Polnische Opfer im SS-Sonderlager Hinzert

Gedenkstätte SS-Sonderlager/Konzentrationslager Hinzert
Gedenkstätte SS-Sonderlager/Konzentrationslager Hinzert

Aufarbeitung und Erinnerung
 

In der Nachkriegszeit wurden einige Mitglieder der Wachmannschaften des KZ Hinzert vor Gericht verurteilt. Für seine im KZ Mauthausen begangenen Verbrechen wurde etwa der ehemalige Lagerarzt Waldemar Wolter nach Verurteilung durch ein US-Militärgericht in Landsberg am Lech gehenkt. Der Lagerkapo Eugen Wipf, ein Schweizer Staatsbürger, starb kurz nach der Verurteilung zu lebenslänglichem Zuchthaus durch das eidgenössische Schwurgericht in Zürich 1947. Hermann Pister, der Hinzert als SS-Sonderlager gegründet und dann geführt hatte, bevor er Kommandant des KZ Buchenwald wurde (und von dort aus die Leitung über Hinzert behielt), wurde 1947 im Buchenwald-Prozess von einem amerikanischen Militärgericht zum Tode verurteilt, starb aber vor der Vollstreckung. Vor dem obersten Gericht für die französische Besatzungszone, das in Schloss Rastatt eingerichtet wurde, dem Tribunal Générale Gouvernement Militaire de la Zone Française d’occupation en Allemagne et en Autriche, wurde 1948 in zwei Prozessen Anklage gegen insgesamt 22 Beschuldigte erhoben. Einige Angeklagte wurden nicht schuldig gesprochen, über andere Haftstrafen verhängt, darunter Lebenslange Haft für die Angeklagten Windisch und Heinrich. Die Angeklagten Pammer, Reiss, Schattner und Fritz wurden zum Tode verurteilt. Diese Urteile wurden anschließend in Lebenslange Haft umgewandelt, die Dauer der Haftstrafen der anderen verkürzt. Vor deutschen Gerichten wurden 1950 Georg Schaaf und Josef Brendel zu in Anbetracht der Taten kurzen Haftstrafen verurteilt (Landgericht Mannheim). Der zweite Kommandant von Hinzert, Egon Zill, der später Kommandant des KZ Natzweiler-Struthof und des KZ Flossenbürg wurde, wurde 1955 vom Schwurgericht München zu Lebenslangem Zuchthaus verurteilt, aber bereits 1961 entlassen. Es war dasselbe Jahr, in dem Josef Brendel wegen der zuvor nicht verhandelten Ermordung der 70 sowjetischen Kriegsgefangenen in Hinzert im Oktober 1941 wieder vor Gericht stand, dieses Mal in Trier. Er wurde vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord freigesprochen.[11]

Erst in den 1980er Jahren begann vor Ort das Interesse an der Geschichte des Konzentrationslagers zu wachsen, befördert durch die Aktivitäten politischer und kirchlicher Jugendorganisationen und die Katholische Akademie in Trier. Seit den 1950er Jahren wurde das ehemalige Gelände des Häftlingslagers, das seinen Vorbesitzern zurückgegeben worden war, wieder landwirtschaftlich genutzt. Auf dem ehemaligen Häftlingsfriedhof war im Oktober 1945 von ehemaligen Häftlingen das „Hinzerter Kreuz“ errichtet worden. Anfang der 1980er Jahre war die größte materielle Spur, die an das Lager erinnerte, der 1946 von der französischen Militärverwaltung auf dem Gelände des ehemaligen Lagers der Wachmannschaften angelegte „Ehrenfriedhof“, auf den 217 zuvor im Umfeld verscharrte Tote umgebettet wurden. Dort befindet sich auch eine 1948 errichtete Sühnekapelle, die auf Initiative eines deutschen Pfarrers entstand. Dass das Gedenken an Hinzert lange eine untergeordnete Rolle spielte, spiegelt sich auch in der historischen Aufarbeitung als solche und deren öffentlicher Bewertung wider. So war es lange umstritten, dass Hinzert den Rang eines eigenständigen Konzentrationslagers im nationalsozialistischen Lagersystem hatte. Am 2. März 1967 erfolgte im Rahmen eines Verzeichnisses der Konzentrationslager und ihrer Außenkommandos im Bundesgesetzblatt die offizielle Einstufung von Hinzert als Konzentrationslager.[12] Dennoch wurden die – teils zentralen – Funktionen, die Hinzert innegehabt hatte, von behördlicher Seite lange Zeit ignoriert und es wurde sich „nur“ auf die Geschichte als „Arbeitserziehungslager“ konzentriert.[13]

 

[11] Bader, Uwe; Welter, Beate: Das SS-Sonderlager/KZ Hinzert, in: Benz, Wolfgang; Distel, Barbara (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Bd. 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme, München 2007, S. 17–74, hier S. 37.

[12] Sechste Verordnung zur Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes vom 23. Februar 1967 (BGBl. I S. 233), die zuletzt durch § 1 der Verordnung vom 24. November 1982 (BGBl. I S. 1571) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet.de/begdv_6/BJNR002330967.html (13.1.2022).

[13] Bader, Uwe; Welter, Beate: Das SS-Sonderlager/KZ Hinzert, in: Benz, Wolfgang; Distel, Barbara (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Bd. 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme, München 2007, S. 17–74, hier S. 17, 38. Vgl. Klopp, Eberhard: Hinzert – kein richtiges KZ? Ein Beispiel unter 2000, Trier 1983.

Mediathek
  • SS-Offiziere inspizieren das Lager Hinzert

    rechts: Kommandant Hermann Pister, um 1940-41
  • Teil des ehemaligen Häftlingsfriedhofs im Lager Hinzert

    Hier wurden die toten Häftlinge halboffiziell begraben oder auch nur verscharrt, zum Teil in Massengräbern
  • Untersuchungsbogen von Stanislaus Kowalski

    Häftling des Lagers Hinzert, hier Arbeitserziehungslager, vom 17.12.1942 (Ankunft) bzw. 25.1.1943 (Abtransport)
  • Untersuchungsbogen von Stanislaus Kowalski (zweite Seite / Rückseite)

    Häftling des Lagers Hinzert, hier Arbeitserziehungslager, vom 17.12.1942 (Ankunft) bzw. 25.1.1943 (Abtransport)
  • „Ehrenfriedhof“ im ehem. Lager Hinzert

    1946 von der französischen Militärverwaltung angelegt, 217 zuvor im Umfeld verscharrte Tote wurden hierhin umgebettet
  • Sühnekapelle auf dem Gelände des ehemaligen Lagers Hinzert

    1948 auf dem von der französischen Militärverwaltung angelegten „Ehrenfriedhof“ errichtet
  • Bronzeplastik des ehemaligen Häftlings Lucien Wercollier im Lager Hinzert

    1986 errichtet, drei abstrahierte Häftlingsgestalten, die sich über eine Feuerschale beugen
  • Gedenkstätte SS-Sonderlager/Konzentrationslager Hinzert

    Nach Jahrzehnten konnte schließlich 2005 das Dokumentations- und Begegnungshaus eröffnet werden