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Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern. Radziwiłł: 1687 Jerzy Józef Radziwiłł

Unbekannter polnischer Maler: Porträt Jerzy Józef Radziwiłł (1668-1689),1733-37. Öl auf Leinwand, 109,5 x 72,5 cm, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie, Inv. Nr. MP 4769 MNW
Unbekannter polnischer Maler: Porträt Jerzy Józef Radziwiłł (1668-1689), 1733-37. Öl auf Leinwand, 109,5 x 72,5 cm, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie, Inv. Nr. MP 4769 MNW

 

1687 Jerzy Józef Radziwiłł/Georg Joseph Radziwill (1668-1689), Herzog von Nieśwież/Njaswisch und Ołyka/Olyka, heiratet Marie Eleonore von Anhalt-Dessau (1671-1756), Tochter von Johann Georg II., Fürst von Anhalt-Dessau (1627-1693)

Jerzy Józef Radziwiłł ist der drittälteste Sohn von Michał Kazimierz Radziwiłł (1635-1680), 6. Fürst von Nieśwież (heute Njaswisch, Belarus), 4. Majoratsherr/Ordynat von Ołyka (heute Olyka, Ukraine) und 3. Herr von Biała (Biała Radziwiłłowska oder Biała Książęca, heute Biała Podlaska), litauischer Vizekanzler und Feldhetman, Kastellan und Woiwode von Vilnius, Marschall des Sejms, Starost zahlreicher polnischer Städte und 1679-80 Botschafter der Polnischen Republik beim Kirchenstaat. Seine beiden älteren Brüder Mikołaj Franciszek und Bogusław Krzysztof sterben in jugendlichem Alter. Seine Mutter ist Katarzyna Sobieska (1634-1694), eine Schwester des späteren polnischen Königs Jan III/Johann III. Sobieski (1629-1696). Geboren wird Jerzy Józef am 10. März 1668 in Biała. Taufpate ist der polnische König Jan II Kazimierz Waza/Johann II. Kasimir Wasa (1609-1672), der aus diesem Anlass im April 1668 nach Biała kommt. Der Ort ist seit 1569 im Besitz der Familie Radziwiłł. Ab 1622 wird dort ein Schloss für die Familie errichtet.

Während sein Vater in Rom weilt, besucht Jerzy Józef 1679-80 gemeinsam mit seinem ein Jahr jüngeren Bruder Karol Stanisław (1669-1719) das Jesuitenkolleg in Lublin. Ihr Lehrer, Kazimierz Aleksander Czychrowski, berichtet regelmäßig nach Rom und beklagt sich über die mangelnden Fähigkeiten und den geringen Lerneifer seiner Schüler. Im Februar 1681 übergibt Jerzy Józef im Sejm in Warschau die Siegel seines verstorbenen Vaters. Nach dem Schulabschluss begeben sich er und sein Bruder Anfang 1684 auf ihre Grand Tour durch Europa, die sie zunächst über Krakau, Breslau und Frankfurt (Oder) nach Berlin führt. Am Berliner Hof treffen sie die Alleinerbin aus dem Familienzweig der Herzöge von Birże und Dubinki, Luise Charlotte (Caroline) Radziwill/Ludwika Karolina Radziwiłłówna (1667-1695), die 1681 den Prinzen Ludwig von Brandenburg (1666-1687) aus dem Hause Hohenzollern geheiratet hat, um mit ihr ältere Erbschaftsangelegenheiten zu regeln. Anschließend fahren die Brüder nach Prag, wo sie offenbar ein Semester lang Vorlesungen über Philosophie hören.

Ende 1684 reisen sie weiter über Linz, Salzburg, Venedig, Padua, Verona, Vicenza, Brescia, Bergamo, Mailand, Turin, Pinerolo, Chambéry, Lyon, Avignon und Toulon nach Marseille, wo sie fünf Monate lang an der Universität studieren. Anschließend führt sie ihre Reise über Montélimar, Nevers und Orléans nach Paris. Dort erreicht sie von König Johann III. Sobieski der Auftrag nach London zu reisen, um König Jakob II. von England zu seiner Thronbesteigung im April 1685 zu gratulieren. Anschließend fahren sie über die Niederlande zurück nach Paris, wo sie vom polnischen König die Aufgabe erhalten, den König von Portugal, Peter II., in Lissabon aufzusuchen um die Möglichkeiten einer Heirat von dessen Tochter Elisabeth Luisa mit dem Sohn des polnischen Königs, Jakob Louis/Jakub Ludwik Sobieski, zu erörtern. Als sie dort jedoch im Januar 1686 nicht vorgelassen werden, reisen sie zurück nach Paris. Jerzy Józef erhält vom polnischen König als Auszeichnung für seine diplomatischen Missionen den Titel eines litauischen Mundschenks, ein Ehrenamt, das ihn direkt dem Großfürsten von Litauen unterstellt. Die Zeit von Oktober 1686 bis zum Mai 1687 verbringen die Brüder in Rom, wo sie anlässlich einer Audienz bei Papst Innozenz XI. Reliquien des heiligen Vincent von Valencia erhalten, die sie später bei den Dominikanern in Nieśwież deponieren.

