Katarina Niewiedzial – Eine Polin im Dienst der Migrant:innen
Katarina Niewiedzial kennt den Alltag von Migrant:innen, die Schwierigkeiten mit der Akklimatisierung in der neuen Umgebung, die Aufgabe, wieder von vorn zu beginnen, aus eigenem Erleben. Die Polin wurde 1977 in Zgorzelec (Görlitz) geboren und kam Anfang 1990 als zwölfjähriges Mädchen nach Deutschland, kurz nach dem Mauerfall und ein paar Monate vor der Wiedervereinigung. Die Ausreise aus Polen fiel ihr damals alles andere als leicht, da sie mit der Notwendigkeit verbunden war, das vertraute Umfeld, die Schule, die Freundinnen und die Bekannten hinter sich zu lassen:
„An die Ausreise aus Gryfino, wo wir gewohnt haben, erinnere ich mich sehr emotional. Ich war traurig, dass ich mich von allen verabschieden musste. Journalisten in Deutschland fragen mich oft, ob meine Eltern die Ausreise mit mir besprochen haben. Natürlich nicht, aber ich kann ihnen das nicht verübeln. Es war eine Entscheidung, die Erwachsene treffen. Andererseits habe ich den Wegzug ins Ausland auch als Abenteuer betrachtet.“
Nach ihrer Einreise nach Deutschland kam die Familie für kurze Zeit ins Übergangslager Friedland bei Göttingen und von dort nach Bremerhaven. Die ersten Eindrücke in der Stadt, die erheblich größer war als Gryfino (Greifenhagen), waren deprimierend. Fehlende Sprachkenntnisse und die fehlende soziale Einbindung haben die Eingewöhnung erschwert. Katarina Niewiedzial erinnert sich, dass sie sich in dieser Zeit zurückgezogen hat, wobei sie heute auch für möglich hält, dass dies vor allem an ihrem jugendlichen Alter gelegen haben könnte. Ihre Öffnung für die Situation und der Zugewinn an Selbstvertrauen gingen mit ihren Fortschritten im Sprachunterricht einher. Allerdings hatte der Aufenthalt an Orten, an denen viele Menschen mit ähnlichen Biographien lebten, darunter viele Pol:innen, auch gute Seiten. Sie sagt:
„Ich habe mich nicht einsam gefühlt. Ich hatte einen Kreis polnisch sprachiger Bekannter, mit denen ich meine Zeit verbrachte. Das hat mir sozial sehr geholfen. Deshalb wundert es mich nicht, wenn mir die Migranten und Migrantinnen heute sagen, dass sie die meiste Zeit unter ‚ihres gleichen‘ verbringen. Ich kann gut nachvollziehen, dass man in der Fremde, wenn man die Sprache nicht gut genug beherrscht, für jeden Menschen dankbar ist, mit dem man reden kann“.
Nach dem Abitur zog Katarina Niewiedzial nach Oldenburg, um an der dortigen Universität Politologie und Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Anschließend ging sie für ein Jahr nach Limerick in Irland und wandte sich dort „European Studies“ zu. 2000 erfolgten der Umzug nach Berlin und die Fortsetzung des Studiums der Politologie an der Freien Universität. Nach ihrem Abschluss kam Katarina Niewiedzial mit den Belangen von Menschen mit Migrationshintergrund in Berührung, als sie die Projektkoordination im Büro des damaligen Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration, Andreas Germershausen, übernahm. Zudem hat sie mehrere Jahre das „Progressive Zentrum“, einen Berliner Think Tank, geleitet. Der berufliche Durchbruch gelang ihr mit der Berufung ins Amt der Beauftragten für Integration im Rathaus Berlin-Pankow. Fünf Jahre lang, von 2014 bis 2019, unterstützte die Polin die Bewohner:innen des multikulturellen Bezirks und überzeugte sie davon, dass es sich in den Bemühungen um Ziele von Migrant:innen lohnt, die Kräfte zu bündeln, und dass Netzwerkarbeit enorm wichtig ist. Personen, die damals mit Katarina Niewiedzial zusammengearbeitet haben, erinnern sich heute daran, wie das bis dahin als seelenlos wahrgenommene Amt ein neues und viel freundlicheres Gesicht erhielt.
Im Mai 2019 übernahm Katarina Niewiedzial den Posten der Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration als Nachfolgerin des bisherigen Beauftragten Andreas Germershausen, bei dem sie ihre ersten beruflichen Schritte unternommen hatte. Katarina Niewiedzial setzte sich von Anfang an dafür ein, Migrant:innen vor allem als Chance für die deutsche Gesellschaft aufzufassen. „Der Arbeitsmarkt nimmt Ausländer schnell auf, da er auf ihre Hände Arbeit angewiesen ist. Jetzt müssen wir dafür kämpfen, dass ihre Arbeitsbedingungen und ihre Bezahlung gut sind“ – antwortet sie auf die Frage nach den Herausforderungen, vor denen das Amt steht, das sie leitet.