Tadeusz Nowakowski

Tadeusz Nowakowski, ca. 1950.
Tadeusz Nowakowski, ca. 1950.

Die Hütte unter dem Jasmin ist das erste polnische literarische Werk der Nachkriegszeit über die Konzentrationslager, in dem die Henker und die Funktionäre des nationalsozialistischen Vernichtungsapparats differenziert dargestellt werden. Trotz seiner Abscheu und seiner Wut auf die Henker, ist der Ich-Erzähler des Zyklus in der Lage, das seelische Leid mancher Deutschen, die von dem System gezwungen wurden, etwas Ungewolltes zu tun, wahrzunehmen. Einige von ihnen lassen gegenüber den Häftlingen sogar menschliche Regungen zu, während andere in der Ausübung ihrer Pflichten, derer sie sich schämen, in tiefe Selbstverachtung verfallen. Es gibt aber auch solche, die den Häftlingen die „Schuld” an ihrer moralisch misslichen Lage, in die sie geraten sind, geben und insofern einem maßlosen Hass frönen, indem sie zu übereifrigen Henkern werden und mit der Zeit beginnen, aus der Grausamkeit Genuss zu ziehen.

Die differenzierte Darstellung der Handlanger einer solchen mörderischen Maschinerie bestimmt den hohen künstlerischen Wert des Erzählbandes. Sie zeugt davon, dass die Arbeit an seiner Entstehung eine wichtige Etappe Nowakowskis literarischer Entwicklung auf dem langen Weg zur endgültigen Ausformung seines bedeutendsten Werks, des Romans Obóz Wszystkich Świętych (Polonaise Allerheiligen), gewesen ist. Dieser ist einer der wichtigsten polnischen Romane über die polnisch-deutschen Beziehungen und der wichtigste über die polnischen DPs in Deutschland. Außer Frage steht, dass er auf autobiographischem Material beruht, das jedoch stark umgeformt und literarisch bearbeitet wurde. Den Handlungsort hat der Autor nicht nach Haren verlegt, wo ihn das Schicksal als DP ereilte, sondern nach Papenburg, wobei er stets bemüht ist, das erzwungene Aufeinandertreffen der „Befreiten” und der einheimischen Bevölkerung des Emslandes in seiner ganzen Kompliziertheit zu schildern. Es ist der erste und für viele Jahre einzige polnische Roman über den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen für die polnisch-deutschen Beziehungen, in dem neben der Schuld der „Henkernation” auch die Schuld der  „Opfernation” zum Vorschein kommt, in dem er nicht nur die Naziverbrechen, sondern auch die Verbrechen der „Befreiten” an der deutschen Bevölkerung thematisiert. Die nationalistischen Klischees, die realitätsverfälschenden und zum Bösen hinführenden Vorurteile in diesem Roman belasten Deutsche und Polen gleichermaßen. Jeder „Patriotismus”, der die Grenze zum Nationalismus überschreitet, ist schädlich und zerstörerisch zugleich, und zwar unabhängig davon, unter welchen nationalen Farben er sich verbreitet. Die Polonaise Allerheiligen ist auch ein Roman über den, wenn auch misslungenen, Versuch, sich von den Beschränkungen und Komplexen zu befreien, die dem Einzelnen in seiner heimischen Gesellschaft unter Androhung der Ausschließung, der Bezeichnung als Abgefallener, Abtrünniger, Unpatriot oder gar als Landesverräter, aufgebürdet werden.

Die Ehe des Protagonisten mit einer Deutschen ist nach der tragischen Kriegserfahrung nur als Vereinbarung zweier Menschen möglich, die vor dem weiteren gesellschaftlichen Hintergrund nicht haltbar ist. Es gelingt weder den Deutschen, diese Verbindung einer Landsmännin mit einem Polen, noch den Polen, die Beziehung zwischen einem ehemaligen Warschauer Aufständischen mit einer Deutschen zu akzeptieren. Das Bedürfnis, von den „eigenen” Leuten akzeptiert zu werden, erweist sich stärker als die Gefühle füreinander – beide Eheleute geben auf, tun so, als hätten sie in den nationalistischen Vorurteilen die offenbarte Wahrheit, die sie früher fehlerhaft in Frage gestellt hätten, doch noch gefunden und kehren daraufhin, ihre vermeintliche Schuld bereuend, in den Schoß ihrer Gesellschaften zurück. Auf der retrospektiven Romanebene treten in den Erinnerungen des Protagonisten die Stadt Bydgoszcz vor dem Krieg und das in Maßen harmonische Zusammenleben ihrer polnischen Bewohner mit der starken deutschen Minderheit auf. Außerdem werden die tragischen Ereignisse im September 1939 geschildert, als die nationalistischen Motive überhandnahmen, was dem Hass freien Lauf ließ und letztlich zum Völkermord führte.