Schließlich erreichen die Brüder nach einer Reise über Venedig und Wien im Juli 1687 Breslau. Folgt man einer österreichischen Quelle, so soll sich zu diesem Zeitpunkt der Bischof von Kiew, Andrzej Chryzostom Załuski, im Auftrag von Jerzy Józef in Berlin bemüht haben, die im April 1687 verwitwete Luise Charlotte Radziwill als Braut für ihn zu gewinnen, wobei Jerzy Józef dann in Konkurrenz zu Jakob Louis Sobieski gestanden hätte. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich die Brüder Radziwiłł als Vermittler zwischen Jakob Louis Sobieski und Luise Charlotte eingeschaltet haben. Denn Jerzy Józef selbst hatte sich bereits seit dem Vorjahr mithilfe seiner Berliner Verwandten um die Hand von Marie Eleonore, der Tochter des Fürsten Johann Georg II. von Anhalt-Dessau, bemüht. Am 13. September 1687 heiraten schließlich in Dessau Jerzy Józef Radziwiłł und Marie Eleonore von Anhalt-Dessau und lassen sich anschließend in Biała nieder. Luise Charlotte Radziwill gibt Jakob Louis Sobieski zwar ein Eheversprechen, heiratet aber nach einer sorgfältig inszenierten Intrige im August 1688 in Berlin den Kurprinzen Karl Philipp von der Pfalz (1661-1742).

Marie Eleonore von Anhalt-Dessau ist das siebte Kind aus der Ehe des regierenden Fürsten von Anhalt-Dessau, Johann Georg II., aus dem Haus der Askanier, und der niederländischen Prinzessin Henriette Catharina von Oranien-Nassau (1637-1708). Johann Georg ist durch diese Ehe Schwager des Großen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688), geworden und wird 1670 von diesem zum Generalfeldmarschall ernannt. Für Brandenburg zieht er 1675 gegen die Schweden in den Krieg, übernimmt 1679 ein brandenburgisches Infanterieregiment und vermittelt über ein Jahrzehnt zwischen Brandenburg und Kaiser Leopold I. Möglicherweise sucht Jerzy Józef mit seiner Heirat die Nähe zum Haus Hohenzollern, denn auch Luise Charlotte Radziwill ist über ihre Großmutter Elisabeth Sophie von Brandenburg (1589-1629) mit den Hohenzollern verwandt und hat außerdem mit ihrem ersten Mann Ludwig von Brandenburg einen Sohn des Großen Kurfürsten geheiratet.

Jerzy Józef Radziwiłł wird als ältester überlebender Sohn seines Vaters 7. Majoratsherr/Ordynat von Nieśwież und Großkanzler von Litauen. 1688 wird er zum Woiwoden der litauischen Wojewodschaft Trakai ernannt. Im selben Jahr erhält er durch eine endgültige Aufteilung des Familienbesitzes zwischen ihm und seinem Bruder Karol Stanisław die Herrschaft Ołyka, zahlreiche Güter und Ortschaften in Litauen und Polen, ein Mietshaus in Warschau sowie ein Herrenhaus im Warschauer Vorort Praga, des Weiteren ein Mietshaus in Krakau, Paläste in Grodno und Vilnius sowie die Starostien von Człuchów, Rabsztyn und Gubin. Zugleich muss er hohe Schulden seines Vaters übernehmen. Im November 1888 nimmt er in Łuck (heute Luzk, Ukraine) am Vor-Sejm teil, wird aber nicht zum Abgeordneten gewählt. Eine Tochter des Ehepaars, Katarzyna Henryka, stirbt kurz nach der Geburt. An den Folgen einer plötzlichen Erkrankung stirbt Jerzy Józef Radziwiłł am 2./3. Januar 1689 in Biała und wird in Nieśwież im Jesuitenkloster beigesetzt. Der Familienbesitz fällt an den Bruder, Karol Stanisław Radziwiłł. Marie Eleonore von Anhalt-Dessau, Fürstin Radziwiłł geht nach Dessau zurück und bleibt unverheiratet. Sie überlebt ihre neun Geschwister, darunter auch den Nachfolger ihres Vaters, Leopold I. von Anhalt-Dessau (1676-1747). Sie erbt den Nachlass ihrer Mutter mit einer bedeutenden Gemäldesammlung niederländischer Meister, die sich heute in den Schlössern von Dessau und Mosigkau befindet. Marie Eleonore stirbt am 18. Mai 1756 in Dessau und wird in der dortigen Marienkirche bestattet.

