaktur (KPM) ihren neuen Namen, unter dem sie noch heute firmiert.[6]

Gotzkowsky erwarb sein Vermögen nie wieder zurück. Um seine Schulden bei den russischen Gläubigern zu begleichen, sah er sich gezwungen, 317 Gemälde aus seiner jahrelang angelegten Sammlung an Zarin Katharina II. abzugeben, unter ihnen 13 Werke von Rembrandt, elf von Rubens, zwei von Raffael und ein Tizian. [7] Einige dieser Bilder befinden sich heute noch in der Eremitage in St. Petersburg. Das Ende von Gotzkowsky Laufbahn als Unternehmer wurde 1766 durch die damalige Wirtschaftskrise besiegelt. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in Armut und Vergessenheit bis er am 9. August 1775 vermutlich an Typhus in Berlin verstarb.

 

Monika Stefanek, Januar 2022

 

[5]     Gotzkowsky, Johann Ernst, in: Die Geschichte Berlins. Verein für die Geschichte Berlins e.V., gegr. 1865, URL: https://www.diegeschichteberlins.de/geschichteberlins/persoenlichkeiten/persoenlichkeiteag/459-gotzkowsky.html (zuletzt aufgerufen am 12.01.2022)

[6]     Historie der KPM, in: Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin, URL: https://www.kpm-berlin.com/manufaktur/kpm-geschichte/ (zuletzt aufgerufen am 12.01.2022)

[7]     Johann Ernst Gotzkowsky, in: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie, 22.07.2022, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Ernst_Gotzkowsky (zuletzt aufgerufen am 12.01.2022)

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    Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin, Altbau
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  • Rembrandt van Rijn: Der ungläubige Thomas, 1634

    Puschkin-Museum Moskau (aus der ehemaligen Sammlung Gotzkowsky)
  • Rembrandt van Rijn, Ahasveror, Haman beim Gastmahl der Esther, 1660

    Puschkin-Museum Moskau (aus der ehemaligen Sammlung Gotzkowsky)
  • Hans von Aachen, Allegorie des Friedens, der Kunst und des Überflusses, 1602

    Staatliche Eremitage St. Petersburg (aus der ehemaligen Sammlung Gotzkowsky)
  • Bartholomeus van der Helst, Neuer Markt in Amsterdam, 1666

    Staatliche Eremitage St. Petersburg (aus der ehemaligen Sammlung Gotzkowsky)
  • Jan Breughel, Ländliche Landschaft, um 1611

    Staatliche Eremitage St. Petersburg (aus der ehemaligen Sammlung Gotzkowsky)