Mediathek
  • Tadeusz Nowakowski und Teresa Kiersnowska in Maczków 1946

    Tadeusz Nowakowski und Teresa Kiersnowska (am Mikrofon) in der Revue „Nachmittag mit Mikrofon“ (Podwieczorek przy mikrofonie) in Maczków 1946.
  • Tadeusz Nowakowski, ca. 1950

    Tadeusz Nowakowski, ca. 1950
  • Teresa und Tadeusz Nowakowski in Maczków 1946

    Teresa und Tadeusz Nowakowski nach der Heirat in Maczków, 1946.
  • Tadeusz Nowakowski beim Interview

    Tadeusz Nowakowski beim Interview für den Polnischen Sender des Radios Free Europe, 1957.
  • Nach der Hochzeit in Maczków, 1946

    Teresa und Tadeusz Nowakowski nach der Hochzeit
  • Tadeusz Nowakowski im Gespräch mit Witold Gombrowicz

    im Studio des Radio Free Europe in München, 1963.
  • Nach der Hochzeit in Maczków, 1946

    Teresa und Tadeusz Nowakowski nach der Heirat in Maczków, 1946.
  • Tadeusz Nowakowski bei der Besprechung im Studio

    Von links: Lechosław Gawlikowski, Jeremi Sadowski, Zygmunt Michałowski, Józef Ptaczek.
  • Teresa und Tadeusz Nowakowski in Maczków 1946

    Teresa und Tadeusz Nowakowski (oben von links) in Maczków 1946
  • Tadeusz Nowakowski und Johannes Paul II.

    Tadeusz Nowakowski und Johannes Paul II.
  • Tadeusz Nowakowski in Maczków 1946

    Tadeusz Nowakowski, Fotografie aus seinem in Maczków ausgestellten Personalausweis, 1946.
  • Tadeusz Nowakowski mit Sohn Marek bei Johannes Paul II in Vatikan.

    Tadeusz Nowakowski mit Sohn Marek bei Johannes Paul II in Vatikan.
  • Ryszard Kiersnowski in Maczków 1946

    Ryszard Kiersnowski (Tadeusz´ Schwager), Kriegsberichterstatter der Ersten Panzerdivision von General Maczek, Maczków, 1946.
  • Tadeusz Nowakowski mit Richard von Weizsäcker

    Tadeusz Nowakowski mit Richard von Weizsäcker, dem Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, 1985.
  • Ehrentafel für Tadeusz Nowakowski

    Ehrentafel für Tadeusz Nowakowski in Bydgoszcz / Polen.
  • Das Geburtshaus von Tadeusz Nowakowski, Zustand 2015.

    Das Geburtshaus von Tadeusz Nowakowski in Bydgoszcz, Podgórna Straße 15, Zustand 2015.
  • Der bekannteste Roman von Tadeusz Nowakowski „Obóz wszystkich świętych“

    Der bekannteste Roman von Tadeusz Nowakowski „Obóz wszystkich świętych“ (deutsch: Polonaise Allerheiligen,1964), Paris 1957.
  • Tadeusz Nowakowski „Obóz wszystkich świętych“, kritische Ausgabe, Warschau 2003.

    Vorwort, Bearbeitung und Anmerkungen: Wacław Lewandowski.
  • Teresa Nowakowski (101) im Gespräch mit Sohn Krzysztof, London 2019.

    Teresa Nowakowski (101) im Gespräch mit Sohn Krzysztof, London 2019 (auf Polnisch).
  • Tadeusz Nowakowski - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.