 

Das Bildnis von Jerzy Józef Radziwiłł in der Sammlung des Nationalmuseums Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie (Titelbild) stammt aus einer Serie von 165 Ölgemälden mit (teilweise fiktiven) Bildnissen von Mitgliedern der Familie Radziwiłł, die Anna Katarzyna Radziwiłłowa (1676-1746), geborene Sanguszko, die Ehefrau von Karol Stanisław Radziwiłł, in den Jahren 1733 bis 1737 in Nieśwież malen ließ. Dort befand sich die Sammlung bis 1939. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden 62 dieser Gemälde von der UdSSR nach Polen gegeben und gelangten in die Sammlung des Nationalmuseums. Das vermutlich nach einem Vorbild des späten 17. Jahrhunderts gemalte Bildnis zeigt den Porträtierten in antikem Stil, wie er für die Hofmalerei zur Zeit Johanns III. Sobieski üblich war, bekleidet mit einem römischen Feldherrnmantel (Paludamentum). Ein 1758 in Nieśwież erschienenes Buch mit 165 Kupferstichen, die nach Vorlagen der Gemälde angefertigt wurden, enthält auch das entsprechende Porträt (Bild unten).

 

Axel Feuß, Februar 2022

 

Literatur:

Horst Lademacher: Dynastie in der Republik. Das Haus Oranien-Nassau als Vermittler niederländischer Kultur in deutschen Territorien im 17. und 18. Jahrhundert (Textband zum Ausstellungs-Katalog Onder den oranje boom. Niederländische Kunst und Kultur …), München 1999

Michael Rohrschneider: Johann Georg II. von Anhalt-Dessau. Eine politische Biographie (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, 16), Berlin 1998

Andrzej Rachuba: Jerzy Józef Radziwiłł h. Trąby, in: Polski Słownik Biograficzny, Band 30, 1987, Seite 236

Marcin Franciszek Wobe / Hirsz Leybowicz: Icones familiae ducalis Radivilianae ex originalibus ... picturis desumptae. Inscriptionibus historicalo-genealogicis ... illustratae, ab anno ... 1346 ad annum 1758, Nesvisii [Nieśwież] 1758

 

Online:

Icones familiae ducalis Radivilianae …, 1758, Nationalbibliothek Warschau/Biblioteka Narodowa w Warszawie, auf polona.pl, https://polona.pl/item/icones-familiae-ducalis-radivilianae-ex-originalibus-picturis-desumptae,MzA0ODUz/149/#info:metadata

Andrzej Rachuba, auf Internetowy Polski Słownik Biograficzny, https://www.ipsb.nina.gov.pl/a/biografia/jerzy-jozef-radziwill-1668-1689-ordynat-nieswieski-wojewoda-trocki

Jerzy Flisiński über den jüngeren Bruder Karol Stanisław Radziwiłł, https://www.slowopodlasia.pl/wiadomosci/2816,karol-stanislaw-i-radziwill-1669-1719-zwany-sprawiedliwym

Hans Saring: Johann Georg II., in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), Seite 466 f. [Online-Version], https://www.deutsche-biographie.de/gnd102367604.html#ndbcontent

(Alle Links wurden zuletzt im Februar 2022 aufgerufen.)

Media library
  • Porträt Jerzy Józef Radziwiłł, 1758

    Kupferstich, in: Icones familiae ducalis Radivilianae …, Nieśwież 1758, Tafel 149, Nationalbibliothek Warschau/Biblioteka Narodowa w Warszawie
  • Georg Lisiewski (1674-1750): Porträt Marie Eleonore von Anhalt-Dessau, Fürstin Radziwill (1671-1756), um 1725

    Öl auf Leinwand, 77,5 x 64,5 cm, Sammlung Schloss Mosigkau